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Ausflug in die Natur Natur- und Tiergedichte

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Alt 24.11.2014, 18:45   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
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Standard Im Obstgarten

Der alte Baum lässt neue Früchte reifen -
wie ungezählte Jahre schon zuvor
verleitet er mit prächtigem Dekor
Vorübergehende, danach zu greifen,

vertrauensvoll die süße Last zu schmecken,
die er sich lautlos dienend auferlegt,
und, wo der Wind die späten Blätter regt,
den Leib begehrlich nach dem Preis zu recken,

der jenen winkt, die seiner Mühsal danken,
indem sie würdigen, was ihm gelingt:
Er wuchs empor, wo rings die Jahre sanken,

vollbringt sein Werk, bekräftigt sein Bestehen,
und lehrt den Wind, der in den Ästen singt,
das alte Lied vom Werden und Vergehen.


Inspiriert von Rilke: "Der Apfelgarten" (Borgeby-Gard)
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (26.11.2014 um 17:49 Uhr)
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Alt 24.11.2014, 22:50   #2
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
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Standard

Kia ora, Eky
Ein weiteres wunderbar poesievolles Werk, das mich auf ganz seltsame Weise sehr berührt hat. Führt es doch einmal mehr vor Augen, wie sehr wir so vieles als gegeben hinnehmen, verlernt (oder nie gelernt) haben, es gebührlich zu schätzen.
In meinem Garten hab ich solch einen alten Baum, der sich biegt unter der Last seiner Orangen. Seit 2 Monaten schon kaufe ich keine Fruchtsäfte, sondern trinke ausschließlich frisch gepressten Orangensaft.
Wenn ich morgen meinen Korb wieder auffülle, werde ich an dein Werk denken und meinem alten Haudegen ein stilles Danke sagen.

Sehr gern gelesen und meine Gedanken hierzu dagelassen.

HG von Lai
__________________
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"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

Geändert von Lailany (24.11.2014 um 22:54 Uhr)
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Alt 25.11.2014, 09:17   #3
Sanssouci
Flötist
 
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Hallo Erich Kykal!

Einen schmackhaften Obstgarten (-baum), den du hier zeichnest.
Rilkes Apfelgarten hab ich mir auch angeschaut.
Ist es auch bei dir ein Apfelbaum?
Die Rilke-Inspiration hat offensichtlich Früchte getragen.
Aus vier Strophen bei Rilke hast du ein lesenswertes Sonett gezaubert.

@ Lailany: Deinen frisch gepresster Orangensaft hätt' ich auch gern mal probiert!

Grüße von Sanssouci
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Alt 25.11.2014, 15:27   #4
juli
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Standard Hallo eKy :)

Wunderbare Poesie
Bei mir im Garten steht ein Apfelbaum, ein Augustapfel. Der schmeckt als Apfelmus besonders gut, weil er leicht säuerlich ist. Nun ja, Geschmacksache, ich finde ihn jedenfalls sehr lecker. Dein Sonett vom Wachsen und Vergehen gefällt mir. Es ist doch so, dass ich manchmal im Alltag vergesse wie wunderbar die Natur ist. Dein Gedicht erinnert an die Einmaligkeit unserer Schöpfung.

Sehr gerne gelesen und mir läuft die Spucke im Mund zusammen: Lecker!

Liebe Grüße sy
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Alt 25.11.2014, 17:40   #5
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,

weißt du, wie ich inzwischen an deine "Neuen" 'rangehe? Ich freue mich einfach darauf, weil ich weiß, dass sie gut sind.

Ein sehr schönes Sonett, das dem Leser nicht ausschließlich in Bildern anspricht, sondern auch Erinnerungen wachruft - zumindest bei alten Dorfkindern.

(Liebe Lai, mein Apfelbaum war wunderschön. Er verschenkte sich jedes Jahr. Doch als ich die erste Apfelsine zu fassen bekam (sehr spät), beneidete ich alle Kinder südlich meiner Heimat. Meine angebrachte Dankbarkeit war mir damals noch nicht bewusst, aber ich fragte mich, ob jene Kinder sich ihres Glücks bewusst wären. Äppel hatte ja jeder.)

@eKy
Ich erinnere den Umgang mit Äpfeln. Die heruntergefallenen waren die süßesten und wir Kinder bestätigten das. Wir merkten nicht, dass es auch eine "Erziehungsmethode" gewesen ist. Die schlechten in Kröpchen, die guten ins Körbchen.
Die wurmstichigen waren die allersüßesten. Da wurde nicht herausgeschnitten, sondern drumherum gebissen und dann die Made beobachtet.
(Na ja, vielleicht bin ich das älteste Dorfkind.)

Die Smybolik deiner Poesie spricht für sich und gut an.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 25.11.2014, 18:34   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Lai!

Eine schöne Parallele, dein wackerer Orangenbaum! Dass die nördlich der Alpen die Winter überstehen, erstaunt mich!
Aus meiner Kindheit stehen mir am intensivsten die Kirsch- und Pflaumenbäume beim Bauern nebenan vor Augen - ich bin nämlich ein Hybridkind: Teils in der Stadt, teils am Land aufgewachsen - in beidem bewandert, nirgendwo wirklich "daheim".

Hi, Sanssouci!

Ich versuchte beim Schreiben an keine Frucht im Speziellen zu denken. Bei Rilke war es Apfel, in meiner Kindheit Kirschen und Zwetschken, bei Lai zB eine Orange - da hat wohl jeder seine eigenen Erinnerungen!

Hi, Sy!

Das "Werden und Vergehen" ist ja doppeldeutig interpretierbar: einerseits das offensichtliche Werden und Vergehen der Baumfrüchte, auf der Metaebene das Werden und Vergehen allen Lebens an sich.

