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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 11.02.2012, 19:36   #1
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 4.893
Standard Gebt acht....

Gebt acht, mit euren Worten
gebt gut acht!
Das Zeichen, das ihr über eurem Nächsten macht,
wird ihn, wer weiß, wohin,
wer weiß, wie lange führen.

Wisst ihr noch nichts
von jenen Kräften, die wir spüren?
Von allem, was uns aufhebt, niederdrückt,
von allem, was uns quält, was uns beglückt,
wie viel davon die Saat der andern war?

Denn offenbar
ist jeder von uns
Sämann und auch Feld,
wir ernten Undank oder Dank,
die ganze Welt
tauscht ihre Güte aus,
doch auch den Hass.
Gebt acht!

Ihr wisst ja nicht was euer Leben macht
und wie ein andrer daraus leiden mag.
Kein Tag
wird ohne Kampf und ohne Widerspruch vergeh’n,
wir nehmen Böses hin und Gutes
und wir säen,
und wissen’s nicht,
wie uns’re Spur den andern prägt.

Behüte Gott ein rechtes, starkes Herz,
dass es den Weg,
der ihm gegeben ist, auch finde.
Behüte Gott dein Wort, dass es die andern leite
ohne Eigensinn,
verbinde
die guten Äcker dieser Welt,
dass unser Leben
denen nach uns
nicht zur Mistel wird.
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!

Geändert von a.c.larin (01.05.2012 um 07:23 Uhr)
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Alt 21.03.2012, 10:18   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, larin!

Gut geschrieben, nur die letzte Strophe ist mir zu pathetisch und zu religiös. Sie folgt auch nicht dem Schema des strophenübergreifenden Reimes, wirkt dadurch irgendwie nachträglich drangesetzt, wie auf Geheiß der heiligen Inquisition!

Ein schöner Aufruf an mehr menschliche Mitverantwortung und gereifter Überlegung bezüglich des eigenen Tuns. Das käme für mich gut ohne den süßlich-bigotten Nachhall der Händefalter-Fraktion aus! (Sorry, sollte ich dir damit zu nahe getreten sein, aber Menschenliebe kann man, so sehe ich es, auch ohne "göttliche Gebote aus Menschenhand" im Nacken empfinden...)

Bis auf die letzte Strophe sehr gern gelesen.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (21.03.2012 um 10:23 Uhr)
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Alt 21.03.2012, 11:09   #3
fee
asphaltwaldwesen
 
Registriert seit: 31.03.2009
Ort: österreich
Beiträge: 961
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ich hab das gar nicht so religiös empfunden wie erich, liebe larin.

gott bewahre sagt man ja auch, ohne ihn damit tatsächlich zu meinen. (es lebe der unachtsame sprachgebrauch im vergleich zu dem, was wir eigentlich sagen wollen ).

dafür haut mich die letzte strophe am schluss raus. da will sich der letzte satz nicht so recht ausklingend hören lassen. eher wie ein interruptus. kann ev. dran liegen, dass ich in der vorletzten zeile metrisch stolpere - "denen nach uns" fällt nämlich aus dem rahmen da. ist aber nur eine kleinigkeit.

der inhalt dafür ist starker tobak. und ich wüsste jetzt auch nicht, wie man eine botschaft von solchem gewicht weniger "imperativ" rüberbringen könnte, ohne dabei unglaubwürdig zu werden.

der text handelt vom zerbrechen oder gebrochen-werden. etwas, das immer zwei seiten braucht, um zu passieren. etwas, bei dem es schwierig ist, die grenze der "verantwortlichkeiten" zu ziehen, da sie immer und überall anders aussehen wird.

wenn man an etwas zerbricht, spielen da mehrere faktoren mit. das seifenblasen-thema zum beispiel (um bei deinen aktuellen gedichten zu bleiben) UND die momentane verfassung UND die bereits zurückgelegte wegstrecke in die vermeintliche irre etc. etc.

und wo kann man mit sicherheit die richtige wahl zwischen beharren, sich nicht verformen und im richtigen moment nachgeben treffen? sähe man das immer auf anhieb - es würde alle oberflächlichkeit der welt an einem als solche erkannt abprallen. man würde sich nur noch nehmen, was tatsächlich für einen das richtige ist.

frankl sagt "das ICH wird immer erst am DU". davon schreibst du hier. und es impliziert, dass es viele ichs gibt. nicht eins, das stets situations- und dem gegenüber angemessen ist. alles sein ist also ein sich äußern und der widerhall, den man damit erzeugt. er ist das außenbild, das spiegelbild, das aus den fremden augen auf uns zurückgeworfen wird.

