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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 02.10.2009, 14:03   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Tödliche Gedanken

Wenn ich denn gehn muss, dann zu Sommers Ende,
eh noch der Nebel sich um kühle Bäume webt
und eh der Herbst an meine gliederkalten Hände
den Schuldenberg all meiner Winterjahre hebt.

Wenn ich denn gehn muss, dann im Abendsinken,
eh noch die Schatten in die Hänge steigen
und eh die Nächte ohne warmes Sternenblinken
mir all die Finsternisse meines Lebens zeigen.

Wenn ich denn gehn muss, dann zur goldnen Stunde,
da mir der Tag zum Abschied noch sein Licht
ans Dasein reicht wie Wein zum welken Munde
des ewig Dürstenden, bevor sein Auge bricht.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 02.10.2009, 15:48   #2
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.03.2009
Ort: wien
Beiträge: 4.893
Standard

lieber erich,

ich hoffe doch, dass deine "todesgedanken" nicht gleich "tödlich" waren und du einstweilen noch unter uns verbleibst!

das wäre auch schon mein einziger kritikpunkt: der titel.
denn tödlich sind gedanken übers sterben zum glück noch nicht.

ich nehme an, die meisten menschen haben das eine oder andere mal schon darüber nachgedacht, wie "es" denn sein könnte, sein würde, sein sollte...

dein "wunschtermin" wäre also im herbst.
darin unterscheiden wir uns: denn ich würde gerne im frühling dahinfahren, am liebsten am späten nachmittag/ vorabend und bei vogelgezwitscher oder dem reviergesang der amsel....
naja. ob dieser "bestellservice" wohl funktioniert?

bleib lieber noch ein weilchen und verwöhne uns mit wohltönendem, meint
larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.10.2009, 19:43   #3
Leier
gesperrte Senorissima
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Pfalz
Beiträge: 4.134
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Lieber Erich Kykal!

Wie wehmütig, wie dunkel, wie sanft, wie trunken-schön!
Ja, ich kann jeden wundervollen Vers bekräftigen.
Du hast mir ins Herz geschrieben, in die Sinne, ins Fühlen.

(Lediglich der Titel ließ mich zurückschrecken."Gewünschter Abschied" o.Ä. klänge nicht so hart.
Oder die ersten Versfüße als Titel....)

Danke!

cyparis

Geändert von Leier (02.10.2009 um 19:47 Uhr)
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Alt 02.10.2009, 19:46   #4
norbert
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 09.02.2009
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Beiträge: 1.011
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lieber erich,
mal wieder ein beweis deiner hohen sprachkunst - ich mag daran nichts bemängeln...
nach meiner privaten beobachtung - das mag objektiv natürlich täuschen - sterben menschen oft im herbst, also in der übergangszeit zwischen licht und dunkel...
liebe grüße
norbert

Geändert von Alive (02.10.2009 um 20:01 Uhr)
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Alt 02.10.2009, 23:08   #5
Archimedes
der mit dem Reim tanzt
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: SpreeAthen
Beiträge: 565
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Hallo Erich, so voll des Lobes bin ich bei deinem Gedicht nicht. Inhalt und Wortwahl sind zwar vom Feinsten, doch rhythmisch habe ich Bedenken.
Z.B. ist die erste Zeile jeder Strophe unrund:

Wenn ich denn gehn muss, dann zu Sommers Ende, ( hat einen Bruch in der Zeilenmitte, da zwei Hebungen nebeneinander. Besser scheint mir:

Wenn ich denn gehn muss, dann zu des Sommers Ende,
Wenn ich denn gehn muss, erst dann zu Sommers Ende,

Wenn ich denn gehn muss, dann erst im Abendsinken,

Wenn ich denn gehn muss, dann nur zur goldnen Stunde,

Ferner ist mir der Schluss zu abgedroschen:
...bevor sein Auge bricht.
Vielleicht kannst du schreiben: ...bevor ein andrer spricht.

