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Alt 23.05.2015, 08:39   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Gehorsam

War nie ein Tag von Regen so wie dieser,
da in den Krieg er zog mit stolzen Liedern,
mit großer Geste und geraden Gliedern,
und jene, die ihn hüteten, verließ er.

War nie ein Tag von Regen so wie dieser,
da ihn das Glück verließ und seine Beine,
und all die hehren Ziele waren keine!
Gehorsam aber trug er und bewies er:

War nie ein Tag von Regen so wie dieser,
da in der Heimat er die Trommel rührte
und neue Kinder an die Schlachtbank führte,
und Ruhm und Ehre für den Sieg verhieß er.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 30.05.2015, 20:31   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

vielleicht tun wir den „Gehorsamen“ von damals auch teilweise unrecht, ich weiß es nicht.
Nicht alle kannten das Ausmaß der Gräueltaten und da kein helfender Gott existiert, richtet sich der Mensch in der Not an irdische Ideologien (womit schon sich wieder der Bogen zu einem Kreis geschlossen hat, die Katze beißt sich wieder in den Schwanz).

Wir wissen es heute besser und wir können froh sein, dass die Geschichte so ausgegangen ist, wie sie gekommen ist, denn stell dir nur einmal vor, diese Typen wären erfolgreich gewesen.
Was für eine Welt hätten wir dann heute, was für Menschen wären wir selbst, wenn wir in diese Ideologie hineingeboren worden wären? Sie hätte uns genauso manipuliert, wie unsere „heutige“ Zeit. Und wir müssten gehorsam sein, denn das würde uns der Überlebenstrieb schon befehlen, oder eben in der Opposition sterben.
Eine grausige Vorstsellung ist das.

Wir zwei säßen schon längst im Knast oder hätten unsere Köpfe, wie die weiße Rose, verloren, denn unsere Gedanken sind – von unserer Zeit geprägt – nicht ganz so gehorsam und wir dürfen sie aussprechen.

Den ewig Gestrigen ist sowieso nicht zu helfen. Die stecken genau so fest in ihrem Glauben wie auch die Religiösen, die wollen das so.

Aber das Schöne ist, wir dürfen unsere Meinung dazu sagen...


In diesem Sinne gern gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 30.05.2015, 22:28   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Faldi!

Hier stand der Hurra-Patriotismus der amerikanischen Unterschicht Pate - viele dieser eher bildungsfernen "braven Soldaten" lassen sich für das, was sie für Heimat, Ehre und Wahrheit halten, für die politischen Belange ihrer Mächtigen einspannen. Selbst verstümmelt rühren sie in der Heimat mit Orden an der Brust noch die Werbetrommel für den Dienst am Vaterland! Sah das in einer Doku und war verwundert über soviel Sturheit und Unreflektiertheit des Geistes! Das waren wahrhaft Indoktrinierte! Aber was will man von solchem Kanonenfutter erwarten, das schon seit dem Kindergarten jeden Morgen in seinen Hinterwäldlerdörfern die hehre Flagge hisst und die pompöse Hymne schmettert, die von Tapferkeit und Edelmut im Namen der Freiheit tönt! Im Grunde auch nur arme Opfer eines Staates, der sich als "westliche Leitkultur" zu bezeichnen wagt!

Nun, vielleicht muss man so fanatisch sein, um dem religiösen Wahnsinn einer enthemmten islamischen Welt Paroli bieten zu können (den die amerikanische Politik zum größten Teil überhaupt erst verschuldet hat!!!), was weiß ich. Aber es macht mich in beiden Fällen von geistiger Unbeweglichkeit eigentlich nur traurig - und widert mich an.