Zitat:
[wir]...wissen’s nicht,
wie uns’re Spur den andern prägt.
ich denke, das ist auch gut so. sich der verantwortung bewusst zu sein, dass man mit seinem echo-geben ein gegenüber mit-formt, schadet sicherlich nicht. ich behaupte aber, dass die wenigsten sich darüber schon mal den kopf zerbrochen haben (außer sie sind jetzt in sozialen berufen tätig) und wenn, dann sicherlich nur selten (wenn akut) in der tiefe.

ein zuviel an solcher bewusstheit würde doch auch allzu leicht unfrei machen, wenn es um die eigenen entscheidungen geht. die gefahr dazu bestünde jedenfalls. oder?

das rechte maß also ist hier thema. wie ich es lese und empfinde, auch ein bewussterer umgang in diesem pendeln zwischen den polen des säens und des beackert-werdens. sich als ICH treu zu bleiben und dennoch auch einem gegenüber zu ermöglichen, das ebenso tun zu können - sozusagen TROTZ interaktion - die schwierigste aller übungen überhaupt. denn man ist nur ICH durch andere. auf sich selbst zurückgeworfen - was ist man da noch? tonlos verpuffter hall im luftleeren raum?

das "rechte, starke herz" - wird es nicht auch gerade durch dieses sich-bewähren-müssen geformt?


so. ich hör jetzt auf. du siehst - dein text stößt unendlich vieles an in mir.
"gern gelesen" brauch ich jetzt wohl nicht noch extra hinzufügen.


ich glaube "den weg" gibt es nicht, der gefunden werden muss. er muss gegangen werden und er ist da. jetzt und hier. in jedem augenblick.


liebe nachdenkliche grüße,

fee
__________________
"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan
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Alt 22.03.2012, 15:28   #4
wüstenvogel
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Standard Gebt acht ...

Liebe larin,

ein Gedicht, das sehr zum Nachdenken anregt.

Auf die Worte achtgeben, ja, das ist richtig,
aber noch mehr auf sich und die anderen,
nicht nur mit Worten - sich einfühlen, aber dann wieder zu den Worten zurückkehren und Gefühle ausdrücken, beschreiben.
Sie sind es, die am Ende bleiben.

Welche Kräfte sind es, die uns leiten? Was treibt uns an?
Lassen wir uns (von anderen) (ver-)führen oder schaffen wir es,
uns selbst auf unseren eigenen Wege zu machen?

Toll, dass dein Gedichte so viele Fragen aufwirft, so viele Gedanken auslöst.

Mehr kann man von einem Gedicht nicht erwarten!

Viele liebe Grüße

wüstenvogel
wüstenvogel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.03.2012, 16:57   #5
a.c.larin
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hi erich,

wie fee es richtig sagt: "gottlob" , "gott bewahre", "grüß gott" ist eigentlich teil unserer alltagskultur - ohne irgendeinem fraktionszwang zu unterliegen.
auch "freundschaft" kann man ja völlig unpolitsch pflegen!

nachträglich drangesetzt ist hier eigentlich gar nichts.
ich habe obigen text vor sehr langer zeit geschrieben - kann also zu dessen entstehung nicht mehr viel sagen, außer, dass er damals so, wie er da steht, aus mir rausgeflossen ist......

das wort "gott" erzeugt bei manchen mitmenschen allergische zustände, ich weiß - da kann ich jetzt auch nix machen.
ich sage gott, so wie ich blume sage oder nachttischlampe - und da ich nahezu religionsfrei aufgewachsen bin, können da bei mir keinelei aversionen auftreten.

