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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 23.03.2009, 10:20   #1
Ibiado
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 17.02.2009
Ort: am Mittelrhein
Beiträge: 224
Standard Wie Schnee

Wie Schnee im Frühjahr schwindet leise,
was lang erworben, Stück für Stück,
ob unentbehrlich, lieb gewonnen –
fort schleicht der Geist, lässt dich zurück.
Demenz hebt die brutale Pranke,
du fühlst sie schweben über dir.
Nie schlägt sie zu, zeigt keine Fratze,
erweitert lautlos das Revier.
So nimmst du Abschied ohne Tränen.
„Er ging“, wird man einst kurz erwähnen...

Geändert von Ibiado (24.03.2009 um 10:38 Uhr)
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Alt 23.03.2009, 14:31   #2
DerKleinePrinz*
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Hallo Ibiado

Ohje, das ist wirklich ein Thema was mich bewegt. Demenz ist in meinen Augen mit das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. Wir alle leben von Erinnerungen und Gefühlen, die wir einst hatten, wenn das nicht mehr gegeben ist, wie soll man da noch leben? Ich kann mir persönlich garnicht vorstellen wie das ist. Man sitzt den ganzen Tag da, aber an was denkt man, wenn man ja nichts mehr zum denken hat? Das ist wahrlich traurig. Ich finde die Umsetzung soweit gelungen.

Liebe Grüße
Der Kleine Prinz*
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Alt 08.07.2009, 01:53   #3
wolfju
Landmann
 
Registriert seit: 05.07.2009
Ort: im Westen des Staates NY, USA
Beiträge: 3
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Dies ist ein wunderschönes Gedicht. Sein Thema ist Vergänglichkeit, seit dem Mittelalter immer wiederkehrend in der deutschen Lyrik. Und es ist keineswegs gemacht für uns Alte. Hofmannsthal hat seine "Terzinen über Vergänglichkeit" als junger Mann geschrieben, und Wader war auch kein alter Knacker, als er sang: ...das nichts bleibt, das nichts bleibt, wie es war...
Dies Gedicht hat wenige Antworten bekommen, zu Recht; denn es ist ein Kunstwerk, man kann nichts hinzufügen oder davon wegnehmen.

wolfju
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Alt 08.07.2009, 08:50   #4
Klatschmohn
MohnArt
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: RLP
Beiträge: 1.949
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Lieber Ibiado, lieber Wolfju,

Ich verstehe auch nicht, wie das Gedicht übersehen werden konnte, aber leider passiert das manchmal.
Es ist wirklich ein Kunstwerk.
Aber ich geben zu bedenken, dass dieses Gedicht auch für Jeden etwas Bedrohliches aufwirft, etwas was man auch ganz schnell wieder vergessen möchte (was dann sozusagen ein Paradoxum an sich ist).
Gut, dass Du es wieder nach oben gespült hast.
Ja, es ist so, die Demenz überfällt nicht wie eine Krankheit die plötzlich da ist, sondern schleicht und kriecht und nimmt.
Ein Angstgedanke, glaube ich, für jeden Menschen der schon ein gewisses Alter erreicht hat.

Liebe Grüße,
Klatschmohn
__________________

© Klatschmohn
Inselblumen
Trockenmohn
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Alt 08.07.2009, 11:34   #5
Ibiado
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 17.02.2009
Ort: am Mittelrhein
Beiträge: 224
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Hallo Klatschmohn und Wolfju,
ich bedanke mich, dass ihr meinen Nachtgedanken Wertschätzung und Beachtung entgegenbringt. Es war ein Versuch von mir, mit Karl May zu wetteifern, dessen Gedicht "Kennst du die Nacht..." auf den ersten zwanzig Seiten von Winnetou I mich als 11-jährigen sehr beeindruckte. Aber keine Sorge: Wenn man mal eine Stunde grübeln muss, wie die netten Leutchen von neulich doch hießen, ist man noch lange nicht von der Altersheimerschen betroffen. Denn so geht's ja vielen - mir auch.
Ibiado
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Alt 09.07.2009, 10:14   #6
Alma Marie Schneider
Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 08.07.2009
Ort: Mittelfranken
Beiträge: 48
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Demenz macht hilflos in einer Welt, die auf Wissen, Kennen und Können aufgebaut ist. Ein Gedicht, das mir gut gefällt.

Liebe Grüße
Alma Marie
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Alt 09.07.2009, 10:57   #7
Medusa
Gesperrt
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Berlin
Beiträge: 2.213
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Hallo Ibiado,

schweeeerer Tobak, wundervoll umgesetzt!
Schlimm ist, dass die Betroffenen auch noch lichte Momente haben und erkennen können, was ihnen verloren gegangen ist.

Deine Verse lassen mich grübelnd und etwas ängstlich zurück.

Mit Gänsehaut gelesen!
Herzliche Grüße,
Medusa.
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Alt 13.07.2009, 06:57   #8
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.03.2009
Ort: wien
Beiträge: 4.893
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lieber ibiado,

wie schwer es wirklich ist , vermag ja keiner zu sagen, der es nicht aus eigener erfahrung kennt - und wer es kennt, kann es vielleicht auch nicht mehr tun....

schlimm ist es sicher für die angehörigen, zu erkennen, wie die vertraute person sich mehr und mehr verändert.......

du hast dieses zerfließen in nachvollziehbare bilder gewoben - dennoch wird die trauer des abschiednehmens spürbar....

ich frage mich manchmal , ob es wirklich nur schlimm ist, sich vom eigenen ich lösen zu müssen , ob es da nicht auch etwas tröstliches gibt....weil schnee zu wasser wird, und wasser sich wieder in den ewigen kreislauf einfügt...

liebe grüße
von einer ebenso dahinfließenden
larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.07.2009, 13:22   #9
Ibiado
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 17.02.2009
Ort: am Mittelrhein
Beiträge: 224
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Hallo Alma, Medusa und Larin,
vielen Dank für die freundliche Anerkennung. Da traue ich mich, auch bald mal wieder was weniger Gelungenes oder Akzeptables in den Eiland-Sand zu setzen.
Liebe Grüße
Ibiado
Ibiado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.07.2009, 19:45   #10
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
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Lieber Ibiado,

zu diesem Thema habe ich einen Film gesehen (sehr lange her) und erinnere noch, wie sehr micht die Krankheit beschäftigt hat.
Dein Gedicht ist so gut umgesetzt, dass alle Bilder und Gedanken wieder aufgestiegen sind.
Leider weiß man nicht, wie sehr oder ob die Betroffenen beständig leiden.
Man weiß auch nicht, in welcher Welt sie leben.
Für die Angehörigen ist es schlimm, wenn der Kranke sie wie Fremde betrachtet. Man weiß auch nicht, welche Wirkung es auf die Betroffenen hat, wenn Fremde "vertraut" mit ihm reden.

Ein Gedicht, das lange nachwirkt, weil es den Kern in der Aussage trifft.
Der Leser hat keine Chance, sich hinein zu versetzen und wird doch zutiefst berührt.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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