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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 06.12.2009, 18:56   #1
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
Standard Augenschmaus

Augenschmaus


Die Augen sind ganz trüb, der Atem flach,
Die Hände liegen reglos an den Beinen.
Die Kraft reicht nicht einmal zum stillen Weinen.
Die Fliegen sitzen überall, zu schwach,

Sie zu verscheuchen, keucht das kleine Kind
Und führt die Zunge an die trocknen Lippen.
Die Mutter blickt nach innen, und ihr Wippen,
So hilflos, dass das Lächeln schnell gerinnt,

Will gar nicht enden; ihre dumpfen Worte
Sind durch das Atemrasseln übertönt:
Man muss sie nicht verstehn. Das sind die Orte

Und Bilder, an die niemand sich gewöhnt:
Der Wohlstandsmensch sieht sie bei Sahnetorte,
Durch Farbbrillianz zum Augenschmaus geschönt.
__________________
Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
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Geändert von Walther (09.12.2009 um 19:09 Uhr)
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Alt 06.12.2009, 23:13   #2
Abraxas
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Beiträge: n/a
Standard

Hallo Walther,

ich hätte nicht gedacht, dass jemand es schafft, einem Sonett einen so bitteren Geschmack zu verleihen. Wahre, angebrachte - und sehr traurige Worte. Sie wecken einen vorübergehend auf...leider nur so lang, wie es dauert, die Augen wieder zu verschließen. So sind wir Menschen.

Zitat:
Augenschmaus


Die Augen sind ganz trüb, der Atem flach,
Die Hände liegen kraftlos an den Beinen.
Sie reicht nicht einmal mehr zum Weinen. -- nur 4-hebig. So gewollt?
Die Fliegen sitzen überall, zu schwach,

Sie zu verscheuchen, keucht das kleine Kind -- "Sie zu verscheuchen [...]" lässt mich etwas stolpern. Sie zu verscheuchen entspräche dem natürlichen Sprachrhythmus eher.
Und führt die Zunge an die trocknen Lippen.
Die Mutter blickt nach innen, und ihr Wippen,
So hilflos, dass das Lächeln schnell gerinnt, -- schnell gerinnendes Lächeln ... dieses Werk dringt ins Herz, ob man will oder nicht. Gute Arbeit.

Will gar nicht enden; ihre dumpfen Worte
Sind Laute, die das Atemrasseln übertönt:
Man muss sie nicht verstehn. Das sind die Orte

Und Bilder, an die niemand sich gewöhnt: -- lässt mich etwas stolpern. Was ich spontan lese ist: xXx, xxXxXxX - trotz Komma, leider.
Der Wohlstandsmensch sieht sie bei Sahnetorte, -- meintest du vll. "sieht sich"? In Kontext mit der ersten Zeile dieser Strophe und dem Doppelpunkt stellt sich mir die Frage: meint "sie" die Bilder? Vielleicht habe ich nicht ausreichend darüber nachgedacht. In diesem Falle bitte ich dich, mir das zu verzeihn und ein wenig zu erklären.
Durch Farbbrillianz zum Augenschmaus geschönt.
Ich bin sehr traurig berührt. Und hoffe, dir damit bestätigen zu können, dass "Augenschmaus" seine Intention erfüllt.

dunkelmütig,
Abraxas
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Alt 07.12.2009, 06:32   #3
Leier
gesperrte Senorissima
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Pfalz
Beiträge: 4.134
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Lieber Walther,


zum Schaudern, aber sicher allzu wahr.
Mit dem Sie in S1V3 komm ich nicht ganz zurecht - ist die Kraft (nicht mehr vorhanden) gemeint?
Die Sahnetorte, stelle ich mir vor, wird vor dem tollen Flachbild- Fernseher (mit hoher Brillanz) genossen.
Geht unter die Haut!


Lieben Gruß
von
Leier-cyparis
Leier ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.12.2009, 08:46   #4
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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Hallo Abraxas, hallo Leier,

danke für die vielen Hinweise. Ich habe die Strophe 1 neu gefaßt. Damit sollten die Fehler weg sein. Ich habe das wirklich übersehen mit den 4 Hebungen, verzeiht!

Das zweite Terzett ist m.E. klar. Es geht darum, den Sonntagskaffee vor dem neuen LCD Fernseher zu thematisieren. Vielleicht ist die Verdichtung zu stark, wer weiß.

In der Tat soll das Gedicht "anrühren". Aber das ist es doch, was Kunst generell soll. Hier ist der Gegenstand zutiefst politisch. Und das war pure Absicht.

Nochmals danke, Ihr Lieben!

Beste Grüße W.
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Alt 07.12.2009, 09:34   #5
Medusa
Gesperrt
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Berlin
Beiträge: 2.213
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Guten Morgen Walther,

Deine "pure Absicht" ist Dir ganz hervorragend gelungen!

Ich wollte schon gestern antworten aber die Bilder ließen mich nicht los. Du schilderst das Elend derart deutlich, dass sich die Nackenhaare sträuben. Dazu die letzte Terzine, besser und eindringlicher gehts nicht.

Es ist gut, dass Du gerade in der Weihnachtszeit, in der in unseren Breiten Völlerei und Konsum den Vorrang haben, die andere Seite thematisierst.

Nicht wirklich gerne gelesen .
Herzliche Grüße,
Medusa.
Medusa ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.12.2009, 09:45   #6
Abraxas
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Hallo Walther,

aaaahh! Jetzt versteh ich. Farbbrillanz -> (LCD) Fernseher. Nein, ich glaub, das ist nicht mal zu stark verdichtet. Ich lag/dachte einfach quer.

Danke dir!

LG,
Abraxas
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Alt 07.12.2009, 13:02   #7
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
Standard

Lb. Abraxas,

das Schwierige an der Dichtung ist, daß Empfänger und Sender nicht immer deckungsgleiche Bilder aufrufen können. Damit muß man leben und versuchen, diese Unschärfen abzudecken. Was nicht immer gelingt, wie wir hier sehen.

Danke für Deine Mühe und frohes Dichten!

Gruß W.
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