Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Denkerklause

Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 19.02.2017, 14:39   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Aus dem Gedächtnis

Ich trage viel durch meine blassen Tage,
entrückter wohl der Zeit, die ich bewohnte,
und was davon noch ein Erinnern lohnte,
beatmet mich wie eine bange Frage:

Wozu dies alles, das ich mit mir trage?
Die ausgefransten Bilder, die ich schonte,
als ob ein Sehnendes in ihnen wohnte,
dem ich verfallen bin, doch widersage.

Wer bin ich endlich, dass ich nicht vergessen
und tilgen mag, worin mein Wesen badet?
Wie sind wir doch erhaben und vermessen

zugleich - zu glauben, dass es eine Rolle
im Leben spielt zu wissen, was uns schadet
und was uns tanzen lässt ins Wundervolle.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (10.04.2017 um 18:59 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2017, 16:53   #2
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Erich,

die beiden Quartette sind sehr schön geraden, aber am Ende war ich etwas enttäucht, weil ich in den Terzetten eine Antwort erwartete, die ich nicht fand.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2017, 19:08   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Thomas!

Einerseits gibt es auf manche Fragen eben keine befriedigende Antwort, zum anderen steckt indirekt schon eine Art Antwort in den Terzetten:

Indem wir glauben, in allem einen Sinn (oder Unsinn) finden zu können, definieren uns unsere Erinnerungen als Individuen und Persönlichkeiten. Darin und daraus die richtigen Lehren zu ziehen und sich selbst zu erweitern, darin liegt Erhabenheit.
Da wir aber ebenso oft daran scheitern, bzw. dazu tendieren, uns anhand unserer Lebenserfahrungen überzubewerten und zu wichtig zu nehmen, darin liegt Vermessenheit.

Letztlich ist unser Leben nur für uns selbst von Belang, sogar das Leben der ganz Großen, die Geschichte schrieben oder veränderten, mittelt sich nach spätestens ein paar Jahrtausenden aus dem Menschheitsgedächtnis heraus.

Der letzte Satz des Sonetts spielt darauf an, vielleicht etwas zu indirekt und zu lyrisch aufbereitet.

So ist auch der Titel zu verstehen: "Aus dem Gedächtnis" kann bedeuten, dass wir aus dem Gedächtnis heraus leben und Kontur gewinnen, aber eben auch, dass wir irgendwann aus dem Gedächtnis (der Nachwelt) verschwinden. Ich mag diese Mehrdeutigkeiten!

Sorry, wenn es diesmal zu kryptisch war.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.05.2018, 10:09   #4
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Lieber Erich,



Zitat:
Zitat von Erich Kykal Beitrag anzeigen
Hi Thomas!

Einerseits gibt es auf manche Fragen eben keine befriedigende Antwort, zum anderen steckt indirekt schon eine Art Antwort in den Terzetten:

Indem wir glauben, in allem einen Sinn (oder Unsinn) finden zu können, definieren uns unsere Erinnerungen als Individuen und Persönlichkeiten. Darin und daraus die richtigen Lehren zu ziehen und sich selbst zu erweitern, darin liegt Erhabenheit.
Da wir aber ebenso oft daran scheitern, bzw. dazu tendieren, uns anhand unserer Lebenserfahrungen überzubewerten und zu wichtig zu nehmen, darin liegt Vermessenheit. den Schuh ziehe ich mir an.

Letztlich ist unser Leben nur für uns selbst von Belang, sogar das Leben der ganz Großen, die Geschichte schrieben oder veränderten, mittelt sich nach spätestens ein paar Jahrtausenden aus dem Menschheitsgedächtnis heraus.

Der letzte Satz des Sonetts spielt darauf an, vielleicht etwas zu indirekt und zu lyrisch aufbereitet.

So ist auch der Titel zu verstehen: "Aus dem Gedächtnis" kann bedeuten, dass wir aus dem Gedächtnis heraus leben und Kontur gewinnen, aber eben auch, dass wir irgendwann aus dem Gedächtnis (der Nachwelt) verschwinden. Ich mag diese Mehrdeutigkeiten!

Sorry, wenn es diesmal zu kryptisch war.

LG, eKy
Mir gefällt dieses Sonett, ich nicke zustimmend zu deiner Antwort zum Thomas.

Sehr gerne gelesen von sy

  Mit Zitat antworten
Alt 07.05.2018, 18:09   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Sy!

Boah eh - was bin ich doch für ein philosophisches Kerlchen!

Hab Dank für die Fadenbelebung!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.05.2018, 18:17   #6
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
Standard

Zitat:
Zitat von Erich Kykal Beitrag anzeigen

Boah eh - was bin ich doch für ein philosophisches Kerlchen!
Hi Erich,

durchaus

Und das ist wirklich ein schöner Text - wie könnte es anders sein
Zum Philosophischen wurde schon einiges ausgeführt - da bleibt mir nur noch, mein Gefallen kund zu tun.

LG Chavi
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.05.2018, 22:16   #7
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Chavi!

Der Text ist mehr als ein Jahr alt - was magst du sonst noch verpasst haben!?

Vielen Dank für die lieben Worte!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 18:29 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg