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Der Tag beginnt mit Spaß Humor und Übermut

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Alt 17.01.2012, 20:06   #1
Stimme der Zeit
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Standard Reim im Trend!

.
Reim im Trend!

Dichter und Denker, die Gegenwart schickt euch allmählich zum Henker.
Trendige Worte, computergepixelt, simpel zu schreiben,
graphisch geformt, rhetorisch genormt, mit Neonbeleuchtung.
Kurze Konstrukte, erbaulich verfasst für Waschmittelwerbung.
Seifenschaumreime aus schillernden Blasen, heute geschrieben,
morgen vergessen, Konsumgeblubber - so macht man Moneten.
Dichter sind Anachronismen aus längst vergangenen Zeiten,
nichts als Verrückte und Spinner; wer möchte den Pathos noch lesen?
Unzeitgemäße Worte, da wäre ein Lexikon nötig!
Schreibt doch verständlich: Wo's reimt, da ist hinten! Das geht doch so einfach,
praktisch, quadratisch und gut, dann werden wir's gern konsumieren.
Bildzeitungslyrik, schön seicht, denn Lightkost ist leichter verdaulich
und so erbaulich, wer will beim Lesen schon denken? Bloß Dichter.
Antiquitäten in Bücherregalen, die stehen zu Hause,
als der Beweis, wie gebildet die Leute doch sind; nur gelesen
werden sie nicht, denn zum Bilden genügt ein Kasten mit Ecken.
Schnell mal gezählt: Auch dieser hat vier. Und der Inhalt ist bunter!
Wichtig sind Brot und Spiele, Seifenopern und Kekse,
geistiges Popcorn erfolgreicher Schreiber, schön zum Verstehen.
Dichter und Denker, wollt ihr denn niemals die Wahrheit begreifen,
trennt euch doch endlich von lyrischem Schwulst und Schmalz, die euch hindern,
schreibt doch gescheit! Serviert rasch zwei Verschen als leckeres Häppchen
in den Reklamepausen, verkauft doch Cremes an ti Falten,
Zahnpasta oder Kleinkinderquark in quietschbunten Bechern!
Ja! Das bezahlt man sehr gerne, ihr werdet berühmt und gefeiert,
glaubt es nur, Dichter! Vor allem: Es reichen ein Reim und zwei Zeilen.
.
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


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Alt 17.01.2012, 22:52   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Standard

Hi Stimme,

gut geübt und gelungen würde ich mal sagen.

Stimmes Hexameterzeilen erklingen im frischen Gewande;
zeitlos schön verbinden sich dort in Silben und Worten
Verse zu einem Gedicht, das heutzutage im Lande
alter Dichtkunst leider sich nur noch an wenigen Orten
wieder finden lässt; das gereichet den Dichtern zur Schande.

Meine gedichteten Zeilen vermögen das nicht herzugeben,
ganz egal, ja was ich auch schreibe, metrisches Reimen
sprudelt aus meinen Gedanken wie ein einziges Streben.
Manchmal aber wollen die Verse sich ganz im Geheimen
wie von selbst hexametrisch stilvoll und klassich erheben.

So, zu mehr hatte ich jetzt keine Lust...

Aber generell gilt: Die Dichtkunst ist eine brotlose Kunst.
Was willste machen?

Weitermachen, gelle?

Kleine Mäkelei:

An der Stelle wirst du sicherlich selbst schon geknackt haben:

"als der Beweis" ist nicht wirklich schön. Es geht, aber richtig wäre "als Beweis", was aber hier nicht passt.

Vorschlag:

Antiquitäten in Bücherregalen, die stehen zu Hause,
so zum Beweis, wie gebildet die Leute doch sind;

Das klingt sogar noch "schnippischer" und würde durchaus zur spöttelnden Ironie in diesem Text passen.

Die Zeilen lesen sich gut und das Thema ist interessant aufgebaut.

So viel erst einmal von mir, vielleicht später mehr.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 18.01.2012, 10:28   #3
fee
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hexameter! ah ja, liebe stimme...

da bin ich aus latein-schulzeiten dermaßen "traumatisiert", dass als erstes immer das bild meine latein-lehrers zur melodie auftaucht, wie er uns - in der vierten (in deutschland die achte?) heillos zu früh und auf unvorbereitetem "boden" - damit überforderte und wir hilflos kichernd wegen seines sing-sangs und gefuchtels am liebsten unter den bänken verschwunden wären...(der fand das nämlich nicht so witzig wie wir).

"aurea prima satast..., daDAdadaDada" usw. usf.
so brüllte er das. dazu stocherte er noch mit dem zeigefinger in der luft, um uns die betonung irgendwie nahezubringen. er wirkte dabei reichlich verzweifelt - was die sache für uns nur schlimmer machte. (hätte er uns den sinn der betonung oder deren aufbau erklärt, tja... aber da meinte er wohl, uns zu überfordern. oder so)

inzwischen geht es bei mir einigermaßen. ganz weg kriege ich das allerdings nie. gut, dass dein text ja doch sehr schmunzellastig ist - da passte mein breites grinsen dann doch.

