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Alt 02.06.2018, 20:02   #1
AAAAAZ
Wortgespielin
 
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Beiträge: 664
Standard Im Hafen

Der Wind schläft ruhig, verhüllt mit Segeltüchern.
Das Abendrot fällt glühend durch ein Rost,
und Seemannsgarn quillt aus den Reisebüchern.
Lektüren öffnen sich mit leichter Kost.

Das Seepferd gleitet stolz und hoch zu Rosse
vorbei und macht im Hafenbecken Rast.
Ein Bürger steigt vom Bootssteg in die Gosse,
er wird vom Laster inniglich erfasst.

Sie nehmen ihn in ihren Arm und saugen
wie Mücken, weil sie lebenshungrig sind.
Die Läden schließen müde ihre Augen.
Beim Rückweg schwankt er satt durchs Labyrinth.

Gedanken dümpeln plätschernd durch die Seiten,
das Blättern wedelt Fischgeruch an Deck.
Tabletten, ein Tablett und Essenszeiten,
schon ist sein Schiff zerplatzt, schon ist es weg.

Geändert von AAAAAZ (03.06.2018 um 11:03 Uhr)
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Alt 02.06.2018, 21:33   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Az!

Eher Stimmungsbilder als eine Beschreibung, da hätte ich eine andere Rubrik gewählt.

Erst mal die Peanuts:

S1Z1 - Eigentlich sagt man: "gehüllt in Segeltücher", also ohne "n" dran. Hier für den Reim nötig, klar. Ich hätte es einfach anders formuliert: "bedeckt von Segeltüchern" oder "der Wind schläft ruhig in weißen Segeltüchern."
So klänge das "n" am Ende nicht seltsam.

S2Z1 - Kein Komma am Zeilenende.
S2Z4 - Von welchem Laster erfasst? Einem Lastwagen oder einem moralischen Laster? Missverständlich, zumal -

S3Z1 - zumal hier nun plötzlich von einem "Sie" die Rede ist, das nicht weiter erklärt wird. Das ist Plural, das "Laster" in der Vorzeile Singular, also kann es nicht dieser Bezug sein, ansonsten müsste es dort "von Lastern" heißen.

S4Z2 - Fischgeruch "wedelt" nicht aktiv, er kann höchstens durch das Wedeln mit einem alten Fisch verbreitet werden. Das Bild funzt nicht. Wie wäre es mit "sickert"?
S4Z4 - Der Punkt zuletzt hat eine Leerstelle vor sich.


Das Seepferd als nautischer Pegasus - interessant! Ein Hafengemälde aus surreal beschriebenen Impressionen, jede für sich hochlyrisch - real oder nur der Fantasie eines bettlägrigen Lesers entwachsen, geplagt von Alter und/oder Krankheit? Oder beides?
Andre Heller sang ja einst: "Die wahren Abenteuer sind im Kopf! Und sind sie nicht in deinem Kopf, dann sind sie nirgendwo!" - Wie wahr!

Handwerklich vollendet und sehr inspiriert - ein höchst gern gelesenes Gedicht! Chapeau!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 02.06.2018, 22:49   #3
AAAAAZ
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Hi eKy,

mit deiner hilfreichen Kommentierung konnte der Text verbessert werden, danke. Das Laster und das ,,sie" in der dritten Strophe sollen unbestimmt und mehrdeutig bleiben. Ebenso wird das Segel zwischen Bett und Leichentuch Assoziationen freisetzen können. Konkreter soll es aber nicht werden. Ob nun surreale Bilder, Erinnerungen oder Phantasiewelten, die reale Situation bleibt dem Betrachter verborgen - wie sooft im Leben. Insgesamt ist es aber schon als Personenbeschreibung gedacht. AZ
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Alt 03.06.2018, 10:27   #4
Laie
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Hi AAAAAZ,

ein wirklich herausragendes Gedicht! Die beschriebenen Bilder sind stark und poetisch und bleiben teilweise etwas im Unklaren, was aber perfekt zur letzten Strophe passt.

Wirklich voller Genuss gelesen!

Gruß,
Laie
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Alt 03.06.2018, 11:24   #5
Erich Kykal
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Hi AZ!

Entschuldige, wenn ich insistiere, aber gerade diese Stelle mit dem undefinierten "Laster" (gibt er sich ihm hin in der Gosse oder wird er davon in der Gosse überfahren!?) und dem unerklärten "Sie" danach ist meines Erachtens der größte Fehler in diesem ansonsten so gelungenen Werk!

