18.02.2014, 11:16 | #1 |
TENEBRAE
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Der andere Nachbar
Sehr selbstzufrieden und mit wohligem Gewissen
marschiert er stolz an seines Nachbars Tür vorbei. Er war gerade eben auf der Polizei, um wohlberedt durchaus und eifrig pflichtbeflissen dort anzuzeigen, dass der Nachbar "anders" sei. Dort hat man ihn gefragt, was denn so "anders" wäre an diesem Nachbar, dass es ihn so sehr entrüste, und er erklärte gern, was sonnenklar sein müsste: Die unerträgliche, erschütternde Misere, die jeder melden würde, wenn er davon wüsste! Danach hat man ihn heimgeschickt und ihm versichert, es ginge nunmehr alles seinen rechten Gang. Um seine Seelenruhe nicht mehr angst und bang schließt er die Türe ab, wobei er leise kichert - er kann dabei nicht anders, es ist wie ein Zwang...
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (19.02.2014 um 17:12 Uhr) |
17.03.2014, 19:33 | #2 |
Lyrische Emotion
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Sevus Erich,
es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. So lautet das alte Sprichwort, was man hier wortwörtlich anwenden kann. Ich denke, hier geht es um einen notorischen Denunzianten, der es nicht mit ansehen kann, dass sein Nachbar ein "anderes" Leben wie er führt. Vielleicht lassen es seine Moralvorstellungen nicht zu, dass jemand in seiner Nachbarschaft "anders" ist und eine Portion Boshaftigkeit und Neid sorgt für seine Umtriebe. Was für ein armer Tropf muss das sein, wenn er aus seinem Leben nur dann noch Glück schöpfen kann, wenn er einem "anderen" Ärger und Verdruss bereitet, nur weil der vielleicht noch Spaß am Leben hat und deshalb eben "anders" ist. Eine solche Existenz muss sehr einsam oder erfolglos sein und deshalb sind seine Methoden auch drastisch, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen. Da kann man nur hoffen, dass man eines Tages, vielleicht durch eine Krankheit oder andere Umstände bedingt, nicht genau so wird. Solche Leute sind zwar bemitleidenswert, doch genau so bemitleidenswert sind ihre Opfer, die ja gar nichts dafür können, dass sie "anders" sind. Und so lässt der Text über zwei Ebenen nachdenken: Zum einen über die Sichtweise, Handlung und Gefühle des Denunzianten und zum anderen über die möglichen Konsequenzen für den Betroffenen. Das ist sprachlich sehr schön ausformuliert und die "Fünfzeiler" machen auch Spaß und sind gut zu lesen. In diesem Sinne hat mir das Gedicht sehr gut gefallen... Gerne gelesen, darüber nachgedacht und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
17.03.2014, 22:58 | #3 |
TENEBRAE
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Hi, Faldi!
Vielen Dank für deine freundlichen Gedanken! Worin das "Anderssein" besteht, habe ich bewusst nicht spezifiziert - da kann sich jeder auf beiden Seiten der Medaille einfühlen, ein jeder mit seinem eigenen individuellen allerschlimmsten "Pfui"! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
07.05.2014, 07:33 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Erich Kykal,
es gibt Menschen, die einem notorischen Zwang unterliegen. Sie können einfach nicht anders, als andere zu denunzieren und fühlen sich danach erst besser, manche glauben sogar, sie täten der Welt oder der Gesellschaft einen großen Gefallen damit, andere anzuschwärzen. Solchen Menschen bin ich auch begegnet und man tut besser daran, ihnen möglichst aus dem Weg zu gehen. Leider gelingt das nicht immer und dann muss man sich doch mit ihnen auseinandersetzen. Ist es Neid, fehlende Aufmerksamkeit oder einfach nur die Freude daran, anderen eins auszuwischen? Verstehen kann man das nur schwer, wenn man selbst die anderen Menschen so leben lässt, wie sie sind, solange sie keine Straftaten begehen oder anderweitigen Schaden anrichten. Das hat dein Gedicht anschaulich beschrieben. Herzliche Inselgrüße Narvik
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant) |
07.05.2014, 12:49 | #5 |
TENEBRAE
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Hi, Narvik!