Zitat:
....wer möchte den Pathos noch lesen?
Unzeitgemäße Worte, da wäre ein Lexikon nötig!
daran bin ich besonders hängengeblieben, denn da steckt die antwort drin. so banal wie gewichtig zugleich. unzeitgemäße worte - noch dazu nicht mehr zum heutigen "tempo" passend. wir sind doch dermaßen beschleunigt, dass selbst bewusste entschleunigung nur noch in kleinen zeitfenstern stattfinden darf, ohne den anschluss zu verlieren. nur wenige können sich den luxus gönnen, zu lesen UND dem noch auf den grund zu gehen, was dahinter steckt. zu anstrengend ist das leben selbst, zu sehr wird uns effektivität an allen ecken und enden als das einzig wahre suggeriert. meist muss erst ein burn-out her oder eine depression (schon bei schulkindern!) her, um zum entschleunigen zu zwingen. und dann unter dem stempel des "kaputt-seins". so weit ist unsere gesellschaft gekommen, wenn mans genau nimmt.

und dann besitzen diese dichter die frechheit und schreiben textlein, die nichtmal ganze bücher sind, behaupten auch noch, sie hätten daran ewig herumgefeilt und es wäre hochqualitativ. wo denn, bitte, sieht man das? bei viel arbeit muss doch auch viel ergebnis - mengenmessbar - abfallen, oder? ansonsten kann das doch nix.

ich denke, da liegt der schlüssel für das unverständnis und die annäherungsschwierigkeiten. wer oper oder eine symphonie hören will, geht ins konzerthaus. oder er tut es daheim in einer stillen stunde. ich behaupte - auch das tun nicht mehr viele. lyrik hingegen zu lesen - das klappt auch in der u-bahn. ist fast dasselbe wie die ohrstöpsel, die bei uns inzwischen menschen aller altersklassen auf der straße tragen. abtauchen mitten im alltag - ich bin da immer skeptisch, denn ich tu immer gerne das, was ich grade tue und vermische das nur ungern, weil dann m.E. keins von beidem wirklich bewusst getan wird.

auch da schleicht sich dieses konsumier-verhalten ein. egal, ob da jetzt klassik über die ohrstöpsel kommt oder was "leichtes". nur lyrik erlaubt das nicht. liest du lyrik - also jetzt ernsthafte mit substanz auch zwischen den zeilen und im handwerk - so wie du dir das leben rundum reinziehst, streifst du nicht mal ansatzweise das wesentliche - und hast danach logischerweise ein unbefriedigtes, leeres gefühl. fühlt sich nach betrug an, nach nepp. das solls jetzt gewesen sein? ok, was gelesen, grad mal ein paar zeilen lang, schöne worte dazwischen, aber irgendwie auf den ersten blick nicht grad sinnvoll... und bei klassischer lyrik fängt mancher dann gar nicht erst an: das sieht schon aufwändig aus, ist lang, viel, kommt geschraubt daher - der reinste hirnwindungsverknoter! nee, dann doch lieber was von starbucks zum mitnehmen.

kein wunder also, wenn auch die massen-lyrik als "produkt" da entsteht und sich den umständen anpasst. ich denke, diese lyrik-to-go, die einen großen anteil in internet-foren ausmacht, ist ein zeichen der heutigen zeit. und wird später auch mal in ein paar hundert jahren als kunstgeschichtliches phänomen genau DAS abbilden. die gehaltvolle lyrik daneben wird deshalb nicht untergehen - so wie in der bildnerischen kunst zu beginn des 20. jahrhunderts, als die fotografie die auftragsmalerei ablöste und somit die maler ihrer eigentlichen bestimmung "beraubte", passiert jetzt mit der lyrik dasselbe. es bilden sich viele, viele eigene strömungen, stilrichtungen, ansichten... nebeneinander und kaum einzuordnen. zeichen der zeit.

auch das schreiben von lyrik wird zum teil ein to-go-dingens. weils gut aussieht, auch ein publikum findet und einen selbst für ein paar minütchen aus dem alltag erhebt. eigentlich nichts schlimmes. (daher regt mich diese art von lyrik auch nicht auf. ich muss mir die ja nicht nehmen.)

ich hab jedenfalls deinen text gerne und aufmerksam gelesen. wie du siehst, hat er einiges angestoßen, das ich hier (zum frühstücks-tee gemütlich an meinem kreativ-platz) genüsslich zeit habe, niederzuschreiben. auch, wenn ich für groß- und kleinschreibung zu faul bin... lol.


liebe grüße,

fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan

Geändert von fee (18.01.2012 um 10:35 Uhr)
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Alt 18.01.2012, 18:20   #4
Chavali
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Hallo liebe Stimme,


hui, sind das Antworten ^^
da traut man sich als Normalschreiber kaum unter die Vielschreiber

Hier werde ich angesichts der erschlagenden Tatsachen zum Wenigschreiber
und Ehrfürchtigleser....

Da ich aber nun das ganze Werbezeugs mehr überhöre und überlese,
kann ich mich nur an deiner Satire orientieren.
Damit will ich nicht sagen, dass ich noch nie was von
Zitat:
Zitat von Stimme
Kurze Konstrukte, erbaulich verfasst für Waschmittelwerbung.
Seifenschaumreime aus schillernden Blasen, heute geschrieben,
morgen vergessen, Konsumgeblubber -[...]

und

Zitat:
praktisch, quadratisch und gut, dann werden wir's gern konsumieren.
Bildzeitungslyrik, schön seicht, denn Lightkost ist leichter verdaulich
gehört hätte.

Aber das das so tief eingeht, dass man daraus einen Hexameter machen kann, schön satirisch,
da staune ich wirklich

Ok, vielleicht ist das auch nur Geblubber, was ich hier schrieb
Aber mehr fiel mir nicht ein, angesichts dieser tiefgründig-bissigen Megastrophe


Liebe Grüße,
Chavi
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 18.01.2012, 19:05   #5
Stimme der Zeit
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Hallo, Faldi,

Zitat:
gut geübt und gelungen würde ich mal sagen.
Ersteres ja, aber das zweite trifft (meines Erachtens nach) nicht ganz zu. Aber trotzdem vielen Dank.

