09.12.2015, 22:39 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Der Mund
Der Mund
Ich möchte dich für alle Zeiten vergessen und den Schmerz vermeiden, den deine Worte, deine Gesten mir jedes Mal erneut bereiten, wenn ich dich sehe, an dich denke, wenn mich die kleinsten Kleinigkeiten erinnern an die Lust und Freuden vergangener Glückseligkeiten. Vergessen will und muss ich alles. Obwohl Gefühle in mir streiten, erkennt mein Geist in aller Klarheit: Wir werden voneinander scheiden. Mein Mund spricht leise: "Komm zurück und sei das Ende meiner Leiden!"
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller Geändert von Thomas (11.12.2015 um 12:35 Uhr) |
10.12.2015, 08:41 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Thomas,
ein wunderschönes Gedicht! Ich will es gar nicht zerreden oder zerdenken, es liest sich wie eben so gefühlt. Sehr sehr gerne gelesen! Gruß, Laie |
10.12.2015, 19:22 | #3 | |
Slawische Seele
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Lieber Thomas,
sehr schön und so unendlich vertraut. (Mir fielen meine einstigen "Liebeskümmernisse" ein und sehr viele andere von Freundinnen und den eigenen Kindern. Vor allem der Umgang damit einst und heute.) Eines aber bleibt unveränderlich: Der Streit der Gefühle. Diese Strophen haben mir besonders gut gefallen. Hier aber eine Kleinigkeit: Zitat:
In meinen Ohren klingt das ein wenig schwach. Eher: "Wir werden bald (heut) für immer scheiden." Vielleicht nur eine "Geschmacksfrage". Gern gelesen und kommentiert, liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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10.12.2015, 20:08 | #4 |
Lyrische Emotion
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Moin Thomas,
ich lese nur noch Ghasele momentan, die scheinen ja ganz schön inspirierend gewirkt zu haben. Auch wenn du hier und da mit den reimen "eiden/eiten" vom üblichen Schema abweichst, ist es m. E. doch ein Ghasel und zwar ein ziemlich gelungenes. Im Gegensatz zu Dana erkenne ich hier aber doch die bevorstehende Scheidung, in die der Protagonist zwar wohl eingewilligt, mit der er sich aber eben doch noch nicht abgefunden hat. Und so verstehe ich auch die letzten beiden Zeilen als Bestätigung meiner Interpretation. Also mir gefällt das sehr gut so. In diesem Sinne gern gelesen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
10.12.2015, 21:16 | #5 |
TENEBRAE
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Hi, Thomas!
Schön gedichtet, dein Ghasel. Interessant - ich habe neulich ein Gedicht mit demselben Thema geschrieben, allerdings mit anderem Titel, weil der Text verschlüsselt war. Was mich einzig stört (neben der Kleinigkeit der leichten Unreinheit der Reime in Z2, 12 und 14, nämlich "d" zu "t") ist die bereits angesprochene Zeile: "Wir werden uns für immer scheiden." Normal wäre entweder: "Wir werden uns für immer scheiden lassen." oder: "Wir werden für immer (voneinander) scheiden." - also ohne das "uns". Ich bezweifle, ob deine Version überhaupt so angewendet werden kann - lyrisch wirkt sie jedenfalls in keinem Falle! Am besten wären hier wohl diese Versionen: Entweder "Wir lassen uns für immer scheiden." oder - lyrischer: "Wir werden voneinander scheiden." Wenn du mich fragst - ich präferiere die letztere Variante. Sehr gern gelesen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
10.12.2015, 22:18 | #6 | |
ADäquat
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Hallo Thomas,
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Geändert von Chavali (10.12.2015 um 22:20 Uhr) Grund: Tppfhlr ;-)) |
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11.12.2015, 11:46 | #7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Ihr Lieben,
