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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 17.05.2012, 08:19   #1
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Standard Tagesausklang am See

Silberweiden, seltsam windgebogen,
winken übern See, der seine Wogen
kräuselnd über Kiesel streichen lässt.
Drüben grüßt ein Dorf. Die Sinne lauschen
fernem Menschentreiben. Weidenrauschen
malt den Klang, dem du dich überlässt.

Stille, dem Entferntsein abgerungen,
hast du selber dir nun ausbedungen,
Schweigen: Die Gedanken werden klar.
Ruhe soll mit Gleichmut dich belohnen,
wenn am Grunde aller Emotionen
dir Erkenntnis ausreift. Offenbar

zeigt Vergangenes in allem Spuren:
Lust und Qual, Ekstase und Torturen
formten dich, genau wie diesen See.
Rieb das Leben nicht an deinen Rändern?
Was es schuf, das bleibt, ist nicht zu ändern:
Füge dich in Weisheit, Wahn und Weh!

Silberweiden, seltsam windgebogen,
winken übern See, der seine Wogen
kräuselnd über Kiesel streichen lässt.
Deine Schritte zeigen Erdenschwere,
und du folgst dem Weg ins Ungefähre,
trinkst der Tagesneige letzten Rest.
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!

Geändert von a.c.larin (10.06.2012 um 08:51 Uhr)
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Alt 17.05.2012, 12:17   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, larin!

Das ist groß!!! Wie wunder-, wunderschön!

Kleinigkeiten:

Beim "Entferntsein" würde ich auf den Bindestrich ganz verzichten, aber wenn du ihn unbedingt haben musst, dann wenigstens ohne Leerstellen davor und dahinter, sonst glaubt man als Erstleser eher an einen Bruch im Satz, einen beginnenden Einschub oder so. Also: "Entfernt-sein" Das "sein" würde ich klein schreiben, weil das Ganze als hauptwörtlich gebrauchtes Wortkonglomerat ohnehin schon vorne groß ist.

"Silberweiden, die vom Wind gebogen," - da fehlt natürlich das "sind" oder "werden", als Satz ist das unvollständig. Auch wenn es lyrisch so anwendbar sein mag, es bleibt irgendwie...unnatürlich und stört die zarte vermittelte Stimmung. "Silberweiden, wie vom Wind gebogen," wird dich inhaltlich sehr wahrscheinlich nicht zufriedenstellen, wie ich dich kenne.
Wie wäre dies: "Silberweiden, zärtlich windgebogen,"
oder: "Silberweiden, sacht vom Wind gebogen," Diese Version möchte ich präferieren!

Ansonsten nix zu meckern! Wie auch - ich könnte es keinesfalls besser, wenn überhaupt so gut!!! Vor allem die letzte Strophe mit der beschwörenden Wiederholung und der inhaltlich wie klanglich wundervollen Conclusio ist ganz großes Lyrikkino!!!

Aller-, allergernstens gelesen und bewundert!!! Echt!

LG, eKy

PS: Als besondere Hommage an deine so gelungenen Zeilen hier ein (sehr altes) Gedicht von mir zu ähnlichem Thema, an das ich beim Lesen sofort denken musste:

Nacht am See

Ich schenke mich den seltnen Augenblicken,
da alles ineinander geht und gleitet,
wenn Gleiches man erkennt in Gegenstücken
im Wesen seiner eigensten Natur,
aus der man träumerische Wolkenflügel breitet
über die schimmernd mondbeglänzte Flur
und hoffte, dass es ewig dauert!

Sie tragen mich an seltsam seelentiefe Orte;
wie Stimmen aus der altgelebten Zeit
singen sie still und ohne aufgescheuchte Worte
mir meine Seele aus, bis sie verloren ist.
Der Dunkelheit bestirnter Mantel bauscht sich weit,
da sie herab sich beugt und meine Stirne küsst,
und der Verlorene erschauert,

wo nur der Wellen leicht bewegter Spiegel
das bleiche Licht verzaubernd reflektiert,
und wie Geschmolzenes aus einem Tiegel
sich himmelsilbern träge wiegend
das Auge zwischen dunkle Ufersteine führt,
wo in der Trauerweiden Schatten liegend,
wie ein Geheimnis, Unbekanntes lauert.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (17.05.2012 um 12:33 Uhr)
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Alt 17.05.2012, 15:20   #3
fee
asphaltwaldwesen
 