Zitat:
Stimmes Hexameterzeilen erklingen im frischen Gewande;
zeitlos schön verbinden sich dort in Silben und Worten
Verse zu einem Gedicht, das heutzutage im Lande
alter Dichtkunst leider sich nur noch an wenigen Orten
wieder finden lässt; das gereichet den Dichtern zur Schande.

Meine gedichteten Zeilen vermögen das nicht herzugeben,
ganz egal, ja was ich auch schreibe, metrisches Reimen
sprudelt aus meinen Gedanken wie ein einziges Streben.
Manchmal aber wollen die Verse sich ganz im Geheimen
wie von selbst hexametrisch stilvoll und klassich erheben.
Ich weiß, natürlich. Das ist ein sehr elegant gewobenes Gedicht, mit dem ich keineswegs "mithalten" kann - das möchte ich auch gar nicht. Was bei dir sprudelt, muss ich mir mühsam erarbeiten. Jeder, wie er kann. Ich habe schon immer neidlos bewundert, wie du schreiben kannst.

Zitat:
So, zu mehr hatte ich jetzt keine Lust...
Schade, mir gefällt es sehr.

Zitat:
Aber generell gilt: Die Dichtkunst ist eine brotlose Kunst.
Was willste machen?

Weitermachen, gelle?
Ja, aber darum geht es im Gedicht nicht unbedingt, sondern mehr darum, dass man sich gut "vermarktet", um Reklamesprüche (nun ja - bei Millionen Zuschauern auch eine Art "Erfolg") und darum, dass man statt zu dichten mit kurzen Wortspielereien eben im "Trend" läge. Ist aber nicht so wichtig. Ich poste die meisten meiner Übungen nicht mehr und fasse mich in Kommentaren kürzer. Wer will's schon lesen, und so gut wie du (nein, keine Ironie ) bin ich noch lange nicht, vielleicht auch nie. Ich mache weiter, aber das meiste im "stillen Kämmerlein". Mich hat der Zug der Zeit überholt.

Zitat:
Kleine Mäkelei:

An der Stelle wirst du sicherlich selbst schon geknackt haben:

"als der Beweis" ist nicht wirklich schön. Es geht, aber richtig wäre "als Beweis", was aber hier nicht passt.

Vorschlag:

Antiquitäten in Bücherregalen, die stehen zu Hause,
so zum Beweis, wie gebildet die Leute doch sind;

Das klingt sogar noch "schnippischer" und würde durchaus zur spöttelnden Ironie in diesem Text passen.
So spöttelnd ist das gar nicht, lieber Faldi, jedenfalls nicht nur. Da stecken auch ein Gutteil Resignation und eine Prise Bitterkeit mit drin. Dazu muss man nur im Lyrikhandbuch 2011 lesen, das genügt.

Ich habe an mehreren Stellen "geknabbert", aber ja, auch an dieser. Daher übernehme ich deinen Änderungsvorschlag sehr gerne.

Zitat:
Die Zeilen lesen sich gut und das Thema ist interessant aufgebaut.

So viel erst einmal von mir, vielleicht später mehr.
Dankeschön. Aber fühl dich bitte zu nichts verpflichtet.

Und danke für deinen Kommentar, ganz besonders für das Gedicht.

Liebe Grüße

Stimme

------------------------------------------------------------------------

Liebe fee,


Zitat:
da bin ich aus latein-schulzeiten dermaßen "traumatisiert", dass als erstes immer das bild meine latein-lehrers zur melodie auftaucht, wie er uns - in der vierten (in deutschland die achte?) heillos zu früh und auf unvorbereitetem "boden" - damit überforderte und wir hilflos kichernd wegen seines sing-sangs und gefuchtels am liebsten unter den bänken verschwunden wären...(der fand das nämlich nicht so witzig wie wir).

"aurea prima satast..., daDAdadaDada" usw. usf.
so brüllte er das. dazu stocherte er noch mit dem zeigefinger in der luft, um uns die betonung irgendwie nahezubringen. er wirkte dabei reichlich verzweifelt - was die sache für uns nur schlimmer machte. (hätte er uns den sinn der betonung oder deren aufbau erklärt, tja... aber da meinte er wohl, uns zu überfordern. oder so)
Diese Schilderung brachte mich jetzt zum Schmunzeln. Ich kann da zwar nicht mitreden, da ich keinen Lateinunterricht hatte, aber ich denke mir beim Lesen, dass es wohl eher der Lehrer selbst und weniger der Hexameter war, oder? Das erinnert mich an einen meiner Lehrer, wir hatten zwei Jahre lang Erdkunde bei ihm. Er hatte ein unglaubliches Talent darin, selbst etwas so Interessantes wie Geologie sterbenslangweilig werden zu lassen - und "fuchteln" konnte er auch sehr gut.

Zitat:
inzwischen geht es bei mir einigermaßen. ganz weg kriege ich das allerdings nie. gut, dass dein text ja doch sehr schmunzellastig ist - da passte mein breites grinsen dann doch.
Ja, durchaus zum Schmunzeln, so war es auch gedacht. Gegrinst habe ich beim Schreiben auch, vor allem über mich selbst. Freut mich, wenn das "rüberkam".

