21.03.2018, 09:17 | #1 |
Gast
Beiträge: n/a
|
Der Unklare / Der Autist
Du sitzt am Tisch und siehst die Sprache fließen.
Die Worte aus dem Mund wie Bild und Klang. Doch Jahre brauchts, nur eines zu genießen und im Gespräch fehlt dir Zusammenhang. Die Welt, sie rauscht in tausend irren Farben und jedes Lieben geht vor Sehnsucht auf die Knie, Du wirst in dieser Welt der Menschen darben, klar sehen wirst du alles hier wohl nie... Du denkst, der Mensch, der sei wie eine Blüte: von zarter Haut, geordnet schwebt sein Hirn in das verirrte Reich versagter Güte und auf dem Tisch schlägt dir so müd die Stirn. Du wandelst alles, was dir fehlt in Dingen. Das Unbenennbare erhält Figur - und schauernd zieht das Leben sich in Ringen von allem Sein zurück in die Natur. Die Welt, sie wird nicht lauter oder leiser, sie schwindet liebevoll zum Andern hin. Und ich, ich werd mit jedem Streben greiser, bis ich ganz tief in mir verschwunden bin. Geändert von Eisenvorhang (21.03.2018 um 14:35 Uhr) |
21.03.2018, 14:08 | #2 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
|
Hi EV!
Hatte vor Urzeiten mal ein Gedicht gleichen Titels - damals, lang vor 2010, als ich das metrische Handwerkszeug noch kaum beherrschte: Der Autist Wenn ich mich selber lauter denken höre als alles, was da Welt heißt und mich streift, und ganz und nur dem eignen Kopf gehöre, dann bin ich an dem Punkt, der mich begreift. Dort trage ich die Weigerung des Herzens wie eine Festung durch mein ganzes Sein. An dieser Schwelle jenseits allen Schmerzens bin ich, in Stille eingehüllt, allein. Dort weiß ich mit mir selber Maß zu halten, dort sind die Menschen fern und die Gefahr, dass sie erkennen, dass in meinem Walten nie ein Gefühl für all ihr Menschsein war. So bin ich, mit mir selber malgenommen, die eine Rechnung, die sich selbst begleicht, und sollte je ein Weh mich überkommen, vergeht es dort, wohin kein Wehtun reicht. Um ehrlich zu sein: die metrischen Schnitzer, die ich damals machte, habe ich jetzt ausgebügelt. Aber glaub mir, es waren einige drin! Interessante Parallele der Gedanken! Gern gelesen, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (21.03.2018 um 14:39 Uhr) |
21.03.2018, 14:27 | #3 | |
ADäquat
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
|
Lieber EV,
__________________
. © auf alle meine Texte
|
|
21.03.2018, 14:31 | #4 |
Gast
Beiträge: n/a
|
Sehr schöne Zeilen, lieber Erich. Verstehe das wortlos.
Danke für das Teilen, fürs Kommentieren und gefallen. @Chavali, du meinst sicherlich die zweite Stropfe mit der Zeile in Überlänge und der letzten Zeile mit vier Heber. Aber direkte Schnitzer sind das ja nicht. Die Lösung ist in Arbeit Schön, dass es euch gefällt und danke für das Lob! vlg EV |
21.03.2018, 14:35 | #5 |
ADäquat
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
|
Ha, EV,
__________________
. © auf alle meine Texte
|
21.03.2018, 14:38 | #6 |
Gast
Beiträge: n/a
|
Ah... EV... Du hast nochmal einiges geändert... also der geniale, in der ersten (?) Fassung erwähnte Tonkünstler hat mich in Deinem Gedicht durchaus nachhaltig verstört und ich wollte das Kritikermesser wetzen... jetzt vermisse ich ihn fast (aber nur fast!) etwas... ich bin ein furchtbarer Mensch!!!
Jedenfalls hast Du die Urfassung durch die Bearbeitungen ohne Zweifel geglättet sowie verständlicher und in sich stimmiger und konsistenter gestaltet... duchaus zum Gewinn des Werks. Die letzten Zeilen finde ich - wie Chav - auch ganz besonders schön. Ich frage mich aber doch, was wohl dabei herauskäme, wenn Du Dir die Ausgangsfassung nochmal vornimmst und den gegenteiligen Weg gehst... jede Logik aushebelst, jeden Gedankenzusammenhalt lockerst und der Fantasie völlig die Zügel schießen ließest... wahrscheinlich versteht dann der arme Leser nur noch Bahnhof... aber neugierig wäre ich schon... |
21.03.2018, 16:21 | #7 | |
Gast
Beiträge: n/a
|
Zitat:
Version für Sufnus: wieso nur schweigst du gold aus deiner brust? lebloses kind gespannter zeiten - bist du so kalt, weil du noch sterben musst? du jähzorn aufgespaltner leiden. reicht dir der wortenebel silberne weichen? die ihrer längen nach gelegen waren, spürst du die sanften rhythmen zarter zeichen? das tote volk, verborgene gefahren... du bist der wind, der irgendwie beginnt von hier nach da, die seinen schwingen schlägt und langsam nach und nach, nach höhen sinnt und sich ganz unscheinbar ins steigen legt. dann hörst du eine stimme und geweine aus milch und honig, süß und sanft wie eine gesangverbindung aus den blüten in der nacht, spürst du denn immer noch den sinn? und eine hand, die wie zerschnitten war verformte aus der bittren nacht zwei strähnen, die eine fällt, die andre ist das jahr, in dem wir kauernd uns im schatten wähnen. |
|
21.03.2018, 18:51 | #8 |
Gast
Beiträge: n/a
|
Uiuiui! EV!
Auf dieser Linie solltest Du Dich immer mal wieder versuchen (es ist gut mehrere Eisen im Feuer zu schüren)! Und auch wenn Du sagst, Du willst nicht so viel Lyrik lesen - lieber schreiben - schau mal in die Gedichte von Georg Heym rein. Vielleicht eines der größten, aber da viel zu jung gestorben: uneingelösten, Talente des Expressionismus in der deutschen Lyrik. Das könnte Dir gefallen... |
21.03.2018, 23:26 | #9 |
Gast
Beiträge: n/a
|
Oh, ein Missverständnis! Ich lese schon Lyrik. Aber so viel habe ich noch nicht gelesen und ich denke mir, dass das Lesen für die eigene Schriftbildung nicht konstruktiv ist.
Danke für Deinen Vorschlag, ich kannte den werten Herren noch nicht. Direkt mal konsumieren. ! vlg EV |
22.03.2018, 11:26 | #10 | ||
Gast
Beiträge: n/a
|
Zitat:
Zitat:
Im Projekt Gutenberg sind einige Werke von Georg Heym inkl. vieler relevanter Gedichte einzusehen. Bei den Gedichten finde ich besonders bemerkenswert, wie der junge Heym mit großem lyrischen Selbstbewusstsein hin- und herwechselt zwischen ganz zarten, fast luftigen Werken (Sonnenwendtag) oder ekstatischen Gedichten, in denen archaische und zeitgenössische Alptraumvisionen zusammenfließen (Styx) oder Versen, die pathetisches Sentiment mit ganz eindringlichen und originellen Bildern verbinden (Der fliegende Holländer). |
||
Lesezeichen |
Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1) | |
|
|