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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 28.12.2016, 12:20   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Was der alte Lehrer dachte

An Schülern schon erkennt man alle niedern Seiten
des Menschseins, wenn sie miteinander streiten,
Gerüchte sich erdenken und geschickt verbreiten,
um so einander Unbill zu bereiten.
Da wird gerauft, gejagt und sich brutal geprügelt,
sobald kein Wille ihre Seelen zügelt;
von mehreren auf einen, bis die Opfer weinen,
wird lachend Spott und Häme aufgehäuft,
und mit dem derben Sinn von Hunden oder Schweinen
wird alles Gute in Geschrei ersäuft.
Man stiehlt, wenn keiner hinsieht, leugnet ständig alles,
beschuldigt andre, wenn im Fall des Falles
mal doch ein Lehrer sich um Ehrlichkeit bemüht,
wie Große schon so kalt und abgebrüht.
Es wird gemobbt, was nicht wie sie im Kern verbogen
und grausam ist, in Dummheit großgezogen
von jenen, die behaupten, dass es so im Leben
mal sei und sein muss und so zugeht eben.
Man hasst einander heimlich oder offen glühend,
verachtet, wie man es daheim gelernt,
das Andere mit Inbrunst, grüne Galle sprühend
auf alles, was so fremd scheint und entfernt.
Und über allem liegt ein dünngewetzter Mantel
von Angepasstheit, um den Trug zu horten,
dass unser Menschsein mit dem Hunger der Tarantel
wohl mehr gemein hat als mit schönen Worten.

Doch da sind jene auch, die all dies still ertragen,
die lernen wollen und nach allem fragen,
und trotz des schrillen Kreischens rundumher nicht klagen,
sich nicht ergeben und zu wachsen wagen,
wo sonst nur Geifer tropft von den gebleckten Zähnen!
Für jene lohnt es sich, sich zu bemühen,
den Karren Mensch aus seinem eignen Dreck zu ziehen -
allein für diese paar gereiften Seelen,
die nicht so klein sind, alles Schwächere zu quälen,
versuchen wir zu sein, was wir nie waren,
und hoffen, dass vielleicht in abertausend Jahren
wir endlich werden, was wir „besser“ wähnen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (21.05.2017 um 13:00 Uhr)
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Alt 28.12.2016, 14:48   #2
Kokochanel
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ich stimme dir zu, Erich, der Mensch an sich ist nicht verdorben, aber er lernt und adaptiert von anderen. Unsere Gesellschaft wird immer härter und schon die Schüler nehmen sich als Konkurrenten wahr anstatt als , ja wie soll ich es sagen, Genossen, Gleiche? Das ist das Problem, die Wurzel allen Übels bei Klein und Groß. Man gönnt dem anderen nicht das Schwarze unterm Fingernagel.
Ein paar sind besonders aktiv und projizieren ihre eigene Unzulänglichkeit und ihre eigenen Probleme auf ihre Feindbilder, die sie für schwach halten, wenn sie sich dem Niveau nicht anpassen.
Grupendynamik in seiner schärfsten Form erkennen wir heute in der Gesellschaft.
Auch früher konnte man das schon feststellen, lange bevor das Wort Mobbing geboren war. Dazu kamen die, die immer prügeln mussten.

Aber es gibt auch andere, wenige, aber es gibt sie immer noch. Und in der Tat lohnt sich für die das Lehrersein.

LG von Koko
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Alt 28.12.2016, 15:43   #3
Erich Kykal
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Hi Koko!

Das Gedicht entstand wohl als eine Art Frustventil für all meine Jahre als Hauptschullehrer.
Natürlich sind es in Wahrheit wenige, die wirklich nervig, rücksichtslos und hinterhältig sind - aber die wirken, vor allem nach vielen ermüdenden Dienstjahren, wie viel mehr und ruinieren ganze Klassengemeinschaften!
Mein Fazit: Es würde genügen, 2 oder 3 Schüler pro Klasse zu entfernen - und schon wäre es für alle perfekt!
Für die Entfernten - die Brutalos, Asozialen und Nachwuchskriminellen, die Ausgeflippten, Gestörten und Egomonster - müsste es eine spezielle Schule geben, wo sie in kleinen Gruppen unterrichtet würden und somit viel mehr Zuwendung und Unterstützung bekämen - aber wer bezahlt das!?
Es ist für den Sparmeister Staat leichter, "demokratisch" zu tun und sich auf die Gleichberechtigung zu berufen, weil es eben billiger ist, die Arschlochkinder mit den anderen zusammenszustecken. Es wird sogar behauptet, es hätte einen positiven Effekt auf deren Verhalten! Meiner jahrelangen Erfahrung als "Frontschwein" der Pädagogik nach ist meist das Gegenteil der Fall: Sie ziehen das moralische, geistige und soziale Niveau herunter und terrorisieren jene, für die es sich lohnte, Lehrer zu sein!
Man muss sich heutzutage bis zu 60% der Unterrichtszeit mit den Gestörten - sorry, es muss heißen: "Verhaltenskreativen" - beschäftigen, um überhaupt noch geordnet unterrichten zu können! Was könnte man in dieser eigentlich vergeudeten Zeit den Lernwilligen alles beibringen!
Mag sein, dass alle Menschen gleich WERTIG sind - aber nicht alle sind geeignet für ein normales Schulsystem!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (03.02.2017 um 00:09 Uhr)
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Alt 28.12.2016, 16:00   #4
juli
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Beiträge: n/a
Standard Hallo eKy :)

Ja, das stimmt, Leher sein ist nicht einfach und Kinder sind es auch nicht. Ich glaube zu keiner Zeit. Wenn ich die alten Geschichten höre, die die Jahrgänge 1935/ 36/ ... erzählen. Da herrschte Zucht und Ordnung in den Klassen. Der Rohrstock regierte und das Schweigen in den Klassen wurde mit Angst vor dem Lehrer erkauft. So einen alten Lehrer hatte ich auch noch, er stand kurz vor der Rente. Ich habe mit dem Stuhl gekibbelt, kleine Zettelchen an den "Geliebten" geschickt, und dabei die Kommataregeln fürs Leben vergeigt. Ebenso habe ich Angst vor Mathe, und denke immer Mathe ist ein Arsc....loch das Prügeln habe ich notwendigerweise gelernt, obwohl ich klein war)

Ich weiß heute sind die Zeiten ganz anders, liberaler und die Lehrer beachten und beobachten genau, was für Fähigkeiten jedes Kind so hat. Und es war schon immer so, die "Wilden Kinder" haben die stillen Kinder, die nicht weniger schlau sind, untergebuttert. Auch sind die Kinder von zu Hause geprägt, und da geht es auch manchmal heiß her.
In der Schule werden Macht und Stärke über Schwächere zum Anker für die fehlende Anerkennung von zu Hause. Sogenannte " Kracher"( Kinder) brauchen Grenzen und Liebe und vor allen Dingen Zeit! Zeit für Kinder wird bei Erwachsenen immer kleiner geschrieben. Zuviele Kinder werden vor Fernsehern, Handy, PCs gebunkert, bis sie so richtig auffällig sind. Aber wem erzähle ich das.

Der Schulhof kann zum Überlebenstraining für Kinder werden, und das Internet spiuelt in Zeiten von Facebook, Snapchat und wie sie alle heißen eine große Rolle.

Deine Sicht auf die Kinderwelt ist gekonnt, das Gedicht liest sich flüssig und ich bin begeistert, und wie du siehst, hast du meine Denke angekurbelt.

Liebe Grüße sy

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Alt 28.12.2016, 16:28   #5
Angelika
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Lieber Erich, na wer wird denn. Sowieso, mit Zwölf weiß man genau, dass der Lehrer eine unangenehme, überflüssige Person im Klassenzimmer ist und was man mit ihm machen würde, wenn man könnte. Ich sage mir immer: Ein Glück, dass ich die Schule hinter mir habe. Ja, manchmal bedaure ich sogar, jemals Kind gewesen zu sein. Und warum der Mensch eigentlich nicht als Erwachsener auf die Welt kommt, hat mir noch kein Lehrer erklären können. Lehrer müssen eben für die Schule lernen und nicht für das Leben.

Gut, vielleicht ein bisschen drastisch dein Gedicht, aber so wird es wohl sein heutzutage in den Schulen, wie du schreibst. Mein Beileid nachträglich.

Angelika
Angelika ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.12.2016, 19:10   #6
Erich Kykal
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Hi Sy!

Du sagtest:
Ich weiß heute sind die Zeiten ganz anders, liberaler und die Lehrer beachten und beobachten genau, was für Fähigkeiten jedes Kind so hat. Und es war schon immer so, die "Wilden Kinder" haben die stillen Kinder, die nicht weniger schlau sind, untergebuttert. Auch sind die Kinder von zu Hause geprägt, und da geht es auch manchmal heiß her.
In der Schule werden Macht und Stärke über Schwächere zum Anker für die fehlende Anerkennung von zu Hause.


Welch wahre Worte! Du sprichst einen wichtigen psychologischen Mechanismus an, der einen Dominoeffekt zur Folge hat, und der Mensch an sich scheint - auch als Erwachsener - noch nicht intelligent genug zu sein, dies zu durchschauen und die Kette der Demütigung zu unterbrechen! Bedauerlicher Mangel an geistiger und moralischer Größe!



Hi Angelika!

Zutiefst bedauerlich finde ich es, wenn jemand nachgerade bedauert, jemals Kind gewesen zu sein - das sollte eigentlich die schönte und unbelastetste Zeit im Leben sein!
Ich weiß es natürlich besser: Ich war spätestens ab dem 10. Lebensjahr ein gemobbter Sonderling, ein kleines, moppeliges, brillentragendes Einzelkind, dem durch frühkindliche Isolation einige Sozialfunktionen fehlten. Ich sage nicht, dass alles die Schuld anderer war - leicht war es jedenfalls nie! Außer, wenn ich allein war - dann gehörte die Welt mir, und ich durfte sein, wie ich wollte.
Dennoch bedauere ich nie, Kind gewesen zu sein: wie reichhaltig, magisch und zutiefst erlebt waren diese Tage, als ich und alles neu war und die Welt voller Unbekanntem, das es zu entdecken, zu erleben galt!
Wiewohl ich nach der Anerkennung Gleichaltriger hungerte, stießen mich ihre Grausamkeiten, ihre Blindheit mir gegenüber und ihre Gehässigkeiten immer mehr ab, und ich isolierte mich mehr und mehr - so musste ich mich andererseits auch selbst nicht mehr um andere bemühen, womit ich ohnedies immer Schwierigkeiten hatte.
Letztlich war es angenehmer und leichter für mich, das Menschenspiel nicht mehr mitzuspielen. Ich erzog mich konsequent zu einem nicht verbitterten, aber zynischen Quasisoziopathen, der zwar nicht einzelne Menschen, aber das Menschentum an sich verachtet, was nur konsequent ist, da er sich insgeheim auch selbst verachtet.
Aber noch heute denke ich gern an die schönen Momente meiner Kindheit und gewinne Kraft aus dem damals gefühlten Urvertrauen und der damals gelernten Naturliebe.


LG, eKy
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