Zitat:
Zitat:
....wer möchte den Pathos noch lesen?
Unzeitgemäße Worte, da wäre ein Lexikon nötig!
daran bin ich besonders hängengeblieben, denn da steckt die antwort drin. so banal wie gewichtig zugleich. unzeitgemäße worte - noch dazu nicht mehr zum heutigen "tempo" passend. wir sind doch dermaßen beschleunigt, dass selbst bewusste entschleunigung nur noch in kleinen zeitfenstern stattfinden darf, ohne den anschluss zu verlieren. nur wenige können sich den luxus gönnen, zu lesen UND dem noch auf den grund zu gehen, was dahinter steckt. zu anstrengend ist das leben selbst, zu sehr wird uns effektivität an allen ecken und enden als das einzig wahre suggeriert. meist muss erst ein burn-out her oder eine depression (schon bei schulkindern!) her, um zum entschleunigen zu zwingen. und dann unter dem stempel des "kaputt-seins". so weit ist unsere gesellschaft gekommen, wenn mans genau nimmt.
Das hast du sehr gut beschrieben, liebe fee. Genau so ist es. Mittlerweile gibt es sogar Intiativen, die sich der "Rettung" von (altmodischen) Worten verschrieben haben, ich konnte es kaum glauben, als ich davon las. Irgendwie fällt es mir schwer, mir vorzustellen, dass es das schon einmal gegeben hat. Über die Jahrtausende hinweg wurden Sprachen immer komplexer, der "Wortschatz" vergrößerte sich. Jetzt kehrt sich das um - Simplifizierung ist angesagt. Keine Zeit zum Lesen, keine Zeit zum Denken - nur gerade genug Zeit zum Konsumieren. Was die "Beschleunigung" betrifft, die du erwähnst, das bemerke ich jedes Mal, wenn ich durch die Königsstraße (die "Einkaufsmeile" von Stuttgart") gehe. Wie eilig es die Leute haben. Ich erinnere mich an meine Kindheit und an die Einkäufe mit meiner Großmutter. Schwätzchen in den Geschäften, zwischendurch eine Pause im Café - damals nahm man sich Zeit. Und ein "Einkaufsbummel" war ein "Bummel", heute wird ja fast "gerannt". Mich wundert es nicht, dass dieser ständige "Leistungs- und Geschwindigkeitsdruck" krank macht. Die Menschen verlernen auch, mal einfach die "Seele baumeln" zu lassen oder "Stille" auszuhalten. Dann muss sofort mit Handy oder Fernseher "entgegengewirkt" werden - ohne "Dauerberieselung" geht es nicht mehr.

Zitat:
und dann besitzen diese dichter die frechheit und schreiben textlein, die nichtmal ganze bücher sind, behaupten auch noch, sie hätten daran ewig herumgefeilt und es wäre hochqualitativ. wo denn, bitte, sieht man das? bei viel arbeit muss doch auch viel ergebnis - mengenmessbar - abfallen, oder? ansonsten kann das doch nix.
Ach ja, Quantität statt Qualität - glaub mir, es gibt Schreiber in Lyrikforen, die das auch schon auf ihre Fahne geschrieben haben. Macht ja nichts, wenn in einem 500-Seiten-Buch oder in 500 "Werken" eigentlich gar nichts drinsteht. Statt dessen befürchte ich, dass das heutzutage von den "Lesern" sogar begrüßt wird. Fernsehen ohne Denken und eben auch Lesen ohne Denken ...

Zitat:
ich denke, da liegt der schlüssel für das unverständnis und die annäherungsschwierigkeiten. wer oper oder eine symphonie hören will, geht ins konzerthaus. oder er tut es daheim in einer stillen stunde. ich behaupte - auch das tun nicht mehr viele. lyrik hingegen zu lesen - das klappt auch in der u-bahn. ist fast dasselbe wie die ohrstöpsel, die bei uns inzwischen menschen aller altersklassen auf der straße tragen. abtauchen mitten im alltag - ich bin da immer skeptisch, denn ich tu immer gerne das, was ich grade tue und vermische das nur ungern, weil dann m.E. keins von beidem wirklich bewusst getan wird.
Vom Lesen in der U-Bahn bin ich mittlerweile abgekommen. Ich tauche da zu sehr ab - was unter Umständen dazu führt, dass ich ein paar Haltestellen zu weit fahre. (Ja, schon ein paar Mal passiert. ) Daher nehme ich mir die "stillen Stunden". Das trifft bei mir auf Musik ebenso wie auf Lyrik zu. Eins auf einmal, sonst wird es "oberflächlich", und ja, wie du sagst: Das ist das Problem. Multitasking - Multikonsumierung? Lesen, telefonieren, sich nebenher mit der Sitznachbarin unterhalten und dazu noch mit einem Ohr Musik hören - das konnte ich in belieibigen Kombinationen (auch schon alles auf einmal) häufig beobachten. Kein Wunder, dass da "nichts hängen bleibt".

Zitat:
auch da schleicht sich dieses konsumier-verhalten ein. egal, ob da jetzt klassik über die ohrstöpsel kommt oder was "leichtes". nur lyrik erlaubt das nicht. liest du lyrik - also jetzt ernsthafte mit substanz auch zwischen den zeilen und im handwerk - so wie du dir das leben rundum reinziehst, streifst du nicht mal ansatzweise das wesentliche - und hast danach logischerweise ein unbefriedigtes, leeres gefühl. fühlt sich nach betrug an, nach nepp. das solls jetzt gewesen sein? ok, was gelesen, grad mal ein paar zeilen lang, schöne worte dazwischen, aber irgendwie auf den ersten blick nicht grad sinnvoll... und bei klassischer lyrik fängt mancher dann gar nicht erst an: das sieht schon aufwändig aus, ist lang, viel, kommt geschraubt daher - der reinste hirnwindungsverknoter! nee, dann doch lieber was von starbucks zum mitnehmen.
Instant-Lyrik - heiß Wasser drauf, umrühren und in fünf Minuten fertig. Tja, da bin ich ein wenig zynisch und zugleich deprimiert. Das kommt auch noch, abwarten. Ich fürchte, irgendwann sinkt das Ansehen der Lyrik auf den Stellenwert, den heute die sogenannten "Groschenromane" besitzen. Deshalb zeige ich meinen Freunden auch meine neueren Gedichte nicht mehr. Meinen anfänglichen Murks (ich hatte ja von rein gar nichts eine Ahnung), den befanden sie für gut - mit dem, was ich aktuell schreibe (2 Versuche habe ich unternommen) kann keiner mehr etwas anfangen. Gesagt wurde mir das zwar nur durch die Blume, aber mir ist klar, dass das für sie "unverständliches, überkandideltes Zeugs" ist. Eine Spinnerin bin ich sowieso, also rede ich gar nicht mehr darüber.

