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Satire Zipfel Für Zyniker und andere Fieslinge

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Alt 06.12.2015, 10:24   #11
Friedhelm Götz
Schüttelgreis
 
Registriert seit: 02.11.2011
Beiträge: 954
Standard

Zitat:
Zitat von charis Beitrag anzeigen

Laß dich, Geliebte, nicht reun, daß du mir so schnell dich ergeben
Glaub es, ich denke nicht frech, denke nicht niedrig von dir.
Vielfach wirken die Pfeile des Amors: einige ritzen,
Und vom schleichenden Gift kranket auf Jahre das Herz.

Ich finde die erste Zeile von Goethe nicht sehr gelungen. (Auch so kann man seine eigenen handwerklichen Schnitzer herunterspielen , nein ehrlich, ich habe nur den festen Vorsatz es zukünftig besser zu machen als Goethe
Liebe charis

ich sehe diese Zeile nicht misslungen, so kann man das durchaus betonen und die Inversion stört mich auch nicht. In der Lyrik Goethes und Schillers sind zahlreiche Inversionen zu finden, einige Beispiele sind hier aufgelistet:

https://www.lernhelfer.de/schuelerle...ikel/inversion

LG Fridolin
__________________
Reime zu schütteln, gilt vielen als Nonsens von Spaßern, nichts Rechtes!
Aber die Spaßer mit Ernst suchen im Unsinn den Sinn!
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Alt 06.12.2015, 14:11   #12
Claudi
Senf-Ei
 
Registriert seit: 26.04.2014
Beiträge: 861
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Hallo Charis,

Du hast Dir gleich zwei Höchstschwierigkeiten vorgenommen, alle Achtung! Das Distichon erfordert einiges an Übung, weil es dabei so viele Dinge zu beachten gilt, die man als Anfänger einfach nicht alle auf einmal im Blick haben kann. Keine Sorge, das wird schon, wenn Du kontinuierlich dranbleibst.

Fridolin und Wolo haben ja schon ein paar Fehler herausgepickt und einige Tipps dagelassen. Ich will jetzt gar nicht so viel in Deinem Werk herumstochern, sondern mich lieber auf die ganz kleinen Schritte konzentrieren. Zu Deiner Frage:

Zitat:
Mich würde noch interessieren, ob man die Trochäen, wenn man sie einsetzt, in beiden Zeilen regelmäßig verteilen muss.
Der Hexameter und sein Gegenspieler, der Pentameter, sind Bewegungsverse, d.h. sie leben von der fortlaufenden Variation kleiner "Bewegungsfiguren". Man könnte es mit Tanzen vergleichen, und es geht darum, nicht immer den Grundschritt (Daktylus) auszuführen, sondern ständig neue Fguren zum immer gleichen Takt zu tanzen. Deswegen entspräche dem Wesen der Verse eher ein Variieren als ein Wiederholen, aber das lässt sich natürlich nicht mathematisch ausloten, und je nachdem, was man ausdrücken will, muss es sich nicht zwangsläufig störend auswirken, wenn die Trochäen mal in beiden Versen an der gleichen Stelle sitzen. Im Pentameter können sowieso nur in der ersten Vershälfte Daktylen durch Trochäen ersetzt werden.

Auf den Goethevers kann ich vielleicht später nochmal eingehen. Offensichtlich sind Dir seine Stärken nicht ganz verborgen geblieben, wenn Du die erste Vershälte als Schablone verwendest. Es wäre doch eine schöne Übung, hierfür die perfekte zweite Hälfte zu suchen? Vor allem würde ich mich aber erstmal auf die Zäsuren konzentrieren, und das geht am besten in Alltagsprache, ohne dabei auf Sinnhaltigheit Rücksicht nehmen zu müssen. Versuche einfach frei von der Leber alles, was Dir in den Sinn kommt, mit Zäsur zu formulieren.


Satire ist das zweite schwierige Fach. Die kommt mir in Deinen Elegien noch nicht klar genug heraus. Zum Teil liegt es wohl an der lose zusammengebundenen Form. Wenn Du Dich sprachlich mehr aufs Altertümeln verlegen möchtest, käme vielleicht eine Epistel nach biblischem Vorbild oder eine Predigt als Grundkonzept infrage? Da wäre dann sowas wie der Blendwerk-Vers passend, vorausgesetzt es käme deutlicher heraus, wer hier zu wem spricht und auf was sich die Anspielungen beziehen. Das Kind beim Namen nennen!