Gerade Lyrik sollte, so surreal die Bilder auch sein mögen, dem Leser einen klaren roten Faden bieten, an dem er sich Bild für Bild entlanghangeln kann.
Treten solche verwirrenden Stellen auf, wird man quasi aus dem Fluss gerissen, weil das Hirn sofort vom lyrischen Kopfkino-Genuss auf logische Anschlusssuche umschaltet. Zumindest meins.
Finden sich auch dann kein Bezug, keine Erklärung, mindert dies den Genuss - und damit den Wert der schriftstellerischen Leistung - doch merklich.

Ein Gedicht wird immer an der schwächsten Stelle gemessen, nie an den wirklich herausragend guten Stellen! Mein Rat: Kläre die Stellen. Man sollte nicht zuviel wollen mit einem Gedicht - zuviel Unbetimmtheit oder Mehrdeutigkeit hinterlässt den Leser eher unbefriedigt und hilflos, er ärgert sich dann eher als zu genießen.
Deine lyrischen Bilder sind hier wirklich schon sublim und transzendiert genug!
Gerade deshalb sollte der rote Faden klar und nachvollziehber bleiben.

LG, eKy
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Alt 03.06.2018, 11:35   #6
Laie
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Ich denke, die Stelle würde sich schon um einiges klarer gestalten, wenn man einen Buchstaben hinzufügt und einen austauscht:

... er wird von Lastern inniglich erfasst.

Sie nehmen ihn in ihren Arm und saugen...


Dies löst meiner Meinung nach das Missverständliche auf. Das sie bezieht sich nun eindeutig auf die Laster. Und da sie den Bürger in ihren Arm nehmen und aussaugen, kann es sich wohl kaum um Lkw's handeln

Beste Grüße,
Laie
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Alt 03.06.2018, 12:44   #7
Chavali
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Hallo AAAZ,

das ist ein höchst gelungenes Gedicht!
Erichs Vorschläge und deine Umsetzung haben es perfekt gemacht
(ich las es auch schon in der Urfassung).

Du kannst also nicht nur spotten

LG Chavali
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Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.06.2018, 13:51   #8
AAAAAZ
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Hi eKy,

nun, vielleicht sollte ich erwähnen, dass es sich konkret um meinen lebenslustigen Onkel gehandelt hat, der einige Zeit nach dem Zusammenstoß mit einem Schwertransporter im Koma lag. Da nehme ich gerne auch einige verärgerte Leser in kauf, die sich in gemütlich vorgefertigten Bildern und im sublimen Lesegenuss gestört gefühlt haben mögen. Sogar wenn dadurch der Wert meiner schriftstellerischen Leistung nach manchem unerbittlichen Urteil sofort herabgestuft werden muss und deine logische Anschlusssuche ins Leere greift.
Mein Onkel verstarb, Gott hab ihn selig, und in seinen letzten lichten Momenten machte er noch einen höchst zufriedenen Eindruck. Er erzählte mir von "seinen" vielen schönen Frauen am Hafen, und ich denke, dass ihm dabei immer schon ein sehr gutes Kopfkino geholfen hat. Ich hoffe, du hast für meine schwere Situation Verständnis. Und danke nochmals für dein engagiertes Insistieren. AZ

Hi Laie,

danke für dein n,
aber an manchem Laster muss man einfach festhalten, wenn es nunmal der reinen Wahrheit dient. Mein Onkel wurde schließlich nicht zehn mal überrollt und plattgefahren AZ


Hi Chavali,

einem aufrichtigen Kommentar vermag ich keinen Spott entgegen zu bringen. Danke für dein Vorbeischauen, AZ
AAAAAZ ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.06.2018, 14:53   #9
Chavali
ADäquat
 
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Hi Az,

Zitat:
Zitat von Ch.
Du kannst also nicht nur spotten
da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt

Zitat:
Zitat von AAZ
einem aufrichtigen Kommentar vermag ich keinen Spott entgegen zu bringen.
ich hätte wohl eher schreiben sollen: ...ein Spottgedicht schreiben...

Ich hoffe, ich konnte aufklären
Gerne nochmals gelesen!

LG Ch.
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Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.06.2018, 15:50   #10
AAAAAZ
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Hi Chavali,

hey, du stehst auf meine Spottgedichte?

Nun, für den Spott sieht man sich einige ernsthaft sorgen, die durch Schaden klug werden wollen. Anders kann ich mir vieles nicht erklären. Und manches Ego hat sich den Spott einfach redlich verdient.
Ansonsten geht es mir natürlich nicht ums plumpe Verspotten oder Niedermachen. Mir ist doch auch klar, wie sensibel manches Dichterseelchen hier tickt.
Jede/r geht mit dem in Resonanz, was ihn/ sie gerade beschäftigt. Insofern bin ich immer gleichzeitig selbst der Adressat meines Spottes, und das erlaube ich mir zu sagen. Lieben Gruß und danke für dein Aufklären. AZ
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