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ich möchte mich erichs einleitung in seinem kommentar nur zu gerne anschließen und tus auch, liebe larin:

das ist groß. und schön. und unbeschreiblich reich.
ein gedicht wie ein geschenk. danke.


liebe grüße,

deine fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan
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Alt 18.05.2012, 06:10   #4
a.c.larin
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hi erich,

wusst ichs doch: das wirst du mögen!

tatsächlich hast du selber den ankick für dieses gedicht gegeben durch deinen lieblingsbilder -zyklus! dachte mir: das versuch ich auch mal.
(dieses bild diente mir als ausausgangspunkt.:LANDSCHAFT BEI MENTON, Auguste Renoir, 1883)

so wie du hab ichs aber nicht hingekriegt, weil nach wenigen zeilen meine beobachtung abbog und in verworrenen sätzen versumpfte.....
dann lag das fragment einige wochen nur so rum, auch aus zeitmangel.

nun hab ichs wieder hervorgeholt ( ohne bildvorlage) und gehofft, aus den windgebogenen silberweiden vielleicht doch noch etwas herausholen zu können.
du hast übigens recht - genau an der stelle fehlt ein bissel was - ich glaube sogar, da ging ursprünglich der satz anders weiter....
ich würde mir gerne das "seltsam" aus deinem gedicht ausleihen, wenn du gestattest. ("sacht" ist hier vielleicht doch zu lieblich, da ja wind und wellen auch synonym für das leben sind, das mit uns spielt. und das ist ganz und gar nicht sacht, eher lästig und hartnäckig! )

nö, auch auf den bindestrich beim entferntsein lege ich gar keinen wert.
schuld dran ist diesmal mein computer, der hat mir das lange wort einfach unterwellt!
da sieht mans wieder: der kerl liest gar nicht, was er ausbessert! (und dichten kann er auch nicht! )
wird bereinigt!

die von dir geliebte schlussstrophe musste so werden, denn:
nach "weisheit, wahn und weh" wars mir zu heftig und aprupt aus - aber was sollte danach noch kommen?
und was tut man in der musik, wenn man nicht weiter weiß?
man greift das ursprüngliche thema oder motiv noch einmal auf und setzt einen anderen schnörksel dran...

danke fürs redigieren, und danke auch fürs kompliment.
das freut mich riesig.


liebe fee,
manchmal zahlt sichs wohl doch aus, ernsthaft zu sein.
wie schön, wenn sich die mühe , die man sich gegeben hat, auch bezahlt macht! danke.


liebe grüße, weidenwinkend,
larin
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Alt 18.05.2012, 17:57   #5
Sidgrani
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Worte, die sich wie vom einem Zauber umgeben, zu einer Einheit fügen und manche Saite in mir zum Klingen brachten.

Wunderbar, liebe larin. Mehr möchte ich gar nicht dazu bemerken.

Liebe Grüße
Sid
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Alle meine Texte: © Sidgrani

"Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"

»Erich Kästner«
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Alt 09.06.2012, 09:29   #6
a.c.larin
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vielen dank, liebe sidgrani,
es war mir eine ehre an dein saitenspiel zu rühren....
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Alt 09.06.2012, 13:25   #7
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, larin!

Ein Detail fiel mir noch auf in S2Z4:

"Ruhe soll mit Gleichmut dich belohnen,..."

Der Satz klingt durch dein "nun" irgendwie unfertig, weil eben fehlt, wer belohnt werden soll. Das erklärt sich zwar später, sollte aber aus Verständnisgründen schon hier Erwähnung finden, schon aus der Satzkonstruktion heraus - das Verb "belohnen" schreit geradezu nach einem Objekt im vierten Fall! Der Leser gerät hier sonst ins Stolpern - nun, zumindest erging es mir so...

LG, eKy
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Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 10.06.2012, 08:51   #8
a.c.larin
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Zitat:
Der Satz klingt durch dein "nun" irgendwie unfertig
hm, find ich zwar nicht, aber ich häng nicht besonders an dem wort (weil es so ein nuschelwort ist...)

wird geändert!

lg, larin
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