Hi, Dana!

Ich war zwar auch ein (Teilzeit-)Landkind, aber ich konnte mich nie überwinden, Bodenäpfel oder gar wurmstichige zu essen. Mein bevorzugter Apfel ist übrigens der "Granny Smith" - ich mag das saure, bissfest-knackige Fruchtfleisch!
Ich denke auch gern noch (neben dem Pilzesammeln) an unsere Sammelorgien in den Wäldern: Walderdbeeren, und vor allem Heidelbeeren, aus denen Mutter ein unvergleichliches Omelett zu zaubern wusste:

Die Heidelbeeren kommen direkt in den Omelettteig. Nach dem Herausbrutzeln des Omeletts kommt es auf den Teller. Eine Hälfte wird fingerdick mit Sauerrahm bestrichen und mit Zimtpulver bestreut. Die andere Hälfte wird sodann drübergeklappt, und oben kommen noch mal Sauerrahm und Zimt drauf, zuletzt noch ein wenig Staubzucker, wenn man das mag. Das ist heiß köstlich, kalt genossen aber fast noch besser! Ein Traum!


Wer das Rilkegedicht gelesen hat, weiß natürlich, dass mein Werkeln nicht mal in die Nähe seiner Tiefe und Sprachgewalt findet, aber ich wollte euch meine Inspiration nicht vorenthalten!
Vielen Dank für eure freundlichen Beiträge! Na dann ran ans Obst!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 07.12.2014, 13:36   #7
Zaubersee
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Hallo Erich,

ich schleiche schon eine ganze Weile um dieses Sonett;
es ist einfach wunderbar!

Nicht nur, die Bilder die ich mir mit dem Lesen vor Augen führen kann, vor allem das Gefühl, das erzeugt wird und weit in die Vorstellungskraft hineinwirkt und etwas zum Klingen bringt.

Zitat:
die er sich lautlos dienend auferlegt,
lässt das Wachsen der Früchte fast im Zeitlupentempo verfolgen: vom Entfalten der Blüte, ihrem Welken und dem Schwellen der Frucht in ihr, bis zur endgültigen Reife und Schwere.


Zitat:
den Leib begehrlich nach dem Preis zu recken,

der jenen winkt, die seiner Mühsal danken,
Diesen Übergang von S2 zur S3 finde ich sehr gelungen

Zitat:
Er wuchs empor, wo rings die Jahre sanken,
das ist traumhaft ausgedrückt … und lässt wieder viele Bilder und "Klänge" entstehen.

Zitat:
und lehrt den Wind, der in den Ästen singt,
das alte Lied vom Werden und Vergehen.
… ein toller, würdevoller Abschluss Deines Sonettes.

Bewundernde Grüße

Zaubersee
Zaubersee ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.12.2014, 14:41   #8
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Zaubersee!

Vielen Dank für deine lobenden Worte!

Du solltest allerdings das Gedicht von Rilke lesen, das mich inspiriert hat, dann merkst du, wie weit ich von diesem Vorbild entfernt bin:

Der Apfelgarten

Borgeby-Gård

Komm gleich nach dem Sonnenuntergange,
sieh das Abendgrün des Rasengrunds;
ist es nicht, als hätten wir es lange
angesammelt und erspart in uns,

um es jetzt aus Fühlen und Erinnern,
neuer Hoffnung, halbvergessnem Freun,
noch vermischt mit Dunkel aus dem Innern,
in Gedanken vor uns hinzustreun

unter Bäume wie von Dürer, die
das Gewicht von hundert Arbeitstagen
in den überfüllten Früchten tragen,
dienend, voll Geduld, versuchend, wie

das, was alle Maße übersteigt,
noch zu heben ist und hinzugeben,
wenn man willig, durch ein langes Leben
nur das Eine will und wächst und schweigt.



Wunderschön, nicht wahr?

LG, eKy
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Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 09.12.2014, 09:51   #9
Zaubersee
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Hallo Erich,

da Rilke auch einer meiner Lieblingsdichter ist, mir ziemlich mit der Liebtste von allen, rennst Du bei mir natürlich offene Türen ein.Allerdings kannte ich den Apfelgarten nicht, der aber, wie Du schon sagtest wundersschön ist ... zum Seufzen ... meine Lieblingsgedichte von ihm sind: Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen ... , Der Panther, Das Rosen Innere, und eines seiner Herbstgedichte: Herbst und natürlich noch viele viele mehr, auf You Tube gibt es ganz wundervolle Vertonungen ... aber meine Lieblingsgedichte von ihm kann ich auswendig und wenn ich spazieren gehe, in einem unserer schönen Wälder, dann sage ich sie und es ist die reinste Meditation!
Aber Dein Gedicht hat auch etwas in mir zum Klingen gebracht, Rilke hin oder her, da vergleiche ich nicht ;-)

Liebe Grüße

Zaubersee

Geändert von Zaubersee (09.12.2014 um 11:00 Uhr) Grund: hatte wo ein "n" zuviel ...
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Alt 09.12.2014, 10:01   #10
Chavali
ADäquat
 
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Servus Erich,

nun, allzuweit bist du nicht mehr entfernt von Rilkes Genie

Nein, im Ernst, dein Obstgarten ist dir wunderbar gelungen! Da kann ich mich nur noch in die Lobe meiner
Vorschreiber einreihen.

Am besten gefällt mir das zweite Terzett
Zitat:
vollbringt sein Werk, bekräftigt sein Bestehen,
und lehrt den Wind, der in den Ästen singt,
das alte Lied vom Werden und Vergehen.
Wunderbar - wie auch alle anderen Zeilen!

Lieben Gruß,
Chavali
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© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

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