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Versunkenes Aus anderen Gefilden - Altes - Neu Aufpoliertes

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Alt 22.07.2017, 13:33   #1
Chavali
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Standard Nachtschatten

Nachtschatten (aus 2014)

Der Tag beginnt und alle Schatten fliehen,
die in der Nacht mein armes Ich gequält.
Ich hab dem Alb, der mich bezwang, verziehen,
für schwarze Flügel freien Flug gewählt.

So kann das Tagwerk wieder neu beginnen,
mit Freude und Elan gelingt ein jeder Schritt.
Doch immer wieder zeigen sich Erinnyen,
sie laufen neben mir die Wege mit.

Ich will die Rache nicht, die sie begehren,
das alte Leiden muss vergessen sein.
Ich muss mich der Versuchungen erwehren,
mein Herz muss werden wie ein Kieselstein.

Doch nachts, da sitzt der Alb auf meinen Schultern,
er drückt so schwer und beugt mich bis ins Grab.
Ich kranke an der Erbenschuld der Eltern,
gedanklich stütze ich mich auf den Heroldstab.

Und immer wieder rolle ich den Stein
den Berg hinauf aus weißem Elfenbein.
Mir bleibt nur noch das Urvertrauen,
um endlich eine eigne Burg zu bauen.



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Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

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Alt 22.07.2017, 19:04   #2
ginTon
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Standard

Hi chavilein...

gerade gesehen, mal ein alter Text wieder neu hochgeholt, schöne Idee.
Der Text erinnert mich zu Teilen an das Bild von Füssli "Nachtmahr" und
ist ja voller mystischer Bilder, was ich zumindest immer gut finde. Die Vielzahl
der Bilder, die jedoch nicht stringent einer Mystik/Religion angehörig scheinen,
lässt mich vermuten, dass es sich möglicherweise wirklich um einen Traum
handelt. Bin ich mir aber nicht sicher. Als Bsp.: die Erinnyen und der Stein des
Sisyphos sind ja griechischen Ursprungs, wo hingegen eine Erbschuld als
solches denke ich nur in der Bibel vorkommt.

Egal, aber mal davon abgesehen, finde ich den Text sehr gut angesiedelt
zwischen Hoffnung und Verzweiflung, die hier durch verschiedene Bilder
sehr gut zum Ausdruck kommen.

gerne gelesen ...liebe grüße ginnie
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Alt 23.07.2017, 08:15   #3
Chavali
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Hi ginnie,

vielen Dank!
Ja, ich hatte das mal woanders stehen.
Nun habe ich es wiedergefunden und fand schade, dass es dort versauert
Zitat:
[...]finde ich den Text sehr gut angesiedelt
zwischen Hoffnung und Verzweiflung, die hier durch verschiedene Bilder
sehr gut zum Ausdruck kommen.
Das ist der Punkt und den hast du sehr schön erkannt.

Lieben Gruß,
chavi
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Alt 03.08.2017, 13:15   #4
juli
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Liebe Chavali,

Schon mehrfach habe ich dieses schöne Gedicht gelesen

Es läßt mich mittaumeln in Gedanken bleibt man bei dem Wort und liest mit Neugier und Anspannung weiter, weil soviel Hoffen und Schwanken und Vergangenes beschrieben werden. Erst später sucht man selbst in seiner Vergangenheit nach Vergleichbarem.

Meine Favoriten hier:

Nachtschatten (aus 2014)

Der Tag beginnt und alle Schatten fliehen,
die in der Nacht mein armes Ich gequält.
Ich hab dem Alb, der mich bezwang, verziehen,
für schwarze Flügel freien Flug gewählt.
ein düsteres aber schönes Bild. Die ganze Strophe nimmt mich voll und ganz ein.

So kann das Tagwerk wieder neu beginnen,
mit Freude und Elan gelingt ein jeder Schritt.
Doch immer wieder zeigen sich Erinnyen,
sie laufen neben mir die Wege mit.
ungewöhnlich die: Erinnyen toll!

Ich will die Rache nicht, die sie begehren,
das alte Leiden muss vergessen sein.
Ich muss mich der Versuchungen erwehren,
mein Herz muss werden wie ein Kieselstein.
Das kann ich mir sehr gut vorstellen.