Zitat:
kein wunder also, wenn auch die massen-lyrik als "produkt" da entsteht und sich den umständen anpasst. ich denke, diese lyrik-to-go, die einen großen anteil in internet-foren ausmacht, ist ein zeichen der heutigen zeit. und wird später auch mal in ein paar hundert jahren als kunstgeschichtliches phänomen genau DAS abbilden. die gehaltvolle lyrik daneben wird deshalb nicht untergehen - so wie in der bildnerischen kunst zu beginn des 20. jahrhunderts, als die fotografie die auftragsmalerei ablöste und somit die maler ihrer eigentlichen bestimmung "beraubte", passiert jetzt mit der lyrik dasselbe. es bilden sich viele, viele eigene strömungen, stilrichtungen, ansichten... nebeneinander und kaum einzuordnen. zeichen der zeit.
Natürlich hast du recht, aber zugleich auch nicht recht. Untergehen wird die Lyrik wohl nicht, aber sie "lebt" wohl schon bald nur noch in und aus der "Vergangenheit". Der Mensch verlernt nämlich heutzutage etwas, das ihn ausmacht: Seine Fantasie - aus der die Kreativität geboren wird. Es hat nie zuvor so vorgefertigtes Spielzeug in Massen für Kinder gegeben, und auch der beste Film lässt einen trotzdem nur beobachten - es bleibt ja kein "Raum" für eigene Vorstellungen, eigene "Bilder", denn man "denkt" dabei ja nicht selbst, sondern lässt sich "berieseln". Daher lese ich so gerne gute Bücher, dabei kann ich mir eben sehr, sehr viel "selbst vorstellen". Das gilt auch für die Assoziationen beim "wirklichen" Lesen guter Lyrik. Das "entsteht" in meinem "eigenen Kopf", es ist nicht "vorfabriziert"; ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Es findet eine Entwicklung statt, die dazu übergeht, uns einfach alles "vorgefertigt" zu servieren. Das ist es, was mir zu schaffen macht, denn selbst die Kinder wissen nicht mehr, was sie mit sich anfangen sollen, sondern brauchen ständig "Berieselung und Animation". Und in dieser Form hat es das noch nie zuvor gegeben - wo steuert das hin?

Zitat:
auch das schreiben von lyrik wird zum teil ein to-go-dingens. weils gut aussieht, auch ein publikum findet und einen selbst für ein paar minütchen aus dem alltag erhebt. eigentlich nichts schlimmes. (daher regt mich diese art von lyrik auch nicht auf. ich muss mir die ja nicht nehmen.)
Nein, ich rege mich nicht mehr auf (das habe ich mal). Aber es hat keinen Zweck. Es stimmt, ich muss mir diese Art von Lyrik auch nicht nehmen. Die Schwierigkeit ist eben, dass sie mehr und mehr "gerne genommen" wird. Von immer mehr und mehr "Konsumenten".

Zitat:
ich hab jedenfalls deinen text gerne und aufmerksam gelesen. wie du siehst, hat er einiges angestoßen, das ich hier (zum frühstücks-tee gemütlich an meinem kreativ-platz) genüsslich zeit habe, niederzuschreiben. auch, wenn ich für groß- und kleinschreibung zu faul bin... lol.
Liebe fee, ich freue mich sehr, wenn du dir Zeit genommen hast und auch darüber, dass du einen "Kreativ-Platz" besitzt. Das ist selten geworden. (Ich habe auch einen. )

Vielen Dank für deinen Kommentar.

Liebe Grüße

Stimme

-------------------------------------------------------------------------------

Nachtrag:


Liebe Chavi,

da war ich doch schon fertig, dann habe ich deinen Kommentar entdeckt.

Zitat:
hui, sind das Antworten ^^
da traut man sich als Normalschreiber kaum unter die Vielschreiber

Hier werde ich angesichts der erschlagenden Tatsachen zum Wenigschreiber
und Ehrfürchtigleser....
Ich bremse mich in letzter Zeit, abgesehen natürlich von Antworten auf entsprechende Kommentare oder wenn ich weiß, (ein paar gibt es ja), dass so ein "Vielschreibkommi" auch ankommt. Weißt du, ich habe mir mittlerweile überlegt, ob das manche davon abhält, auch bei mir mal einen Kommi zu schreiben. Ich persönlich lege da ja überhaupt keinen Maßstab bei anderen an, aber ich vermute mal, dass vielleicht doch eine "abschreckende" Wirkung entsteht. Das möchte ich natürlich nicht, es lag auch nie in meiner Absicht, mich irgendwie "hervortun" zu wollen.

