09.05.2009, 02:21 | #1 |
Slawische Seele
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Geneigte Bäume
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. Fast zwanghaft grab ich in vergangnen Tagen, spürend, dass neues Leiden daraus wächst, als ob Gewohnheit meint mit Recht zu klagen, indem sie immer wieder Fragen stellt. Die vielen Jahre hab ich längst verziehen, hoffend, dass Abstand Einvernehmen schafft, den Seelenfrieden halt ich wie geliehen, doch fühl ich Schwäche, die mich traurig stimmt. Geneigte Bäume hat der Sturm verbogen, dienend jedoch hat er sie nicht gemacht. Mit starken Wurzeln trotzen sie den Wogen und widerstehen der Naturgewalt. . .
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
09.05.2009, 08:48 | #2 |
gesperrte Senorissima
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Liebe Dana -
ein Wühlen in der Vergangenheit? Ein gar bittersüßes Unterfangen - wer wüßte das nicht? Dein Gedicht stimmt mich sehr nostalgisch. Mit der Metrik komme ich (noch) nicht ganz zurecht. Dazu bedarf es wohl mehr als zweimaliger Lektüre. In der ersten Strophe hätte ich nach meint ein Komma gesetzt. Gefühlsmäßig. "Geneigt" ist ja ein sehr doppelsinniges, doppeldeutiges Wort. Hier sehe ich beide Bedeutungen passend. (Man kann sie beugen, aber nicht brechen!). Ist es vermessen, wenn ich sage, daß ich einer Deiner "neuen" Bäume sein möchte? Lieben Gruß von cyparis |
09.05.2009, 12:43 | #3 |
asphaltwaldwesen
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der geneigte baum in seiner doppel-deutbarkeit, dana,
ein meisterlicher griff! ist es nicht so, dass ein teil in einem weiß, dass das wühlen im vergangenen nur bedeutet, dass wir etwas noch nicht abgeschlossen haben für uns, um es endlich loslassen und hinter uns lassen zu können? es ist jener teil, der geneigt ist, das leben zu nehmen, wie es einem widerfährt. doch der andere teil ist der, der nicht geneigt ist, sich brechen zu lassen. es geht also um das ausloten jenes punktes, an dem der stamm sich gerade weit genug biegt, um nicht zu zerbrechen. nicht an den äußeren kräften, die ihn zwingen, sich zu neigen. aber auch nicht am übersehen des eigenen punktes der biegsamkeit, wo man noch standhält im inneren kern. eine schöne metapher. griffig wie raue baumrinde und genauso lebendig. gefällt mir gut, trotz - oder gerade wegen - des reimschemas, das beim lesen zu erhöhter aufmerksamkeit zwingt. (anerkennend kopf-)geneigter gruß, fee
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11.05.2009, 13:01 | #4 |
Flaschenpost
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hallo dana,
auch mir gefällt dein Gedicht gut. Es liest sich flüssig, das Reimmuster ist durchgängig und passt zum ernsten Textinhalt. Auch die Metapher der geneigten Bäume findet mein Gefallen. Ich verstehe dein Gedicht so: Das lyr. ich wühlt in seiner Vergangenheit. Es hat etwas Schlimmes erlebt, dessen Folgen es noch immer trägt. Die Metapher der geneigten Bäume verstehe ich so, dass das Erlebte, der "Sturm" beim lyr. ich Spuren oder auch Wunden hinterlassen hat, docg letztendlich ist es daran nicht zerbrochen. Ein nachdenklich stimmendes Gedicht ist dir hier gelungen. Viele Grüße ruhelos
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Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen. (Mark Twain) |
17.05.2009, 01:23 | #5 | |
Slawische Seele
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Liebe Cypi,
jeder hat "seine" Vergangenheit und gräbt bzw. wühlt darin - je nach Eigenbedarf. Hier geht es ausschließlich um die "bittersüßen" - die anderen, hellen läßt man froh aufleben. Das Komma geht nicht, meine ich, denn: "Als ob Gewohnheit meint, indem sie immer wieder Fragen stellt" ist keine klare Aussage, oder? Nein, nicht vermessen = du bist einer meiner neuen Bäume, schon lange. Liebe fee, alles ist so, genau so wie du es interpretierst und kommentierst. Ganz besonders das: Zitat:
Eine gewisse Biegsamkeit ist jedem sturmerprobten Baum, Halm und jedem Menschen von Natur aus gegeben. Wir benötigen die Neigung, um nicht zu zerbrechen. Wir benötigen sie auch zur Kräftigung und Stärke, um zu bestehen. Eine leichte "Schiefheit", ist man nicht allzu eitel, kann Leben bedeuten. So wie ich Fältchen und Falten betrachte - sichtbares Leben. Besonders schön, wenn sie beim Lachen deutlich werden. Dein weiser und tiefer gehender Kommentar hat Spuren hinterlassen, denen ich gern nachging. Liebe ruhelos, was ich fee schrieb, kann ich an dich als Antwort weiterreichen. Du hast den geneigten Baum wunderbar interpretiert. Ich füge noch ein Licht zu: Spuren verwehen, Wunden heilen. Was bleibt, sind Narben, die erinnern. Erinnerungen verklären. Liebe Grüße Dana
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17.05.2009, 12:19 | #6 | |
Der reimende Irrsinn
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Beiträge: 83
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Hallo Dana!
