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Alt 23.05.2014, 14:45   #1
Mc Murphy
Neuer Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 22.05.2014
Beiträge: 9
Standard The End

The End

es war zu still im raum
so dass das klatschen
zwischen ihren schenkeln
wie ein falscher beat
zwischen den gesichtern klang
keine illusion parat

gesichter ohne namen
gesichter ohne vergangenheit
gesichter ohne moral

bea verzichtete auf schmerz
ihre träume blieben dort hängen
wo sich die erinnerung
in ein beharrliches blutiges nichts
verwandelte

zigarettenqualm tanzte rhythmisch
und fiel leblos neben die drinks
die musikbox versuchte
eine scheibe zu greifen
und scheiterte mit einem geräusch
des versagens
hunderte male
ewig

augenpaare ignorierten sich
herzen schlugen nicht
aus
angst vor entdeckung
die sonnenstrahlen
verfingen sich
an den klebrigen scheiben
und ließen das leben
nicht mehr herein

irgendwann wurde
das klatschende geräusch leiser
ruhiger
weniger
dann war es weg
man drehte sich an die theke
trank sein bier

irgendeiner spuckte
auf den boden
scheiße man,
das ist echt scheiße
die musikbox
erholte sich
und spielte
die wohl schlechteste
version von
the end
die ich je hörte
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Alt 23.05.2014, 21:50   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.909
Standard

Hallo Mc Murphy,

ich begrüße dich auf dem Gedichte-Eiland.
Du hast dich ja schon ein wenig eingerichtet, wie ich sehe.

"The End" - Ein Titel von den Doors 1967 und untrennbar mit dem Film "Apocalypse Now" von Francis Ford Coppola aus dem Jahre 1979 verbunden.
Der Titel hat mich also angelockt.

Dann wollen wir mal sehen, ob der Text auch hält, was der Titel verspricht.

Hier eine kurze Zusammenfassung des Inhalts:

Wir befinden uns in einer diffusen Kneipe, die eine unbekannte Frau betreten hat. Sie wird von den dort anwesenden Männern vergewaltigt, immer und immer wieder. Männer, deren Gesichter sie noch nie gesehen hat, die für sie keine Vergangenheit und keine Moral haben.
Bea, diese Frau wird von ihnen missbraucht, bis ihre Vagina blutig ist. Sie zeigt ihren Schmerz nicht, aber ihr Lebenstraum endet an dieser Stelle, denn sie ist am Verbluten.
Es ist eine verqualmte Atmosphäre dort und trotz Beas Zustand hören die Männer nicht auf und machen immer weiter. Der Tatort scheint an der Musikbox zu sein, die immer wieder eine Platte abspielen will, durch die Stöße aber daran gehindert wird und zwar mehrere hundert Male.
Die Täter schauen sich dabei nicht an und sind sich ihrer Tat durchaus bewusst, denn die Angst vor der Entdeckung ist ihnen anzusehen.
Durch die schmutzigen Scheiben kann man allerdings von außen nicht hereinschauen.
Noch immer missbrauchen sie ihren Körper, bis alle durch sind und die Stöße langsam aufhören.
Nach der Tat gehen sie zur Theke und trinken ihr Bier.
Außer einem Spucken und der Erkenntnis, dass dies echt Scheiße sei, gibt es keinerlei emotionale Regungen seitens der Täter.
Die Musikbox aber wird nicht mehr länger am Ausführen ihrer Funktion gehindert und spielt dazu "The End".

Ich finde, das ist ein sehr zynischer Text und zwar von der Sorte, die eher abstößt, als anspricht.

Eigentlich mag ich zynische Texte, z. B. im Stile von Charles Bukowski, aber das ist mir eine Spur zu krass. Das Fehlen jeglicher Emotionen, selbst des Schmerzes im Opfer lässt mich frösteln ob der Fantasie, die dahinter steckt.

Nun, wem's schmeckt. Mir jedenfalls nicht.

Irgendwie kommt mir der Stil bekannt vor.
Kennen wir uns vielleicht aus einem anderen Forum von früher?


Wenn ich jetzt meinen Standardspruch schriebe, "gerne gelesen und kommentiert", dann würde ich ehrlich gesagt lügen, also lasse ich es.

Ich habe kommentiert, das trifft es besser...


Liebe Grüße

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.05.2014, 10:47   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Mc Murphy!

