05.01.2012, 21:38 | #1 |
Schüttelgreis
Registriert seit: 02.11.2011
Beiträge: 954
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Hoffnung
Ohne Hoffnung wär das Leben schwer nur zu ertragen,
da fühlte ich mich so, als sei mein Akku ständig leer. Und selbst an hellen Tagen würde ich mich zweifelnd fragen: Wo nehm ich bloß die Kraft, die Energie zum Leben her? Doch Hoffnung ist, wie Philosophen sie beschreiben, in jedem Menschen wesenhaft schon grundgelegt. Ich kann auch gar nicht ohne Hoffnung bleiben, weil mich die Hoffnung selbst in Krisenzeiten trägt. So hoffe ich. Worauf? Global gesehn, auf Frieden, doch ganz banal am Wochenend auf Sonnenschein, dass mir Gesundheit, Glück, Erfolg beschieden, ein langes Leben, aber ohne alt zu sein. Es gibt ja auch noch die bekannten Sprüche: Die Hoffnung, lautet einer, stirbt zuletzt. Ein andrer aus der Aphorismenküche behauptet, dass der Glaube Berge gar versetzt. Der Glaube sieht die Himmelstüren offen, da grünt verwegen mancher Hoffnungskeim. So will ich denn auf bessre Zeiten hoffen… in meinem kleinen, ganz privaten Hoffenheim. Geändert von Friedhelm Götz (07.01.2012 um 09:31 Uhr) |
06.01.2012, 16:53 | #2 | ||
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 1.836
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Hallo, Fridolin,
ich habe mittlerweile verstanden, dass du deine Gedichte zum mündlichen Vortragen und/oder zum Vertonen schreibst. Daher habe ich das Gedicht zunächst unter metrischen Gesichtspunkten zwar analysiert, es danach aber laut vorgetragen. Womit ich meine, dass ich es nicht nur laut vorgelesen, sondern so gesprochen habe, als hätte ich "Zuhörer", mit entsprechender Betonung. Als ich so verfuhr, stellte ich nur eine kleine Stelle fest, wo ich beim Vortragen einen Moment lang fast aus dem "Rhythmus" kam: Zitat:
Es ist für mich aber fast ein bisschen erheiternd gewesen, dass das hier so unterschiedlich ist - in Sachen "Metrum" (da passt es einwandfrei!) und in Sachen "gesprochener Vortrag". Ich habe hier eine gute Übung darin genossen, wie verschieden das sein kann. Dafür sage ich durchaus danke, ich habe etwas "dazugelernt". In der ersten Strophe ergibt sich eine ganz andere "Vortragsmelodie", dadurch dass die Verse länger sind (metrisch 7 Hebungen), und auch dadurch, dass der "Einstieg" in das Gedicht trochäisch ist, während danach durchgehend jambische Verse folgen. Das passt aber gut zum Inhalt, denn Strophe 1 beschreibt ja: Was wäre, wenn es keine Hoffnung gäbe? Ab der zweiten Strophe wird dann die Hoffnung beschrieben, was sie uns gibt und wie wichtig sie für uns ist. Schön auch die Einbindung der Sprichworte. Es stimmt - was wären wir Menschen ohne Hoffnung? Wir hoffen unwillkürlich alle. In schlechten Zeiten hoffen wir auf Besserung, in guten Zeiten darauf, dass es so bleiben möge. Deshalb sind auch Depressionen so schlimm für die Betroffenen, denn ihnen fehlt während dieser Krankheit jede, auch die kleinste Hoffnung darauf, dass irgendetwas irgendwann wieder besser werden kann. Es stimmt, es gibt die "großen" Hoffnungen und die "kleinen"; die "realistischen" und die "illusorischen". Aber es ist immer noch besser, ein wenig (so lange man den "Kopf" nicht gerade "in den Wolken hat") "unrealistisch" zu sein, anstatt die Hoffnung "aufzugeben". Hoffnung ist immer auch Glaube, das ist richtig. Ich kann nur hoffen, dass etwas besser wird, wenn ich glaube, das eine Besserung möglich ist. Der letzte Vers bringt mich als Stuttgarterin übrigens zum Schmunzeln, da Hoffenheim ein Stadtteil von Sinsheim ist und in der Nähe von Stuttgart liegt - und genau so heißt. Als Vortragsgedicht ist es gut gelungen, ich hatte auch zugegeben einen amüsierten Moment, als ich es meiner Wohnzimmerwand "vortrug". Jetzt hätte ich es beinahe vergessen, einen kleinen Vorschlag möchte ich machen: Zitat:
Liebe Grüße Stimme
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07.01.2012, 09:45 | #3 |
Schüttelgreis
Registriert seit: 02.11.2011
Beiträge: 954
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Liebe Stimme,
ich staune immer wieder, wie eingehend du dich mit Texten, beileibe nicht nur mit meinen, beschäftigst. Dafür sollte dir unisono Dank gesagt werden. Sehr gut beobachtet hast du, dass ich tatsächlich gern für meine Vorträge dichte. Das kommt von meinem jahrelangen Umgang mit Schauspielern am Stuttgarter Staatstheater und beim Süddeutschen Rundfunk. Dort habe ich gelernt, dass eine Rede keine Schreibe ist und allzu streng eingehaltene Metrik zum Leiern führen kann. Aber das nur am Rande. Ich kenne Hoffenheim, das heute zu Sinsheim gehört, sehr gut. Ich bin im Nachbarort Waibstadt geboren und habe dort meine Kindheit verbracht. Hab vielen Dank fürs Lesen und wieder ausführlich Kommentieren. LG Fridolin |
10.01.2012, 20:19 | #4 |
Slawische Seele
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Beiträge: 5.637