Bei Manchem ist der Lebensbaum ein Wunsch, denn man erkennt ihn kaum. Doch lieben viele Frauen auch den Bonsai und den Lebensstrauch. Mit neuem Elan möchte ich mich wiedermal an Gedichten versuchen. Deines ist das erste hier. Wie immer lese ich aus den Gedichten andere Sachen heraus, wie mancher hoffte. Da fiel mir schon beim Titel mein Freund Falderwald ein. Zumindest Teile von ihm.. Da würde es auch in der ersten Strophe mit dem Leiden passen... Ungewöhnlich sind die Reime gesetzt, jeweils 1. und 3. Zeile. Das kommt mir als Reimer nicht so entgegen, aber ich habe gemerkt, dass man so mehr Augenmerk auf den Inhalt legt, der, wenn man dich kennt, wieder Mitgefühl hervorruft. Lebensnah beschreibt es ganz gut. Es ist kein neues Bild, was du erschaffst, aber es kommt ehrlich rüber und das ist mir wichtig und sicher dir auch. Ich weiß nicht, ob es gewollt ist, aber zwischen den Strophen hätte ich noch mehr Platz gelassen. Es bedeutet für mich, dass das LI schon mehr Abstand zur Sache gewonnen hat, aber es einen immernoch beschäftigt. Damit ich nicht nur Schmalz aufs Brot schmiere, habe ich etwas, für mich, ungereimtes gefunden. Zitat:
Nichtsdestotrotz ein Dana-Gedicht, mit viel Herz geschrieben LG vom Strassenreimer Geändert von Strassenreimer (17.05.2009 um 12:20 Uhr) |
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22.05.2009, 23:34 | #7 | |
Slawische Seele
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Lieber Strassenreimer,
Zitat:
Dafür umarme ich dich. Zuerst dafür, weil du ein Gedicht von mir genommen hast und dann dafür, dass du wieder richtig hier bist. Ja, mein Lieber, du kennst uns - darum weißt du auch, was du da sagst. Durchweg einverstanden, kann ich mich nur bedanken. Dein Freund Falderwald wird sich bei nächster Gelegenheit persönlich bedanken. Nun zu geneigt und verbogen: Ich, der Baum, bin geneigt, den Stürmen nachzugeben - aber ich lasse mich nicht verbiegen. Gibt es allerdings nur noch Sturm, dann ist "Verbogen" ein Resultat der Neigung. Trotzdem noch Glück gehabt, denn sonst wäre der starre Baum gebrochen. Kannst du jetzt damit leben? Dein einfühlsamer und ausführlicher Kommentar hat mich wirklich sehr gefreut. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
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27.05.2009, 03:39 | #8 | |
unpaniert
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Liebe Dana,
also, gerade die dritte Strophe hat es mir ganz besonders angetan: Zitat:
Wenn Bäume schon gebogen sind , sind sie schon mal leichter zu biegen. Und womöglich haben die Bäume sich auch nicht zu Diener machen lassen. Trotzende , starke Wurzeln, ja kraftvoll halten sie dagegen, wissen was sie wollen. Klarer Widerstand. Jeder Vers hat schon allein so viel Aussagekraft. Gefällt mir sehr. liebe Grüße von forelle . |
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30.05.2009, 21:44 | #9 |
Slawische Seele
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Liebe forelle,
danke. Das war mein "Hintergedanke" ohne jede List. Es gibt Bäume und Bäumchen. Mir ging es darum, die geneigten und vebogenen nicht zu unterschätzen. Die Kraft und Tiefe der Wurzeln entscheidet, ob sie dienend gestürmt werden können oder ob sie unerwartet Widerstand leisten. Liebe Grüße Dana
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