Über das Schreiben des Kommentars hats mich mal wieder gepackt:

So wie die Batterie den Geist aufgibt,
wenn erste, kalte Nächte ihr die Kraft bestreiten,
so würde ich, wenn einmal mir's beliebt,
ein strahlend Herbsttagsabschied selbst bereiten:

Der Himmel blaugetönt, am Horizont
sich schwingen Vögel auf für ihren Flug
nach Süden, schwenken nochmals sehr gekonnt,
Manöver übend, schnell im Winkelzug

nah bei dem Wald, der sich herausgeputzt
mit sattem Gold und Rot, den Abschied feiernd.
Jetzt scheidend hätten wir es gut genutzt,
dann, wenn wir gehen, dieses sanft verschleiernd,

im Abendrot die volle Pracht genossen,
den letzten Schein des milden Tag's geschaut,
verschwänden wir, wie heimlich ausgegossen,
als wenn gemeinsam stets wir anvertraut.

Hier kannst du sehen, was du mit deinen Gedichten anrichtest, ich bin sehr froh darüber.
Gruß Archimedes ...der mit den dankbaren Kreisen
__________________
gestörte Kreise

Geändert von Archimedes (02.10.2009 um 23:11 Uhr)
Archimedes ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.10.2009, 08:58   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Archimedes!

Ich bin kein "gelernter" Dichter. Ich schreibe nur nach Gefühl, und für ebendieses liest sich die von die bemängelte 1. Zeile in meiner Version besser. Nicht, dass ich es fundiert begründsen könnte, dazu fehlt mir das Fachwissen, aber deine Versionen erscheinen mir durchweg zu lang für den Sprachrhythmus des Gedichtes. Zu deiner Replik: Gefällt mir gut. Kritik folgt sofort:

So wie die Batterie den Geist aufgibt, Batterie: Ein sehr unlyrisches Wort. Passt gar nicht ins Bild. Zu technisch für dieses Thema!
wenn erste, kalte Nächte ihr die Kraft bestreiten,
so würde ich, wenn einmal mir's beliebt,
einen strahlenden Herbsttagsabschied selbst bereiten: Grammatik! Jetzt aber Zeile zu lang!

Der Himmel blaugetönt, am Horizont
schwingen sich Vögel auf für ihren Flug "sich schwingen...auf" Grausedeutsch! Klingt selbst im Gedicht verdreht.
nach Süden, schwenken nochmals sehr gekonnt,
Manöver übend, schnell im Winkelzug Klingt nach Militär. Sehr prosaisch! Wie wär's mit: Figuren ?

nah bei dem Wald, der sich herausgeputzt
mit sattem Gold und Rot, den Abschied feiernd.
Jetzt scheidend hätten wir es gut genutzt, "es"? Was "es"?
dann, wenn wir gehen, dieses sanft verschleiernd,

im Abendrot die volle Pracht genossen,
den letzten Schein des milden Tags geschaut, Kein Apostroph hier!
verschwänden wir, wie heimlich ausgegossen,
und wie der Ewigkeit im Herzen anvertraut. "als wenn" ist schon mal nicht gut! "gemeinsam stets wir anvertraut" - Wem? Wodurch? Die Phrase hängt zu sehr in der Luft.

Zwischen den kommentierten Zeilen aber: Wunderbare Phrasen, Bilder, Wendungen! Herrliche Sprachkunst, gernst gelesen! An deiner Stelle würde ich dies hier überarbeiten und als eigenständiges Gedicht in einem eigenen Thread publizieren!

LG, eKy


@ larin, cypi, norbert

Ja, der Titel - damit habe ich öfter mal "Probleme". Dieser hier sollte eigentlich eine Art Wortspiel sein. Vielleicht Geschmackssache.
Meine Tante ist letzten Monat verschieden, daher vielleicht dieses Gedicht.

Menschen stewrben eher im Herbst, weil man sich sagt: EINEN Sommer noch, dann lasse ich los! Den nächsten Winter schenkt man sich sozusagen gerne!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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