Doch nachts, da sitzt der Alb auf meinen Schultern,
er drückt so schwer und beugt mich bis ins Grab.
Ich kranke an der Erbenschuld der Eltern,
gedanklich stütze ich mich auf den Heroldstab.
Aks Kind hatte ich einen traum und wurde wach, ich lag im Dunkeln und es war unheimlich und bedrohlich zugleich! Als Erwachsener ist es um so schlimmer schutzlos zu sein.

Und immer wieder rolle ich den Stein
den Berg hinauf aus weißem Elfenbein.
Mir bleibt nur noch das Urvertrauen,
um endlich eine eigne Burg zu bauen.
Die letzte S. erzählt von Hoffnung und dem Niemalsaufgeben Sowas mag ich.

Ich mag dein ganzes Gedicht.

Liebe Grüße sy

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Alt 04.08.2017, 18:27   #5
Chavali
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Liebe sy,

hab gar nicht mehr damit gerechnet, dass dieser Text noch jemandem gefallen würde.
Darum freu ich mich umso mehr über deine Rückmeldung

Du hast dir über die einzelnen Strophen Gedanken gemacht, das finde ich sehr schön!
Und du hast das auch alles ganz richtig eingeordnet.

Albträume können sehr intensiv und nachhaltig sein.
Ich schrieb dieses Teil vor mehr als 3 Jahren - vermutlich nach so einem Erlebnis
Bisschen was weg gelassen, bisschen was hinzu gefügt - da war das Gedicht....
Zitat:
Ich mag dein ganzes Gedicht.
Danke dir von Herzen!
Liebe Grüße
Chavali




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Alt 17.12.2017, 11:59   #6
Christian Wolf
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Hallo,

kann mich dem nur anschließen!

Mir gefällt der schwankende Rhythmus,
die Flügel und wann immer der Alb kommt.
Ich konnte das Ganze für mich nicht so recht ordnen, aber vl. ja, vl. wenn meine Träume, wie früher mich noch verstören würden, solange niemand stirbt bin ich höchstens viel zu oft verwirrt. Deshalb ist bei mir die Rache aus dem Schlaf (in den Tag?) nicht ganz aufgegangen, trotz allem würde ich mir aber wünschen, dass das Gedicht keine sichere Burg baut sondern weiterfliegt und die griechische Heroik nicht verkieselt. Aber so sind wir eben zwischen Göttern und Dämonen und wollten nur ein sicherer König leichten Herzens sein? Ich finde nicht alles passt eben so thematisch zusammen aber als Traumgedicht muss es das auch nicht. Ich finde es außerordentlich poetisch und mystisch, archaisch originell. Der Neues schafft, den altes stützt, der baut sich höher hinauf. Ich werde es noch einmal lesen. Meine subjektive Kritik der Bilder tut der Mystik deines Gedichts ja keinen Abbruch! Der Heroldsstab stört mich noch ein wenig- so einfach sich auf ihn zu stützen- und die Erbschuld ist mir nicht präzise genug das Böse, die Schuldhaftigkeit an sich, wo ein Traum ja etwas ganz persönlich ,,verschuldetes" ist (?), aber wie gesagt, ich lese es nocheinmal und es zeigt in jedem Fall von großer Originalität und von Können im Metrum und deine Emotionalität war nie angezweifelt. ��

Nächster Versuch:
doch, wenn man nicht vom Traum ausgeht, ist er nur das
Zwischenglied von Schmerz und Rache und endet im Tag.
Freilich kehrt der Schmerz zurück.
Nicht mehr verletzt werden können,
der Heroldsstab, aus dem Paradies ins Böse und ins Leid der Seöbstentfremdung geworfen, in den Sturm, bleibt nur ein Glaube, Urvertrauen noch dem Leben gegenüber, mitzuschwimmen, einzustimmen und sanft gerollt, gewiegt zu werden in den Fluten, aber die Vergangenheit, der abdolute und der pers. Sündenfall bestehen fort. Es geht gar nicht um den Traum, es geht um das Leben, um Tag und Nacht, Selbstergreifung und geworfen sein und dass die Steine die wir rollen über den eigenen Leib eines Tages zur Burg werden, eines Tages zu neuer Unschuld führen, im Hafen unserer Sicherheit. Wohl sind die Bilder vl. immernoch nicht lupenrein thematisch, aber menschlich, sinnbildlich -und man sollte Gedichte/ Bilder nur werten, wenn man sie auch gefühlt hat- eins a! Wunderbares Konstrukt!