Natürlich kann man es auch auf die Weltkriege beziehen. Ob Kaisertreue, brave Nazis oder stramme Patrioten oder Kommunisten: Diese Ameisenseelen ordnen das Individuum ganz der Idee von einem "größeren Ganzen" unter und verstehen nicht, wie andere Menschen das überhaupt anders sehen können - diese Defaitisten, Feiglinge und Vaterlandsverräter! Damals stand derlei Gedankengut hoch im Kurs - solche Blödel (dulce et decorum est pro patria mori! - Süß und ehrenvoll ist's, für's Vaterland zu sterben!) gab es schon bei den ollen Römern, danach wie davor. Hier wird das Opfer beschworen, das man für das Überleben einer Gemeinschaft, der man angehören will, bringen soll - zuweilen sogar die eigene Existenz (siehe Kamikaze!), weil manche Gesellschaften das Individuum als gering, wenn nicht gar wertlos erachten.
Für den ersten Weltkrieg sei an Remarque erinnert: In seinem Roman "Im Westen nichts Neues" beschreibt er, wie nationalistisch gesinnte Gymnasiallehrer mit hehren Parolen ihre Schüler aufhetzten, bis sich ganze Klassen geschlossen freiwillig zur Armee meldeten! Sozialer Druck auf unsichere oder allzu präpotente Gemüter, falscher Ehrbegriff und mangelnder politischer Überblick wie mangelndes Unrechtsbewusstsein.
Man muss dabei bedenken, dass erst seit dem Ende der Weltkriege das Soldatentum in Westeuropa in keinem unangefochtenen Ruf mehr steht - davor WAR es durchaus anerkannt, Krieg zu führen, wenn man sich nicht verbal einigen konnte! Erst die Industrialisierung des Mordens durch moderne Tötungstechnik und das erschreckende Ausmaß ihrer Effektivität machte die Natur des Krieges derart öffentlich sichtbar, dass nach dem Schlachten ein tiefergreifenderes Umdenken einsetzte - zumindest in Europa.

Das Gedicht richtet sich ja nicht gegen jene, die nicht freiwillig in den Krieg zogen, sondern ganz explizit gegen jene, die das WOLLTEN und selbst nach schlimmsten Kriegserlebnissen behaupteten, diese Zeit wäre die beste ihres Lebens gewesen - Hitler war zB so einer! Es geht gegen jene, die nichts dazugelernt haben, die der Krieg nur verroht und gleichgültig gegenüber menschlichem Leid gemacht hat, oder jene, die einfach zu ungebildet oder dumm sind, um übergeordnete ethische Zusammenhänge zu erkennen, zum Gehorsam erzogen, ähnlich wie Religiöse. In vielen Regionen der Welt (und es werden leider wieder mehr, wie mir scheint) ist das auch heute noch so. Leider.

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
__________________
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Alt 02.06.2015, 18:40   #4
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,

ein Gedicht, das aufzeigt, wie sich alle Zeiten ähneln. Jede Zeit hatte und hat eine angepasste Macht, die nur darum "funktioniert", weil sie ihre "Gefolgsschäfchen" dahin leitet, zu brüllen und zu kämpfen. Diese Macht verführt in ein Elend, das mit Massen(macht) nur scheinbar zur Veränderung führt.
Ein jeder Geist weiß um Recht und Unrecht - doch darüber steht immer ein Geist, der es für sich, für seinen Ruhm, seine Eitelkeit und seine Brieftasche einzusetzen versteht.
In jeder Krise, jeder Gefahr und in jedem Krieg werden die Massen manipuliert.

Es waren oft (immer) Dichter, die gemahnt haben. Jene, die an den Geist appelliert haben, eben jene, die ungehört von den Massen blieben und bleiben.

Vielleicht ist es darum wichtig, immer wieder zu erinnern. Vielleicht reagiert die Masse einmal entgegen - STELL DIR VOR, ES IST KRIEG UND KEINER GEHT HIN.

Die Masse denkt - es braucht aber sehr lange, bis sie erkennt, dass sie gedacht wurde.

Gehorsam hat wenig, gar nichts mit Denken zu tun. Gehorsam wird von egoistischen Denkern genutzt, die ausschließlich an Ehre, Pflicht und Macht denken.

Ich verurteile keine Masse, keinen Mitläufer. Ich klage jene an, die es nutzen und benutzen.

Ein aufklärendes Gedicht, das die Masse lesen und verstehen sollte.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 02.06.2015, 18:49   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Dana!

Vielen Dank für das tolle Echo!

Eigentlich sollte es ein Sonett werden, aber dann drängte sich die sich wiederholende Einstiegzeile auf ("War nie ein Tag von Regen so wie dieser,"), und das Gedicht wollte dem Rhythmus dieser Wiederholung zuliebe als dreifacher Vierzeiler enden.

Natürlich wird es nicht immer geregnet haben, wenn fahnentreue Jubelbrüder in den Kampf zogen, und auch nicht, wenn sie verstümmelt wurden oder daheim neue Rekruten der menschlicehn Dummheit anwarben!
Aber ich fand, es wäre ein gutes Bild, das an Tränen (der Welt) denken lässt und die Traurigkeit jener beschreibt, die dieses Spiel durchschauen und - wie du sagst - ungehört und unbegriffen bleiben!

Alles Gute, eKy
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