(irgendwann schrieb doch mal einer ein buch des titels "religionsverlust durch religiöse erziehung"? irgendwie logisch, wenn man bedenkt: ein übermaß an schweinefleisch kann einem auch den appetit darauf verderben! )



liebe fee,

wir sind leider gar nicht mehr so weit weg davon, "denen nach uns" nicht zur mistel zu werden!
wir wirken nicht nur in der gegenwart auf einander ein, sondern vergangenes wirkt auch auf künftiges - alles ist mit allem verbunden.

in einer globaliserten welt wird das nur allzu deutlich.
das macht es uns derzeit auch so schwer, lösungen zu finden - denn vernetzt zu denken, das haben wir noch nicht so recht gelernt.

und die fähgkeit, über den eigenen suppenrand hinauszublicken, dazu gehört schon einiges.

ja, das Ich eines menschen entwickelt sich immer über ein Du.
ohne soziale kontakte gehen wir zugrunde. ( da gabs ja mal so ein experiment mit neugeborenen). unser säugetiergehirn ist auf ein du ausgerichtet.

und zwar so sehr, dass möglicherweise auch der gottesgedanke nichts anderes ist, als eine art und weise, sich ein großes du im kosmos zu imaginieren. wenns also keinen gott gibt, so wäre er - zumindest von der ideee her - klug erfunden. was menschen sonst noch damit treiben, steht auf einem anderen papier.
das ist aber mit allen unseren erfindungen so. ob ehe und familie, der staat, das rechtssystem oder auch nur die automobilindustrie: alle unserer "erfindungen haben nachweislich auch eine kehrseite!

es ist also immer schadensbegrenzung gefragt!
gebt acht mit euren worten, gebt gut acht....

und auch dieses pendeln zwischen polen kann ich so wahrnehmen:
freiheit und beschränkung der freiheit, idividuelles und gemeinsames, zügiges voranschreiten und konservierendes bewahren, oder - um mal wieder einen uralten hut hervorzuzaubern:"alte" lyrik und "neue lyrik".

letztlich hat keiner die wahrheit "mit dem löffel gefressen"!

der "weg" ist , wenn schon einer, so einer durch "learning by doing",
denn wir wissen ja nicht , "wem die stunde schlägt" oder "was das nächste ufer bringt".
nein , manchmal stimmt das schon sehr, denn "sie wissen gar nicht, was sie tun".



hallo wüstenvogel,
ich sehe, dass du, als wanderer durch einsame regionen, es gewohnt bist, die in die stille hineingeworfenen fragen auszuhalten!
und es sind ja immer die (richtigen) fragen, die uns weiterbringen - und gar nicht so sehr die antworten.

genau das ist es wohl, was achtsamkeit indiziert: sich selber die richtigen fragen stellen zu können - und dann den "eigensinn" in den dienst einer gemeinsamen sache zu stellen!



liebe grüße an die philosophenrunde,
larin
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Geändert von a.c.larin (28.03.2012 um 17:04 Uhr)
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.03.2012, 16:37   #6
Thomas
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Liebe Larin,

dein 'Gebt acht' gefällt mir in Inhalt und Form sehr gut und es hat mich daran erinnert, dass ich zu einem anderen Gedicht von dir (Nachtregen) noch nichts gesagt habe, welches ganz ausgezeichnet ist. Nur ein paar Kleinigkeiten: Muss es nicht 'Äcker' heißen, wegen dem 'die' davor? Und 'wie viel' wird glaube ich neuerdings 'aus ein ander' geschrieben. Die vorletzte Zeile der 3. Strophe könnte man vielleicht mit 'so' statt 'und' beginnen, dann bekäme die erstes Silbe etwas mehr Ton und die ganz Zeile (passend zu der Warnung 'gebt acht') etwas mehr Gewicht. Schließlich wäre in der letzten Strophe 'Behüte Gott dein Wort' direkter, aber vermutlich willst du dem Leser nicht zu sehr auf die Pelle rücken. Das alles sind nur Kleinigkeiten. Ein sehr gutes und zum Nachdenken anregendes Gedicht ist dir da gelungen. Sehr schön!

Liebe Grüße
Thomas
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.05.2012, 07:21   #7
a.c.larin
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lieber thomas -
ups, da ist mir ja glatt deine antwort entschlüpft!

mein kompliment - du bist der erste , der mich auf "die äcker" hinweist -
hab jetzt nachgebessert. auch mit dem "wie viel" liegst du (nach neuer rechtschreibung) richtig.

als ich das gedicht schreib, war die schreibweise noch eine andere - deshalb ist es mir beim einstellen gar nicht aufgefallen.

das "so" gefällt mir weniger - ich nehem statt dessen ein "doch" ( mit beistrich davor).
nach längerem überlegen gefällt mir nun auch das "dein" in der letzten strophe.

danke für deine vielfältigen überlegungen und anregungen zum thema1

lg, larin
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a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
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