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Alt 02.09.2011, 20:36   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Wankelmut

Wie sind wir ewig hingegeben an das Vage,
das wir zum Ziel uns setzten vor der Zeit.
Erfahrung lehrte früh uns, dass die Tage
nicht Wahrheit weisen, nur Gelegenheit.

Wir haschen gierig nach den kleinen Chancen,
als glaubten wir nicht wirklich an ein Glück.
Wie Huren machen wir der Welt Avancen,
und geben so Verdientes nie zurück.

So leicht verraten wir, wonach wir streben,
und tun, als hätten wir es nie gewollt,
wenn jenes Ziel, für das wir grade leben,
dem Mut zu schwer wird und ihn überrollt.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 04.09.2011, 20:26   #2
Stimme der Zeit
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Standard

Hallo, Erich,

ja, die meisten Menschen sind sehr wankelmütig, ein treffender Titel. (Allerdings sprichst du mit einem sehr konsequenten, oft sogar "sturen" Exemplar. ) Wobei ich mit der von dir hier verdichteten Verhaltensweise öfter konfrontiert war, als mir (oder irgendjemandem) "lieb" sein konnte ...

Zitat:
Wie sind wir ewig hingegeben an das Vage,
das wir zum Ziel uns setzten vor der Zeit.
Erfahrung lehrte früh uns, dass die Tage
nicht Wahrheit weisen, nur Gelegenheit.
Wie oben erwähnt, widerspreche ich dir. Meine persönlichen Ziele sind scharf umrissen und an der Wirklichkeit bzw. Erreichbarkeit orientiert. Leider kenne ich die "Gelegenheitshörigen" nur zu gut. Ich "ziele" nicht auf Gelegenheiten, aber ich ergreife sie beim Schopf, sollten sie sich unvorhergesehen bieten.

Zitat:
Wir haschen gierig nach den kleinen Chancen,
als glaubten wir nicht wirklich an ein Glück.
Wie Huren machen wir der Welt Avancen,
und geben so Verdientes nie zurück.
Ich glaube nicht an das Glück, denn es ist bestenfalls ein "kurzer Höhenflug der Gefühle", und so rasch vorbei, wie es kam. Wonach lohnt es sich zu streben? Nach Zufriedenheit, dem "kleinen Glück", das man, so man es möchte, jeden Tag genießen kann. Das hat nichts mit falscher Bescheidenheit oder Schicksalsergebung zu tun, sondern mit ruhiger Akzeptanz dessen, was man unmöglich ändern kann. Viele Menschen "verkaufen" sich, damit hast du recht. Sie nehmen, aber sie geben nicht. Eine erbärmliche Verhaltensweise. Wenn ich jammern und klagen wollte, könnte ich das tun. Ich habe mehr als genug zu essen; wenn ich den Wasserhahn aufdrehe, fließt unbegrenzt sauberes, kaltes oder heißes Wasser heraus. Meine Güte, ich spüle meine Toilette mit sauberem Trinkwasser! (Leider.) Ich habe eine Wohnung und sogar einen Computer. Elektrischer Strom sorgt für den Komfort einer Kühl-Gefrier-Kombination und im Winter, wenn es kalt ist, spendet die Heizung Wärme. Auch an Bekleidung mangelt es nicht. Wenn ich krank bin, kann ich zu einem Arzt gehen oder mich in einem Krankenhaus sogar operieren lassen. 2/3 der Menschheit hat das alles nicht, nicht einmal sauberes Wasser, und von der Dreckbrühe, die als Ersatz dienen muss, ebenfalls viel zu wenig. (Ich arbeite in einem Sozialunternehmen, akzeptiere den geringeren Verdienst, kaufe Second-Hand und besitze kein Auto - denn ich will und brauche keines. Ich gebe zurück ... )

Zitat:
So leicht verraten wir, wonach wir streben,
und tun, als hätten wir es nie gewollt,
wenn jenes Ziel, für das wir grade leben,
dem Mut zu schwer wird und ihn überrollt.
Die "Rückzieher-Mentalität" beim Auftreten der kleinsten Schwierigkeiten. 99 von 100 Menschen sind so. Sie können selbst die Möglichkeit eines Scheiterns oder Versagens nicht akzeptieren, daher verleugnen sie, je auch nur die Absicht gehegt zu haben. Vor allem belügen und überzeugen sie sich selbst ...

Ich sage mir: Hat nicht funktioniert. Also fange ich noch einmal von Vorne an. Wenn es sein muss, auch ein drittes Mal. Aufgeben ist nicht mein "Ding", und zu begangenen Fehlern stehe ich.

Formal ist es gut gelungen, meine Anerkennung, denn hier verzichtest du völlig auf Elisionen, ebenso ist die "Sprache" im Sinne des gewählten Vokabulars sehr schön passend zur Thematik.

Auch wenn ich die in diesem Werk vermittelte Ansicht (persönlich) nicht teilen kann, weiß ich sehr wohl um deren Existenz, daher:

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


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Alt 04.09.2011, 20:41   #3
Erich Kykal
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Hi, Stimme!

Nur um es richtigzustellen - ich vertrete hier keine Ansicht - ich prangere sie an!

Abgesehen davon hast du es richtig analysiert, und deiner Lebenseinstellung kann ich nur beipflichten.

Vielen Dank für deine ausführliche wie wohlwollende Bestandsaufnahme!

LG, eKy
__________________
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
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Alt 06.09.2011, 21:55   #4
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,
wohlwissend um die Traurigkeiten und die allzu menschliche Gier nach Gelegenheiten verstehend, habe ich die zweite Seite der Medaille Wankelmut betrachtet. Mir erscheint sie nicht ausschließlich negativ:


Doch umgekehrt, verdankt dem Wankelmut
verkanntes Glück, durch ihn, sein Überleben,
er ist ein Wächter mit dem Attribut,
der uns beschützt, bevor wir uns erheben

und fallen lassen, was uns angehört,
was wir vor lauter Zielen gar nicht wollten.
Es würd durch Bruder Übermut zerstört,
wenn Wankelräder nicht darüber rollten.

Drehe ich die Medaille wieder um, ergebe ich mich ganz der Aussage und dem lyrischen Wert deines Gedichtes.
Es prangert zwar an, aber es birgt Menschliches, allzu Menschliches und die beständige Realität, dass es immer so sein wird.
Schön, wenn ein guter Dichter es so anklingen lässt. Der Leser (und andere Dichter) werden vielleicht nachdenklicher.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 06.09.2011, 22:38   #5
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Das hast du schön gesagt mit deinem Antwortgedicht - natürlich hat alles mehrere Facetten! Wollte man alle behandeln, man würde sich am Ende des seitenlangen Gedichtes wohl gar nicht mehr auskennen!

Vielen Dank für deine Gedanken, die wie immer freundlich und interessant sind!

LG, eKy
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Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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