ich kann erst jetzt antworten. Es freut mich, dass das Gedicht gefällt. Besonders danke ich Erich für seinen Verbesserungsvorschlag ("Wir werden voneinander scheiden."), den ich gerne übernehmen werde. Die Zeile ist ja mehreren von euch aufgefallen. Falderwalds Hinweis auf die unreinen Reime spricht einen Punkt an, über den das Nachzudenken lohnt. Ich persönlich bin der Meinung, dass im Ghasel durchaus unreine Reime passen, u. A. weil es im Deutschen viel weniger reine Reimworte gibt, als in den aus Sprachen, aus denen diese Form stammt. Es ist aber auch ein wenig Geschmackssache. Mich persönlich stören z.B. unreine Reime wenig, wenn die Konsonanten betroffen sind, während mich oft der Reim eines kurzen Vokals auf einen langen stört, wie das bei der "Wahl" der "Fall" ist. Ich habe vor einigen Jahren Ghasele in persischer Sprache vorgetragen gehört, das klingt wunderbar lyrisch und fast wie gesungen. Es ist in der Tat eine inspirierende Form, welche der geniale Friedrich Rückert erstmals in den Garten der deutschen Poesie gepflanzt hat. Sie führt heute eher ein kümmerliches Dasein, weil Reime in der heute verlegten Lyrik "out" sind. Schade. Nochmals vielen Dank für die Ermutigung und liebe Grüße euch allen Thomas P.S.: Ich halte Lailanys "Ausweg" (bezüglich der Reime) für interessant, da diese durch Enjambements "abgemildert" werden. Normalerweise geht das Reimwort mit der Phrase einher - wie beim "closed couplet". Lailanys Ghasel hat mich auf die Idee gebracht, dass man in diese Richtung gehen könnte.
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller Geändert von Thomas (11.12.2015 um 11:48 Uhr) |
11.12.2015, 12:26 | #8 |
Kiwifrüchtchen
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Kia ora Thomas,
wie schön... der Ghaselvirus geht noch immer um! Das hatten wir Sommervögel uns erhofft, dass unsere Aufgaben eine Inspiration für andere sind und sie sich für verschiedene Strophenformen erwärmen können. Deines kommt leichtfüßig daher und gefällt mir vom Inhalt her sehr gut. Ein Thema, das die meisten unter uns sehr gut nachvollziehen können. Freut mich, dass du dich zu Enjambements entschlossen hast und auch du hast nur 2 zweisilbige Reimwörter verwendet. Beim Vergleichen all der jüngsten Ghaselen hier kam ich zur Ansicht, dass auch das Verwenden von mehrsilbigen Reimwörtern dem Leiern entgegenwirkt. Bewusst war mir das alles nicht, als ich meins geschrieben hab. Auf mein Bauchgefühl ist anscheinend Verlass. Zur schon diskutierten "Scheidungszeile" hätt ich noch einen weiteren Vorschlag anzubieten: Wir werden wohl für immer scheiden. Sehr gern gelesen und besenft. HG von Lai
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal Geändert von Lailany (11.12.2015 um 12:28 Uhr) |
11.12.2015, 12:39 | #9 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Liebe Lailany,
vielen Dank für die schöne Maori-Begrüßung und deine Anregungen. Das "voneinander" gefällt mir so gut, dass ich es verwenden möchte. Liebe Grüße Thomas
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
11.12.2015, 12:50 | #10 |
Gast
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inhaltlich schön geschrieben, lieber Thomas, obwohl mich die Reime mit t und d-Wechsel schon recht stören.Gerade weil der Anfang der Ghasele mit t ist (Zeiten) und darauf direkt ein vermeiDen folgt. Und das Ende dann doppelt mit Leiden und scheiden im Zeichen des D steht.
Ich denke, dass sich da noch auf D oder t was einheitlich reimen liesse... Wie sagte ein guter Freund immer bei meinen Schüttlereimen: "Die sind wie Käse, die musst du reifen lassen". LG von Agneta |
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