Zitat:
Da ich aber nun das ganze Werbezeugs mehr überhöre und überlese,
kann ich mich nur an deiner Satire orientieren.
Damit will ich nicht sagen, dass ich noch nie was von

Zitat:
Zitat von Stimme
Kurze Konstrukte, erbaulich verfasst für Waschmittelwerbung.
Seifenschaumreime aus schillernden Blasen, heute geschrieben,
morgen vergessen, Konsumgeblubber -[...]

und


Zitat:
Zitat von Stimme
praktisch, quadratisch und gut, dann werden wir's gern konsumieren.
Bildzeitungslyrik, schön seicht, denn Lightkost ist leichter verdaulich
gehört hätte.
Mittlerweile bleibe ich wenigstens von Fernsehreklame "verschont". Aber egal, wo ich bin, an Haltestellen, in einem Laden, selbst in der "seriösesten" Tageszeitung - Werbung ohne Ende. Kein Entrinnen, sozusagen. Und was "Lightkost" betrifft, das konnte ich mir nicht verkneifen, denn ich sehe in jedem Supermarkt, wie begehrt das Zeug ist. Ich meine immer - wie wäre es mit weniger, aber dafür mit Genuß? Ich hab mal (als Single habe ich Probleme mit den oft sehr großen Mengen) so einen Light-Käse ausprobiert, weil eben statt 400g nur 250g drin sind. Man könnte sagen, dass ich immer noch auf den Geschmack warte, der ist bisher noch nicht bei mir angekommen. Reklameplakate und neuerdings auch digitale Werbeflächen gibt's genug, wo diese Sprüche ebenfalls zu finden sind, selbst wenn man sie also nicht hört, dann entkommt man kaum noch dem Zwang, sie irgendwo sehen zu müssen - mit geschlossenen Augen herumlaufen geht irgendwie schlecht.

Zitat:
Aber das das so tief eingeht, dass man daraus einen Hexameter machen kann, schön satirisch,
da staune ich wirklich
Eigentlich, liebe Chavi, genau deswegen ja einen Hexameter ...

Zitat:
Ok, vielleicht ist das auch nur Geblubber, was ich hier schrieb
Aber mehr fiel mir nicht ein, angesichts dieser tiefgründig-bissigen Megastrophe
Nein. Es ist auf keinen Fall Geblubber. Du schreibst nicht nur sauber, sondern (auch hier) rein. Wird immer gerne angenommen!

Danke für deinen Kommentar.

Liebe Grüße

Stimme
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.

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Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.



Geändert von Stimme der Zeit (18.01.2012 um 19:26 Uhr)
Stimme der Zeit ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.01.2012, 21:16   #6
Falderwald
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Standard

Hi Stimme,

tja, wo soll ich anfangen?

Am besten oben...

Zitat:
Ersteres ja, aber das zweite trifft (meines Erachtens nach) nicht ganz zu. Aber trotzdem vielen Dank.
Nun, ich hatte mitbekommen, daß du dich in letzter Zeit intensiv mit dem Hexameter auseinandergesetzt hast.
Und wie ich dich kenne, veröffentlichst du hier keine ersten Versuche, sondern schon relativ ausgereifte Texte.
Das brachte ich in der ersten Strophe meines Antwortgedichtes auch gebührend zum Ausdruck.
Kannte ich bisher meist "antike" Verse als Hexameter, so stellte die Wortwahl hier eine erfrischende Neuerung dar. Moderne Sprache in einer klassischen Versform dargereicht, wie man es heute leider nur noch an wenigen besonderen Orten, z. B. in einigen Gedichteforen findet.
Und das ist eigentlich schade, weil Hexameterverse voller Pathos, erhaben und zeitlos wirken.

Zitat:
Ich weiß, natürlich. Das ist ein sehr elegant gewobenes Gedicht, mit dem ich keineswegs "mithalten" kann - das möchte ich auch gar nicht. Was bei dir sprudelt, muss ich mir mühsam erarbeiten. Jeder, wie er kann. Ich habe schon immer neidlos bewundert, wie du schreiben kannst.
Dafür sehe ich eigentlich keinen Grund, weil ich denke, daß du dich lyrisch in nur einem Jahr zu einer eleganten Dichterin entwickelt hast, deren Verse durch Können und Biss zu überzeugen wissen.

Meine obigen Verse sind ganz und gar nicht gesprudelt, ganz im Gegenteil. Ich habe den ganzen Abend damit zugebracht und somit nur einen Kommi schreiben können, weshalb ich auch nach zehn Zeilen keine Lust mehr verspürte, mich auf weitere fünf einzulassen, das war ziemlich mühselig.

Zitat:
Schade, mir gefällt es sehr.
Ja, aber ich weiß jetzt, wie schwer das ist, vor allem für einen Metrik- und Reimfetischisten wie mich.
Aber es war eine Herausforderung, das auch einmal zu versuchen.
Ich glaube zum ersten Mal.

Zitat:
Ja, aber darum geht es im Gedicht nicht unbedingt, sondern mehr darum, dass man sich gut "vermarktet", um Reklamesprüche (nun ja - bei Millionen Zuschauern auch eine Art "Erfolg") und darum, dass man statt zu dichten mit kurzen Wortspielereien eben im "Trend" läge. Ist aber nicht so wichtig.
Und genau das brachte ich in meinen Antwortzeilen ja auch zum Ausdruck. Im Lande der Dichter und Denker sind anstatt der schönen Lyrik und zeitloser Dichtkunst eher (gereimte) Slogans und Parolen erfolgreich.
Und gereicht das den Dichtern nicht zur Schande?

