17.03.2017, 12:26 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 469
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Wie man die wölfischen...
[Fragment] Wie man die wölfischen Begierden zu verstehn sucht, die uns im Niederen verborgen sind; wie man sein Leid und Glück tagein, tagaus zu drehn sucht, man bleibt entwurzelt und ein Sorgenkind. Ach, aller Lebensdurst war halberstorbne Sehnsucht... verweht im aufgepeitschten Morgenwind. ...wenn Angst ihn in die Knie zwingt, beginnt er stehen zu bleiben... - denn ich, ich ertrag es schlicht und einfach, wenn mich Wohlvertraute hintergehen... und aufbegehren: ach, ich wag es nicht; Im Sommer schon erleide ich dies Winterwehen, das mich durchfröstelt, wie das Tageslicht. Die Sterne, die darob sich seltsam traurig neigen, verrieseln auf dem spiegelglatten Teich, und die Gefühle, die sich unerbittlich zeigen, die uns doch eigen sind, ermatten gleich in der entwölkten Nacht und jenem ewgen Schweigen... so schleppt die Seele sich ins Schattenreich.
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Das Leben ist eines der schwierigsten. Geändert von Terrapin (17.03.2017 um 14:37 Uhr) |
17.03.2017, 18:40 | #2 |
TENEBRAE
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Beiträge: 8.570
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Hi Pin!
Sehr schön elegisch geschrieben! Ganz meine Linie! Ein Tipp für S3Z4/5: Sprachlich schöner wäre es, das "gleich" am Zeilenende in eine Phrase eingangs Z5 einzubinden, in etwa so: die uns doch eigen sind, ermatten gleich bewölktem Himmel in der Nacht und ewgem Schweigen... S2Z1 - Senkungsprall "Knie zwingt, beginnt", zudem ist diese Zeile nur fünfhebig. Überhängende Reime wie in S1 (verstehn sucht/drehn sucht/Sehnsucht) sind immer ein wenig "schwierig", umso mehr, je länger der einsilbige Überhang ist, und besonders, wenn es sich dabei schon um ein eigenes Wort handelt. Es ist nicht falsch, wohlgemerkt, aber du scheinst in letzter Zeit geradezu eine Obsession dafür zu entwickeln! Übertreib es nicht ... S2Z4 - würde ich groß beginnen. S2Z6 - Kein Komma. Problematisch für den Leser sind auch die abgeteilten Verse, die sich in der Folgezeile noch fortsetzen (zB S2Z1-3). Auch das würde ich - wenn überhaupt - nur sparsam einsetzen. Ich weiß nicht, ob 2-3 Worte in der Folgezeile schon als Enjambement gelten können, das würde, denke ich, einen längeren weiterführenden Satz erfordern. So kurze Enden wirken eher deplatziert, wie abgeschnitten. Insgesamt ein wunderschönes Gedicht, das von Sprachqualität und künstlerischer Anmutung den Aufwand einer leichten Überarbeitung mehr als verdient hat! Sehr gern gelesen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
17.03.2017, 20:56 | #3 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hi Terrapin,
ein nachhaltiges Gedicht, das uns in die verborgenen Tiefen unserer Seele schickt. Widerstand oder Schweigen, wobei kann man sich selbst akzeptieren. Ein großes Thema, das jeder für sich selbst letztendlich entscheiden muss. Diesen Zwiespalt sehe ich durchaus stilistisch umgesetzt in den Reimen drehn sucht, verstehn sucht und Sehnsucht, die eben nicht so glatt sind wieder eher einlullende Jambus, den ich lese. Zudem gefällt mir das drehn nicht, da das vestehen nicht verkürzt ist. Im Wechsel von 6 und 5 Hebunen gefällt mir das gut dazu. Auch nicht so glatt eben. Eine moderne Elegie wird wohl heute in Jamben geschrieben. Naja, ist halt so... Einzig bei dieser Zeile habe ich Probleme, die Metrik nachzuvollziehen: "zu bleiben... - denn ich, ich ertrag es schlicht " Man müsste vom Fluss her das denn betonen, möchte aber das ich betonen. am ehesten läse ich hier einen Amphi brachis , wie man das wohl nennt. das andere sind aber Jamben. Ob das bewusst so stilistisch gesetzt ist? Es stört, finde ich... Ansonsten sehr gerne gelesen von Koko |
19.03.2017, 17:25 | #4 |
Gast
Beiträge: n/a
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Sehr sehr schöne Zeilen zum Verweilen!
Sie trugen mich dahin wie ein sanfter Wind! Aber: was ist "halberstorbne Sehnsucht..."? Lg! |
19.03.2017, 18:09 | #5 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
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Beiträge: 8.570
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Hi Bobo!
"Erstorben" ist ein älterer Ausdruck im Sinne von "abgestorben". Hier soll es zum Ausdruck bringen, dass die Sehnsucht schon so lang währte, dass man schon gar nicht mehr so recht auf Erfüllung hofft. LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
19.03.2017, 20:07 | #6 |
Slawische Seele
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Beiträge: 5.637
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Lieber Terrapin,
so sind Fragmente, so auch ein Leben. Als Gedicht aber Die Wahrnehmung darin ist "lebensecht" und keine "Verstellung" kann sich dem entziehen. Mittendrin und am Ende kommt ein Schattenreich. Sehr, sehr gut mit immer beigefügten Erstaunen für die Kunst das Sein zu erfassen. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
19.03.2017, 20:29 | #7 |
Gast
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Danke eKy!
Lg! |
20.03.2017, 13:33 | #8 |
Gast
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Lieber Terrapin,
Deine langen Zeilen ziehen mich spiralenförmig in ein Schattenreich. Es ist ein Fragment, und damit zeigt es ein Puzzleteil des Lebens. Ich lese gerne " düstere Inhalte", und deiner ist kreativ und wortgewandt. Liebe Grüße sy |
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