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Hallo Friedolin,
nachdem ich dein Gedicht und die Besprechung las - ging ich noch einmal zum Gedicht zurück und las zweimal. Einmal sprach ich selbst und beim zweiten Mal war ich Zuhörer. Ich sah einen Vortragskünstler, der lächelnd und augenzwinkernd Hoffnung versprüht. Er lässt die großen Hoffnungen nicht aus (Frieden), bringt es aber in den Schlussversen auf den Punkt: Wer in sich ruht, der strahlt das, wovon er spricht, aus und überzeugt. Du hast mich hoffnungsfroh gemacht. Ich schaute mich um, nahm wahr - ich ging hinaus (nur auf die Veranda), fühlte die Stille, sah die Lichter der Stadt, den See und den Vollmond - und alles ist gut. Danke dafür, gern abgetaucht. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
11.01.2012, 12:53 | #5 |
asphaltwaldwesen
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Beiträge: 961
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hallo, fridolin,
ein schönes lied an die hoffnung hast du da geschrieben. ist es absicht, dass strophe 1 exakt das formuliert, was bei einer depression eben so nicht "klappt" und wie sich das dann anfühlt? es fiel mir - als jemand, der mit depression schon bekanntschaft machen musste - gleich auf. du hast da die essenz für den lebens-antrieb der menschen eingefangen. gefällt mir sehr! auch die beschreibung all der anderen "unter-gruppen" der hoffnung. gern gelesen. liebe grüße, fee |
12.01.2012, 09:19 | #6 | ||
Schüttelgreis
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Beiträge: 954
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Zitat:
ich danke dafür, dass du dir so viel Mühe gemacht und mich als Vortragskünstler beobachtet hast. Zitat:
Zu meinem Werk möchte ich sagen, dass ich es, unter metrischen Gesichtspunkten, als nicht so gut gelungen betrachte. Auch fehlt ihm die formale Geschlossenheit, d.h. die Zahl der Hebungen schwankt zu sehr. Ich habe sehr mit dem Text gerungen, wollte meine Aussagen aber dann doch nicht reinen formalen Beschränkungen unterordnen. Ich werde in meinem persönlichen Umfeld und auch mit meinen überwiegend lustigen Reimereien als fröhlicher Mensch wahrgenommen. Aber ich habe auch schon Tiefen erlebt. In einer solchen Situation ist mein Gedicht entstanden, als ich nach einem Hörsturz mein Gehör fast völlig verloren hatte. Das hat mich damals hart getroffen und einige Zeit aus der Bahn geworfen. Heute bin ich nur noch auf dem rechten Ohr taub und höre mit einem Hörgerät auf dem linken fast wieder normal. Liebe Grüße Fridolin |
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12.01.2012, 11:03 | #7 | |
asphaltwaldwesen
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Ort: österreich
Beiträge: 961
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dass das gedicht metrisch ein wenig "launenhaft" ist, stört mich persönlich z.bsp. nicht, lieber fridolin.
wenn man es liest, entsteht dennoch eine melodie. und die verkraftet die paar "zusatz-schnörkel" ganz gut, finde ich. ich gebe im fall des falles auch lieber der aussage den vorzug, bevor ich dann irgendwas in ein metrum-korsett stopfe, das dann aber nicht mehr nach mir klingt. Zitat:
da habe ich sehr ähnliche erfahrungen gemacht (bin allerdings nach meinem hörsturz etwas glimpflicher davongekommen und habe inzwischen nur noch einen tinnitus, der dann laut gibt, wenn ich zu angespannt bin und erschöpft). meine erste depression (krankheitsbedingt) hat mein umfeld fast mehr verstört als mich, da ich auch vom fröhlichen, präsenten mensch zum stillen, in sich gekehrten mutierte, der keinerlei antrieb mehr hatte. das war insofern eine komische zeit, als die irgendwie so mit mir gar nicht umgehen konnten. das gehör zu verlieren, hat auch mir riesenangst gemacht - glücklicherweise musste ich nur zwei tage mit dieser angst leben. dann war es wieder da. ich kann aber nur zu gut nachvollziehen, wie dich das aus der bahn geworfen haben muss. ich habe nach meinem hörsturz einiges in meinem leben grundlegend umgekrempelt. auf jeden fall erklärt sich mir jetzt deine erste strophe ganz deutlich. ich war (und bin) wirklich verblüfft, dass man das so auf den punkt bringen kann. auch mit einer gewissen "leichtigkeit" im tonfall. find ich immer noch sehr sehr gelungen. liebe grüße an dich fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan |
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12.01.2012, 19:35 | #8 |
Schüttelgreis
Registriert seit: 02.11.2011
Beiträge: 954
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Liebe fee,
ich vergaß zu erwähnen, dass ich auch einen Tinnitus habe, seit bald 24 Jahren. Anfangs dachte ich, dass ich verrückt werde. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, das Geräusch (Wasserfall) aus dem Bewusstsein auszublenden. LG Fridolin |
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