Für eine modernere Variante, die mit Reizwörtern wie "Gutmensch" und "linkes Gesocks" spielt, wäre ich eher zu begeistern. Das "linke Gesocks" würde ich dann aber z.B. genauso schön scharfkantig lesen wollen: XxxX. In diesem Spiel üben wir solche spöttischen, scharfzüngigen Sachen. Vielleicht hast Du ja Lust mitzumachen. Da würde sicher auch Politisches reinpassen.


Zitat:
Den Bezug "Blendwerk" - "Hechte im Trüben", darf man hier aber ruhig hinterfragen
Unbedingt! Nur so, wie Du die beiden Phrasen hier verwoben hast, liest man die Hechte als Gleichsetzung zum Blendwerk. Da fehlt genau die Klarheit, die ich meine.


So, das soll für heute reichen. Fühl Dich auf keinen Fall entmutigt durch die Kritikpunkte und scheue Dich nicht, uns Löcher in den Bauch zu fragen. Ich freue mich immer, wenn das Gespräch auf den Hexa kommt, habe nur nicht immer sofort Zeit zum Antworten.

LG Claudi
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Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.

Geändert von Claudi (06.12.2015 um 14:53 Uhr)
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Alt 06.12.2015, 17:18   #13
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
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Liebe Dank, Claudi, für deine ausführliche Stellungnahme.

Ich habe die erste Strophe überarbeitet. Die ist mir eigentlich sehr wichtig, weil sie eine Art "Vorrede" darstellt, korrespondierend mit der "Nachrede" - dem Goethezitat.

Ob es als Satire wirklich durchgehen kann? Keine Ahnung? Nun ja, wenn dann jedenfalls eher unterschwellig; ich mag an sich das nicht so Deutliche lieber, die schleichenden Gifte sozusagen.

Lieben Gruß
charis
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Alt 06.12.2015, 22:18   #14
wolo von thurland
Gast
 
Beiträge: n/a
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Hallo charis
Ich denke auch, dass Goethe in diesem Gedicht nicht wirklich eine glückliche Hand hatte, wenn er gleich die erste Zeile mit Einsilbern und Inversion so belastete.
Allerdings gilt es zwei Dinge zu beachten:
- Die Zeit und die Umgebung, in der er das schrieb, war es gewohnt, dass schöngeistige Männer sich in die Brust warfen und Hexameter krähten. Und artistische Inversionspurzelbäume waren damals schon einem gewissen Publikum Zeichen von Bildung, vielleicht konnte man den höheren Töchtern mit so was imponieren, wer weiss... (der Geheimrat selbst hat dieses Stilmittel nicht stark gesucht, im Gegensatz zu einigen seiner Zeitgenossen.) Vielleicht haben diese Purzelbäume die Lateinschüler entschädigt für die Qualen, welche sie beim Übersetzen von (inversiven) lateinischen Hexametern litten...
- Goethes erste Zeile ist, obwohl fragwürdig, tatsächlich ein Hexameter nach den "Regeln der Kunst". Die Bedeutung, der Einbezug des Standpunktes des LD lassen eigentlich keine andere Satzmelodie zu als die mit Betonung des "mir". Damit läuft bezüglich Versmaß auch ohne Rücksicht auf Goethes Publikum alles paletti.
Deine verschiedenen Versionen für eine erste Zeile halten die Regeln nicht ein und sind nicht fürs gleiche Publikum geschrieben wie jener Goethesche Vers. Das macht einen kleinen Unterschied zwischen euch beiden.
Aber... (s.o.)

edit:
In G.s erwähntem Gedicht steht auch folgende Zeile:
Hero erblickte Leandern am lauten Fest, und behende
Die ist nun auch nicht gerade super. Und ich würde sie als weiteren Beleg dafür sehen, dass es dem Dichter mehr darum ging, eine Dame rumzukriegen, vor ihr zu gockeln, als unanfechtbare Hexameter zu schreiben.
Gruss
wolo

Geändert von wolo von thurland (06.12.2015 um 22:23 Uhr)
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Alt 08.12.2015, 10:38   #15
charis
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Lieber Wolo,
Danke für deinen Eintrag. Ich hätte bei Goethe eigentlich natürlich nicht "mir" - "schnell" betont, sondern "mir"- "dich", betont; das wars eben wo ich stolperte, die "Richtige" musste ich mir erst "erarbeiten", aber das liegt vielleicht daran, dass ich mich erst darin üben muss, wie man Distichen zu lesen hat.
also "dass du mir so schnell dich ergeben" xxXxxXxXx

Was stimmt jetzt wieder nicht an meiner ersten Strophe?