Solche Verse, wie die hier vorliegenden, finden trotz mühe- und liebevoller Bearbeitung kaum Beachtung, aber wenn du eine pfiffige Idee für einen eingängigen simplen Reim hast, kannst du den unter Umständen bis zum geht nicht mehr vermarkten.

Ich sagte doch, echte Lyrik ist eine brotlose Kunst.

Zitat:
Ich poste die meisten meiner Übungen nicht mehr und fasse mich in Kommentaren kürzer. Wer will's schon lesen, und so gut wie du (nein, keine Ironie ) bin ich noch lange nicht, vielleicht auch nie. Ich mache weiter, aber das meiste im "stillen Kämmerlein". Mich hat der Zug der Zeit überholt
Meine Übungen spielen sich meist im Kopf ab und die poste ich auch nicht.
Mit langen Kommentaren ist es so, daß nicht jeder und immer die Muße besitzt, sich auf so etwas einzulassen.
Das muss man von Fall zu Fall entscheiden und man kann nicht pauschal in Frage stellen, ob das gelesen sein will.
Gut sein, ist relativ.
Was heißt das schon?
Routine oder professionelles Schreiben?
Wie gut ist jemand, der noch nie Hexameterzeilen verfasst hat, auch keine Lust hatte, sich mühevoll darin einzuarbeiten, sondern sich einfach für ein Antwortgedicht des Metrikschemas der ersten fünf Zeilen von Goethes "Reineke Fuchs" bedient hat, weil er wusste, das sind Hexameter?
Und im stillen Kämmerlein war ich auch schon oft.
Der Zug muss irgendwann wieder anhalten und legt auch längere Pausen zwischendurch ein. Der fährt nicht davon...

Zitat:
So spöttelnd ist das gar nicht, lieber Faldi, jedenfalls nicht nur. Da stecken auch ein Gutteil Resignation und eine Prise Bitterkeit mit drin. Dazu muss man nur im Lyrikhandbuch 2011 lesen, das genügt.
Das ist mir nicht entgangen und doch empfinde ich die in diesem Text enthaltene Gesellschaftskritik zum Teil als beißend ironisch, denn die Seitenhiebe sind zum Teil recht kräftig ausgefallen.
Ich weiß zwar nicht, was im Lyrikhandbuch 2011 steht, aber ich kann die Resignation und die Bitterkeit gut nachempfinden, denn die Dichter sind wirklich nur noch ein relativ kleiner "verspinnerten" Haufen, der allenfalls belächelt wird.
Ich kam letztens im Getränkeshop, wo ich immer meine Cola hole, mit dem Verkäufer ins Gespräch und erwähnte nebenbei, ich schriebe Gedichte.
Mehr als ein wissend freundliches Lächeln habe ich gar nicht zur Antwort bekommen. Bitte ein Bit

Zitat:
Dankeschön. Aber fühl dich bitte zu nichts verpflichtet.
Nein, keineswegs. Wenn ich was schreibe, tue ich es gerne und freiwillig...


Liebe Grüße

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 19.01.2012, 18:48   #7
Stimme der Zeit
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Hallo, Faldi,

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Nun, ich hatte mitbekommen, daß du dich in letzter Zeit intensiv mit dem Hexameter auseinandergesetzt hast.
Und wie ich dich kenne, veröffentlichst du hier keine ersten Versuche, sondern schon relativ ausgereifte Texte.
Das brachte ich in der ersten Strophe meines Antwortgedichtes auch gebührend zum Ausdruck.
Kannte ich bisher meist "antike" Verse als Hexameter, so stellte die Wortwahl hier eine erfrischende Neuerung dar. Moderne Sprache in einer klassischen Versform dargereicht, wie man es heute leider nur noch an wenigen besonderen Orten, z. B. in einigen Gedichteforen findet.
Und das ist eigentlich schade, weil Hexameterverse voller Pathos, erhaben und zeitlos wirken.
Das trifft sehr genau den Punkt. Ich schrieb schon viel, aber ich scheine es nicht zu schaffen, das zu vermitteln, was ich meine. (Unabhängig vom Thema.) Ob nun in Gedichten, Kommentaren, Antworten, Diskussionen oder sogar im Chat. Ich resigniere darin mittlerweile tatsächlich. Hier bezieht sich das ganz konkret darauf, dass ich einer "Klassik-Front" zugeordnet werde und "etwas gegen moderne Lyrik habe". Und ich bin's müde, da ständig "Nein" zu sagen. Ich versuche es nochmal: Goethe schrieb in der Sprache "seiner Zeit", d. h. damals "aktuell". Er schrieb ja nicht wie Walter von der Vogelweide - und dieser nicht wie Sophokles. Daher schreibe ich "aktuell" - zumindest versuche ich das. Und warum nicht im Hexameter? Nach dem Sonett ist der Hexameter mittlerweile ein "persönlicher Liebling" von mir. Das hat also mit "Klassik" oder "Antik" nur rein "formbezogen" etwas zu tun - nicht mit Inhalt oder Wortwahl. Würde ich wie Schiller oder Goethe schreiben, wäre ich gezwungen, mich selbst als "Kopistin" der Vergangenheit zu sehen. Um "authentisch" zu sein, kopiere ich nicht, sondern schreibe (und spreche) als "ich selbst". In "meiner" Sprache. Und es ist so, dass ich, wie hier, Zäsuren inhaltsbezogen anders setze oder einen Versuch unternehme, alle Verse daktylisch zu beginnen und auch Choriamben an den Versanfängen zu verwenden. Außerdem steckt ein wenig von Klopstocks Ansichten über Rhythmus darin (in einzelnen Versen). Ich arbeitet hier auch mit Sinnabschnitten, einem Begriff aus der modernen Lyrik. Man könnte sagen, dass ich sozusagen meistens "quer durch die Epochen dichte" und viele Kombinationen "teste". Manchmal ist das Ergebnis gelungen, manchmal nicht. Aber das weiß ich erst, wenn ich es ausprobiert habe.