Was mich hier eher erschreckte ist, dass der Erzähler selbst offensichtlich - wie im Schlusssatz erkennbar - dort anwesend war, die Tat augenscheinlich aber nicht zu verhindern versuchte. Womöglich hat er sich sogar daran beteiligt. Was also ist eine - wie poetisch auch immer gelungene - Beschreibung aus der Feder so eines Charakters wert? Was soll uns das sagen?
Hat einer, der so eine Tat bloß analytisch beobachtet wie ein innerlich unbeteiligter Beobachter oder Sachverständiger, oder einer, der sich an einer Vergewaltigung beteiligt und dann poetisch kritisch sein sollende Verse darüber schreibt, ein moralisches Anrecht, dies zu tun? Kann man den gesellschaftskritischen Vorwurf, die gewünschte Aussage des Gedichtes aus solch einer Feder respektieren? Will sagen - dieser letzte Satz: "...die ich je hörte.", dieses "ich" dort beraubt den ganzen Text seiner moralischen Glaubhaftigkeit, weil es den Erzähler zu einer moralisch höchst fragwürdigen Figur reduziert. Wer bei sowas nur zuschaut, ohne helfen zu wollen oder sich gar tätlich beteiligt, hat kein Recht, einer Leserschaft den moralischen Zeigefinger vor die Nase zu halten.
Soll der Text also wirken, rate ich dringenst, jenes "ich" zu entfernen, sodass nicht der Eindruck entsteht, der Erzähler wäre entweder genauso ein Arschloch wie die Täter oder zumindest schlicht zu feige, um dem Mädchen zu helfen!

Ein weiteres seltsam anmutendes Detail ist die Nennung des Namens des Mädchens, als würde dieser eine Rolle spielen. Soll dies ein sozialkritisches Gedicht sein, wäre es wirkungsvoller, das Opfer anonym zu belassen, sodass es potentiell für jede Frau stehen kann. Die Nennung des Namens generiert hier vielmehr wiederum den Eindruck, der Erzähler wäre enger in die Angelegenheit involviert, als er den Anschein erwecken möchte. Man fragt sich, woher er den Namen denn weiß. Das bringt uns wiederum zu einem moralisch höchst fragwürdigen Anspruch, als wäre dieser Text der klägliche Versuch eines Täters, seiner Tat zumindest als abschreckendes Beispiel noch eine Art tieferen Sinn und eine Rechtfertigung vor sich selbst und der Welt zu verleihen - ein eher abstoßend wirkendes Moment!
Auch den Namen des Opfers würde ich also streichen.

Dann kann man den Text eher nachvollziehen, vor allem im Lichte der jüngst bekannt gewordenen Massenvergewaltigungen, wie sie offenbar in Indien an der Tagesordnung sind.
Die menschenverachtende Herablassung einer bestimmten Sorte Männer wird hier recht anschaulich verdeutlicht, gerade auch durch die lapidare Erzählform scheinbar ohne jede emotionale Regung. Dass zumindest einer es hinterher auch noch "Scheiße findet", ist der absolute Gipfel der Entmenschlichung. Dieses Mädchen wurde also in absoluter Beiläufigkeit, quasi aus Langeweile, geschändet. Oder, anders gedeutet: Er findet die Tat zwar "Scheiße", macht aber mit und tut dies erst hinterher kund, als es ohnehin zu spät ist und keine Rolle mehr spielt. Sozialer Zwang und Feigheit? Oder nur Angst vor den möglichen Folgen? Auch in diesem Falle spielt das Opfer keine Rolle, nur das eigene Fortkommen ist Kern der Gedanken. Verrohte Egomanen, Soziopathen, Psychopathen - ich habe zu viele solcher Typen selbst kennengelernt, um hier behaupten zu können, dein Gedicht wäre realitätsfremd. In bestimmten Kreisen (Gangs, Jugendbanden, kriminelle Vereinigungen, Militärs in totalitären Regimen,...) ist so eine "Männerwelt" leider nur zu oft gang und gäbe.
Wer dazugehören will - und jeder will, denn wer nicht will, hat nichts zu lachen!!! - muss sich der Kälte dieser Welt anpassen, in der ein Menschenleben nichts zählt - und schon gar nicht das einer Frau! Solche Männer gibt es, jawohl - und wer von uns wäre mutig genug, angesichts so einer Szene einzuschreiten? Die Feigheit wollen wir dem Erzähler also nicht vorwerfen - wer in so einer Welt leben muss, wird sich im Zweifelsfalle genau so verhalten: Sich beteiligen, um keinen Verdacht zu erregen, er wäre irgendwie "anders" - oder zumindest nicht stören. Und sicherlich nicht die Polizei rufen, die würde - zumindest in gewissen Teilen der Welt - womöglich mitmachen...

Dennoch stört es hier die Wirkung des Textes, den Erzähler körperlich anwesend sein zu lassen und den irrelevanten Namen des Mächens zu nennen.

Rechtschreibung: Letzte Strophe, Zeile 3: "Scheiße, mann,..."

Im Gegensatz zu Faldi aber "gern gelesen".

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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