Lass dich du, o Fremder, nicht reun, dass du ängstlich mir misstraust.
XxXxXxxXxxXxxXx
Sprichst du mit mir, bin ich taub, denke nur niedrig von dir.
XxxXxxXXxxXxxX
Worte sind bloßes Blendwerk, oft lauernde Hechte im Trüben,
XxxXxXxxXxxXxxXx
schleichende Gifte, wovon kranket auf ewig mein Herz.
XxxXxxXXxxXxxX

Verzweifelte Grüße
charis

Geändert von charis (09.12.2015 um 06:40 Uhr)
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Alt 09.12.2015, 10:17   #16
Claudi
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Hallo Charis,

Zitat:
Was stimmt jetzt wieder nicht an meiner ersten Strophe?
Soweit ich es verstanden habe, bezog Wolo sich nur auf den ersten Vers.

Lass dich / du, o / Fremder, || nicht / reun, dass du / ängstlich mir / misstraust.

So war es wohl gemeint? "Das Misstrauen" betone ich auch tatsächlich auf der ersten Silbe, "du misstraust" allerdings klar auf der zweiten. Daher stimmt das Versende m.E. nicht. Möglich wäre (wenn es denn inversiv sein soll, was ich vermeiden würde) vielleicht:

Lass dich / du, o / Fremder, || nicht / reun, dass du / stets mich be- / argwöhnst.


Die anderen drei stimmen metrisch, da hadere ich mit der Stilistik. Du reihst hier gleich drei verschiedene Metaphern für "Worte" aneinander. Vermutlich soll das soviel heißen wie: Worte sind manchmal Blendwerk, manchmal Hechte im Trüben und manchmal schleichendes Gift? Das ist mir zu viel des Guten.

LG Claudi
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Claudi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.12.2015, 14:03   #17
charis
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Danke, liebe Claudi,
Ich habe es nochmal umgeschrieben . Ich kanns nicht lassen
Lieben Gruß
charis
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Alt 26.12.2015, 13:51   #18
Claudi
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Hallo Charis,

da hast Du Dich jetzt nochmal richtig reingehängt, und das Ergebnis kann sich sehen lassen! Die Verse stimmen metrisch jetzt alle bis auf diesen Pentameter:

Zitat:
lasst euch berauschen vom Glanz, kauft schnell ein Iphone 6.
Die zweite Vershälfte entspricht nicht dem Standard XxxXxxX. Das Iphone 6 (XxX) ist so ein Wort, das besser im Hexa oder in der ersten Pentameterhälfte aufgehoben wäre. Auch fordert das Adjektiv "schnell" eigentlich eine stärkere Betonung als "kauft", weil es das Verb ja hier näher beschreibt. Ein Lösung wäre vielleicht:

lasst euch berauschen vom Glanz, kauft euch ein Iphone per Klick


Wörter wie "lobpreise" (XXx ) sind immer schwierig im Hexa und in Distichen. Die Hauptbetonung liegt auf der ersten Silbe und die zweite Silbe hat eine starke Nebenbetonung, die näher an einer Hebungsbetonung als an einer Senkungsbetonung liegt. Im Reimvers könnte man so ein Wort notfalls als Daktylus verwenden. Im Bewegungsvers ist das ungünstig. Du könntest in Deinem Hexa aber das starke "lob" in die Senkung stellen und hättest dann einen geschleiften Spondeus, der sich hier m.E. gut machen würde:

Ritter, be- / kreuzige / dich || lobpreise den / wahren der / Götter


Ach ja, nur noch eine kleine Korinthe: Inshallah ist die englische Transkription des Wortes. Die deutsche ist inschallah.

Ich freue mich, dass Du so schnell so gut gelungene Verse hingekriegt hast, und habe mich gerne damit beschäftigt.

LG Claudi
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Geändert von Claudi (26.12.2015 um 17:10 Uhr)
Claudi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.12.2015, 09:06   #19
charis
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Herzlichen Dank, liebe Claudi, für deine nochmalige Beschäftigung mit diesen Zeilen und deine Hilfe. Alle Kommentare hier waren für mich eine wertvolle Erfahrung und ich hoffe, ich habe für mein Schreiben etwas daraus gelernt.

Die "lobpreise"-Zeile habe ich geändert, ohne das "und" ist die Senkung deutlicher, da gebe ich dir Recht. Ich hab hier auch überlegt einfach "preise" zu verwenden, was sich gut gefügt hätte, aber "lobpreise" hat einfach mehr Gewicht.

Den "Iphone 6-Vers" lasse ich so eigenwillig. Die ganze Strophe ist sowieso durch die verschiedenen Sprachen befremdlich und so soll es auch sein.

Lieben Gruß
charis
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