Sehr schön definierst du die magische Grenze: Solange sie keine Straftaten begehen oder anderen schaden! Wenn ich sehe, wie jemand sich vor Kindern entblößt oder eine Bank ausraubt, hab ich kein Problem damit, ein "Denunziant" zu sein, denn solche Leute schaden einzelnen wie der Allgemeinheit. Vielen Dank für deine Gedanken! LG, eKy
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08.05.2014, 05:50 | #6 |
Kiwifrüchtchen
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Hallo Erich,
diese ach so netten Zeitgenossen gibts wohl überall. Eigentlich müsste man sie ja bedauern, denn solche Aktionen zeugen entweder von einem sehr einsamen und unerfüllten Leben oder einem psychologischen Problem. Das Kichern beim Versperren der Türe lässt auf letzteres schließen. Die prima gebastelten 5Zeiler als Reimschema gefallen mir ausnehmend gut. Klitzekleine Kritikpunkte: Sehr selbszufrieden... das 'sehr' macht sich mM nach allzu breit hier und scheint zu augenfällig der Metrik geschuldet. Das 'wohlige' Gewissen... hm... klingt mir etwas befremdlich. Zudem kommt 'wohl' kurz drauf gleich nochmals vor. Vllt 'wortgewandt' anstatt 'wohlberedt', welches nicht grade prickelnd ist). Und für die 1. Zeile vllt: Mit sich zufrieden und erleichtertem Gewissen...? Oder Zufrieden mit sich selbst, erleichtertem Gewissen...? Was meinst Du? Vll magst Du da nochmals nachpinseln. Du erfreust und verwöhnst Deine Leserschaft mit Werken von überdurchschnittlich hoher Qualität, daher fallen solche Winzigkeiten eben auf. Sehr gern gelesen und mich damit beschäftigt. HG von Lailany
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal Geändert von Lailany (08.05.2014 um 08:13 Uhr) |
08.05.2014, 15:14 | #7 |
TENEBRAE
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Hi, Lai!
Sprache ist etwas recht subjektiv Empfundenes - mir erscheint das von dir monierte "sehr" keineswegs metrikgeschuldet erzwungen. So wollte ich beginnen. Auch mit dem Begriff "wohlig" habe ich kein Problem. Eine andere Sprachhabung, andere gewohnte Ausdrücke, etwas lokales Timbre - und schon erscheinen einem ungewohnte Phrasen seltsam und unnatürlich. Dennoch vielen Dank für deine Gedanken! LG, eKy
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15.05.2014, 17:45 | #8 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
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Beiträge: 5.637
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Lieber eKy,
oh, wie ich die anderen Nachbarn liebe. Das meine ich jetzt nicht wirklich gehässig. Narviks Kommentar, sein Hinterfagen, treffen es am ehesten. Das ist eine Spezies, in die man sich absolut nicht hineindenken kann. Also ganz im Gegenteil zu Reaktionen, Aktionen und Machenschaften, die man noch nie vollbracht hat aber gedanklich "nachfühlen" kann. Z.B. mordet man gedanklich, schlägt, wütet und wünscht einem die Pest an Hals. Dieses zu tun, ist eine andere und hoffentlich immer fremde Welt. Doch jene sind real. Es hütet einen nur Angst und Abscheu davor, sich mit ihnen auseinander zu setzen, zu hinterfragen. Vielleicht sind "Normalos" nicht Fachmann genug, die hilflose und arme Kreatur dahinter zu entlarven und evtl. zu "heilen". Ein sehr gutes Gedicht - inhaltlich und lyrisch. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
15.05.2014, 21:01 | #9 |
TENEBRAE
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Hi, Dana!
Wie bereits erörtert - die Thematik ist vielschichtig und (leider!) eben zutiefst "menschlich". Sich selbst davon zu überzeugen, dass es "zum Wohle der Gemeinschaft" ist oder so, ist ein Selbstschutzmechanismus, kann aber in gewissen Fällen durchaus gerechtfertigt sein. Wo da die moralisch eindeutige Grenze verläuft, ist zumindest diskussionswürdig und für jeden wohl anders. Wo es zum krankhaften Zwang wird oder zur Befriedigung eines hinterhältigen Gemüts dient, ist es natürlich eindeutig verwerflich, in ersterem Fall zumindest bemitleidenswert. Danke für deine Gedanken! LG, eKy
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