PS: Hoffe du verstehst was ich meine!
Von Alb- Mittelalter, zu Erinnyen- Griech., zum einfachen Menschen, zum Kieselstein, von Alb, Christ zum endlich griechisch wie weltlich immunisierten Menschen- Punkt (doch ein bisschen Deus Ex Machina, der Wurf mit dem Heroldsstab für mich (oder ich verstehe den Ort in uns wo wir ihn finden können nicht)). Aber nochmal gelesen, du schriebst ,,gedanklich"- du gabst dir selbst ein Bild der Friedenschließung, der Magie der Liebe und des ruhigen Schlafs- passt!

Dann bin ich zwischen Sisyphos und auf dem Berg wartet-
Mittelalter, dann die Burg von Mykene.

Alles wie man sieht schlüssig und doch gerade beim unverständigen Lesen etwas konträr im Weltgefühl- mag der Wirrnis des Träumens geschuldet sein, dem Chaos der Welten.

Liebe Grüße,
Christian
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wenn ich mein Leben auslass, geht es den Bach runter

Geändert von Christian Wolf (17.12.2017 um 12:31 Uhr)
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Alt 22.12.2017, 15:11   #7
Leuchtfeuer
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Hallo Chavali,
spielt dieses Gedicht vielleicht auf zwei Bedeutungsebenen an? Zum einen die persönliche, eine von Alpträumen geplagte Person, die diesem Teufelskreis entfliehen möchte, zum anderen auf der poliischen Ebene, weil hier von einer Erbschuld die Rede ist? Beides wäre möglich und beides kann ein Trauma verursachen. Ich neige aber wegen des Heroldstabes, der heute zumeist als Symbol für wirtschaft und Handel steht, fast schon zur politischen Ebene, zumal der Begriff der Erb(en)schuld im Nachsatz fällt. Den Berg aus Elfenbein setze ich mal mit dem Elfenbeinturm gleich, der heutzutage auch meist spöttische Verwendung findet, wenn sich jemand auf seine eigene Wahrheit zurückzieht, hier vielleicht als eigene Burg dargestellt. auf jeden Fall gibt es hier auch Hoffnung neben der Verzweiflung, auch wenn letztere überwiegt, weil diesem Drama eben nicht so leicht zu entfliehen ist.
Auf jeden Fall ein interessantes Gedicht.

Grüßle Leuchtfeuer
Leuchtfeuer ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.01.2018, 21:53   #8
Chavali
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Lieber Christian,

deinen Kommi habe ich jetzt mehrere Male gelesen, er hat soviel Inhalt und sind nicht nur leere Worte,
so dass man gezwungen wird, etwas länger darüber nachzudenken.

Kann sein, dass das ganze Konstrukt von Gedicht etwas wirr erscheint und nicht ganz der Logik oder
dem logischen Ablauf folgt.
Ich hätte der Sache auch einen anderen Schluss geben können.
Aber wie es sich herausstellt - zumindest bei dir, der du dich mit dem Inhalt befasst hast -
bewirkt der Text ein tiefes Eintauchen in mögliche Deutungsweisen.

Und so mag ein jeder Leser seine Interpretation dafür finden.
Ich kann auch nicht mehr mit Sicherheit sagen, was genau mich zu diesen Formulierungen veranlasst hat.

Hab herzlichen Dank!


Hallo Leuchtfeuer,

interessant, ja, wegen der Möglichkeiten, die die Deutung des Textes offen lassen.
Ein wenig habe ich mich schon bei Christian erklärt.

Auch du hast dich in lobenswerter Weise mit dem Konstrukt befasst, dafür gebührt dir Dank,
den ich dir auch gern zolle.


Euch beiden liebe Grüße,
Chavali
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