24.05.2009, 21:58 | #1 |
gesperrte Senorissima
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Mein Troll
Mein Troll
"Gaaanz ruhig!" flüstert mir Troll ins Ohr. Seit sie sagen, ich hätte Alzheimer, ist Troll mein Begleiter, body-guard und Ratgeber. Daran, daß sie ihn nicht sehen können, sind die Andern selbst schuld - und mir ist es recht so. Body-guard: das bezieht sich auf e i n e n body, hat Troll mir gesagt. Er ist für mich allein da. Er ist mein Liebling und ich bin sein Schützling. Alzheimer, meint Troll, ist nur eine Behauptung. Kein Zustand. Er mag mich. Sagt er. Trotzdem mag er nicht alles, was ich so anstelle: Nachts lesen - derweil muß er unters Kissen oder in meine Haare schlüpfen -. Aber sobald das Licht gelöscht ist, ist er wunderbar gegenwärtig. Er plaudert gern, über sich und mich, über dies und das. Über sich: er ist ein Sondertroll, die gibt es nicht alle Tage. Da muß man schon lange suchen, bis man einen solch seltenen Troll findet! Er sucht sich seine bodies (das Wort mag er nicht, der fingerumwindende, flüstrige) selber aus - Befehle? Darüber ist er längst hinweg. Er ist ein sozusagen selbständiger Troll im Ein-Troll-Betrieb. Ich über ihn: Er mag es nicht sehr, wenn ich versäume, ihm sein Troll-Essen zu überlassen: ein Krümchen Ohrenwachs, eine kleine Wimper, das morgens-im-Augenwinkel-nistende salzige, -- da ist er vergrämt. Nachtragend ist er nicht. Und fastimmerwach ist er dazu auch. Wäre ich nicht das, was ich bin: Troll möchte ich sein! Wer über Trolle nichts weiß, der weiß nichts Wichtiges. Sie - die Trolle - lieben Musik über alles. M e i n Troll liebt - wie sich das trifft! - gerade am meisten d i e Musik, die ich liebe. Manchmal bemängelt er mein Desinteresse an seinen FlötenFolk-Songs ( so nennt er sie ), die er mir im Halbschlaf ins Ohr fein träufelig bläst. Aber er grollt nicht. Er ist ja m e i n Troll. Er ruht gern in meiner Schlüsselbeinkuhle. Die, sagt er, ist weich und polstrig und warm. Weich genug, seine klitzekleine, spitzefeine Nase hineinzubetten. Warm genug, auf Föhrenzapfenstreu verzichten zu können. Polstrig: zum Turnen wie geschaffen, zum Trolltanz. Troll schläft nicht gern und dieserhalb nicht lang. Mitten in der Nacht wird er munter, dann fängt sein zartes Geflüster wieder an: "Wirf die Feder weg, die man Dir in die Hand drückt! Verweigere Unterschriften. Laß es doch auf die Amtmänner ankommen... langer Weg... Trollweg". Und purzelt über meine Stirn, meine Augen, streut sein Trollpulver in meinen Nacken: düsternisvertreibend. Er über mich (glaub ich, dazu äußert er wenig): Trolle haben eine Aufgabe. Ich hab mir mein großes Menschlein ausgesucht, weil es bereit für mich war. Eines Nachts hat es mich gerufen, im Mai, schätze ich, war es. Das sind die Sonder-Wunsch-Lock-Hilfe-Rufe. Habe mich sofort auf meine roten Söckchen gemacht (unzerstörbar, aber Herstellungsrezept wird nicht verraten, da könnte ja Jeder kommen!). Ja, da saß es auf der Bettkante und flüsterte mir ein "Alzheimer" entgegen! Na, ob das ein Willkommensgruß ist? Ich habe alles durchschaut. Von wegen Alzheimer! Habe im Haar gegrabbelt, in die Ohren gelugt, die Augen fein sondiert: allgemeine altersbedingte Aufgebe-Angst. Nicht schnell, aber gut zu kurieren. Nächtlings ein auf-dem-Ohr-Turnen, ein paar Worte zur Angst... weg damit, weg damit! ... Ein strenglachendforschender Blick in seine Augen... ein paar Tränen weggerocknet..., ein Trollwitzlein geplaudert.. Und mich dann in der Halskuhle zum Schlummern eingenistet. Ohr am Puls (klar! als body-gard! scheußliches Wort! ich nenns lieber Persönlicher Wächter"), und sobald die Arterien klopfen: ich da! Nichts wie hin ans Ohr! Mein "gaaanz ruhig!" flüstern. Wozu bin ich da? Was soll ich sagen? Ich habs liebgewonnen, obwohl der Posten ja nicht bezahlt wird. Na, hin und wieder als Extra eine Haselnuss, obwohl es weiß, daß Moos meine Leibspeise ist, abgesehen von dem bereits Erwähnten. Es ist friedfertig und ich nestle mich gern in seine Haare. Außerdem versteht es meine Sprache. Das war auch Prämisse: Wenn schon unsichtbar, dann wenigstens gemeinsame Sprache. Trollsprache. |
24.05.2009, 22:51 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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liebe cyparis,
manche haben ja einen floh im ohr oder den schalk im nacken, aber eine troll im haar? das scheint wirklich ein außergewöhnlicher bewohner zu sein. den musst du dir aber hegen und pflegen und an eine gedeihliche zusammenarbeit gewöhnen - nicht auszudenken, wenn der dir mal auf der nase rumtanzt! also : krieg dich mit trolle nicht in die wolle, doch geballter wille macht ihn ganz stille der alltag lässt sich nett gestalten: hast immer wen zum unterhalten....! troll füge es: du bleibst uns lange noch erhalten.... liebe grüße larin
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25.05.2009, 00:15 | #3 |
gesperrte Senorissima
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Liebe larin!
Hab Dank für Deinen halbgedichteten Kommentar! Oh, ich hege und pflege meinen Troll, das darfst Du glauben! In schlimmen oder bittren Stunden ist er ebenso nahe wie in den fröhlich-ausgelassenen. Er hat mir auch versprochen, dieses Jahr mit meinem Zwingling (s e i n Trollwort!) und mir ins Riesenrad zu steigen! D a s wird ein Fest! Ich hoffe, daß ich noch eine Weile dableiben darf und bin tief gerührt vom frommen Wunsch! Gutenachtgrüße von cyparis |
25.05.2009, 00:21 | #4 |
Gast
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Liebe cyparis, eine Geschichte, die ich in der Form noch nicht aus deiner Feder bewundern durfte und zum Thema sowieso. Wirklich äußerst interessant die Sache mit dem persönlichen Troll. Der ist ja eher ein Spaßvogel, naja, ein Einnister oder flapsig, ein Parasit. Mir gefällt der Plot insbesondere deshalb, weil du den Troll als eine Art Freund schilderst > er kennt deine Eigenarten, du seine. Eine alternierende Gemeinschaft. Der Einsteig, "Seit sie sagen, ich hätte Alzheimer" machte mich anderweitig neugierig. Der Allgemeinheit nach bedeutet diese Erkrankung das Vergessen um die Schmach, die einem im Leben zu schaffen gemacht hat und das Gehirn "will endlich seine Ruhe". Ja, ich weiß, das klingt ein wenig anlalytisch, doch kann ich diese Sichtweise beim Lesen nicht ausklammern. cyparis, ich habe mich gern mit dieser "Trollerei" beschäftigt.
alles liebe, budina |
25.05.2009, 01:32 | #5 |
gesperrte Senorissima
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Liebe Budina,
mein Troll ist das genaue Gegenteil von einem Parasiten. Er ist der Helfer, der Rater, der Aufmunterer. Der Tröster. Von mir bekommt er ja so gut wie NICHTS. Wie es in Alzheimer-Gehirnen zugeht, ist noch nicht erforscht. Daß das Gedächtnis zuerst nachläßt, ist empirisch. Aber was mag in den Kranken vorgehen? Woran erinnern sie sich noch? Was und wie träumen sie? Wissen sie um ihren körperlichen Verfall? Das Gehirn bekommt auch durch einen multiplen Schlaganfall "seine Ruhe". Mit "Schmach" hat das m.E. gar nichts zu tun. Man denke an (mein Gedächtnis verläßt mich: ist es Siegfried Lenz?) Ich denke eher, daß es biochemische Prozesse sind, die der Befallene "aushalten" muß. Aber darüber mögen die Wissenschaftler entscheiden. Noch - zum Glück - kann ich meinen Troll hören, sehen, spüren. Das ist die Hauptsache. Ich freue mich sehr über Deinen ausführlichen Kommentar! Komm doch mit in die Insel-Rätsel-Runde! Lieben Nachtgruß von cyparis |
25.05.2009, 10:19 | #6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hey Cyparis,
mal abgesehen, von dem brisanten Thema Alzheimer, hat mir besonders gut gefallen, wie du die unterschiedlichen Betrachtungsperspektiven dargestellt hast. Wenn du die Klammern noch weglassen würdest und auf journalistische Pünktchen verzichten könntest und das Angesprochene mit Prosafleisch auffüttern würdest, könnte man meinen, man hätte es mit dem allerneusten Werk von Kafka zu tun. Respekt und Applaus vom Hans
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chorch chorch |
25.05.2009, 16:16 | #7 |
gesperrte Senorissima
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Ach, Schreck (nicht Shrek!),
laß nach! Was belieben zu sein journalistische Pünktchen? Was mag "Prosafleisch" sein? Wie füttert man sowas auf? Wenn Prosa präsentiert ist? Fett bin ich selber, (unter)füttern kann ich nicht. Lieber Beisl, erscheint Dir die Kg zu mager? Ich habs immer gern kurz und knapp in meinen KG. Ich will die Leser nicht ermüden. Wenn mein "Troll" wirr erscheint - es ist s e i n Flüstern gewesen, nicht meine Schuld. Hab Dank für Respekt und Applaus und das Extrakompliment (K. würde sich im Grab umdrehen!) vom Fasan! ganz abseits von samsa Geändert von Leier (27.05.2009 um 21:06 Uhr) |
26.05.2009, 18:44 | #8 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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liebe cyparis,
alzheimer hat auch was gutes: man lernt jeden tag neue leute kennen! ( ich hoffe, du verdammst mich jetzt nicht in grund und boden - aber ich konnts einfach nicht lassen! vielleicht hab ich ja auch einen troll im ohr?) larin
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26.05.2009, 23:17 | #9 |
gesperrte Senorissima
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Aber nein,
liebe larin! Den Witz reißen wir täglich aufs Neue! Den Troll wünsche ich Dir. Er wartet vielleicht auf Dich. Es bedarf nicht mehr, als den richtigen Ruf zu schicken. Den Trigeminus-Troll? Aber m e i n e n laß ich nicht gehn... Lieben Gruß von cyparis |
26.05.2009, 23:54 | #10 |
ADäquat
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Liebe cypi,
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