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Ich weiß, natürlich. Das ist ein sehr elegant gewobenes Gedicht, mit dem ich keineswegs "mithalten" kann - das möchte ich auch gar nicht. Was bei dir sprudelt, muss ich mir mühsam erarbeiten. Jeder, wie er kann. Ich habe schon immer neidlos bewundert, wie du schreiben kannst.
Dafür sehe ich eigentlich keinen Grund, weil ich denke, daß du dich lyrisch in nur einem Jahr zu einer eleganten Dichterin entwickelt hast, deren Verse durch Können und Biss zu überzeugen wissen.

Meine obigen Verse sind ganz und gar nicht gesprudelt, ganz im Gegenteil. Ich habe den ganzen Abend damit zugebracht und somit nur einen Kommi schreiben können, weshalb ich auch nach zehn Zeilen keine Lust mehr verspürte, mich auf weitere fünf einzulassen, das war ziemlich mühselig.
*Seufz* - Siehe oben. Was ich mit "Sprudeln" meinte: Dir "fliegt" vieles zu, doch, das ist so. Warum? Weil ich tatsächlich nicht neidisch bin, sondern bewundere, was du für ein Talent besitzt. Das ist viel größer als meines - und Punkt. (Diesbezüglich habe ich bereits kapituliert - aber das gehört nicht hierher. Und du würdest ohnhin wieder völlig falsch verstehen, was ich meine (wozu auch Fragen gehören)).

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Schade, mir gefällt es sehr.
Ja, aber ich weiß jetzt, wie schwer das ist, vor allem für einen Metrik- und Reimfetischisten wie mich.
Aber es war eine Herausforderung, das auch einmal zu versuchen.
Ich glaube zum ersten Mal.
Doppelt schade. Was der Hexameter wirklich ist, erfordert ein "tieferes Einsteigen" in dieses ganz besondere Versmaß. Es "wirkt" nämlich erst dann so faszinierend, wenn man es "versteht".

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Ja, aber darum geht es im Gedicht nicht unbedingt, sondern mehr darum, dass man sich gut "vermarktet", um Reklamesprüche (nun ja - bei Millionen Zuschauern auch eine Art "Erfolg") und darum, dass man statt zu dichten mit kurzen Wortspielereien eben im "Trend" läge. Ist aber nicht so wichtig.
Und genau das brachte ich in meinen Antwortzeilen ja auch zum Ausdruck. Im Lande der Dichter und Denker sind anstatt der schönen Lyrik und zeitloser Dichtkunst eher (gereimte) Slogans und Parolen erfolgreich.
Und gereicht das den Dichtern nicht zur Schande?

Solche Verse, wie die hier vorliegenden, finden trotz mühe- und liebevoller Bearbeitung kaum Beachtung, aber wenn du eine pfiffige Idee für einen eingängigen simplen Reim hast, kannst du den unter Umständen bis zum geht nicht mehr vermarkten.

Ich sagte doch, echte Lyrik ist eine brotlose Kunst.
Ach, brotlos ist nicht mein Problem, das war sie ja eigentlich schon immer. Von ganz wenigen, einzelnen Ausnahmen abgesehen. Dass diese "Kunst" eben "wertlos" wird, im Zuge der Zeit, das ist für mich das Entscheidende. Welche Motive bewegen heutzutage Menschen, sich mit Lyrik zu befassen oder selbst lyrische Werke zu verfassen? Gute Frage, nächste Frage ...

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Ich poste die meisten meiner Übungen nicht mehr und fasse mich in Kommentaren kürzer. Wer will's schon lesen, und so gut wie du (nein, keine Ironie ) bin ich noch lange nicht, vielleicht auch nie. Ich mache weiter, aber das meiste im "stillen Kämmerlein". Mich hat der Zug der Zeit überholt.
Meine Übungen spielen sich meist im Kopf ab und die poste ich auch nicht.
Mit langen Kommentaren ist es so, daß nicht jeder und immer die Muße besitzt, sich auf so etwas einzulassen.
Das muss man von Fall zu Fall entscheiden und man kann nicht pauschal in Frage stellen, ob das gelesen sein will.
Gut sein, ist relativ.
Was heißt das schon?
Routine oder professionelles Schreiben?
Wie gut ist jemand, der noch nie Hexameterzeilen verfasst hat, auch keine Lust hatte, sich mühevoll darin einzuarbeiten, sondern sich einfach für ein Antwortgedicht des Metrikschemas der ersten fünf Zeilen von Goethes "Reineke Fuchs" bedient hat, weil er wusste, das sind Hexameter?
Und im stillen Kämmerlein war ich auch schon oft.
Der Zug muss irgendwann wieder anhalten und legt auch längere Pausen zwischendurch ein. Der fährt nicht davon...
Gegenfrage: Wie "gut" ist jemand, der Hexameter schreiben kann, ohne sich darin erst intensiv "einlernen" zu müssen? Abgesehen von "gereichet" (Versmaßgeschuldet, hm? ) hast du die Aussage und die Worte gelungen "eingefügt". Wenn ich da an meine Anfänge denke ...

Und außerdem hat "gut" nun überhaupt nichts mit "professionell" oder "routiniert" zu tun, stimmt's? Ich würde darin eher Antonyme anstatt Synonyme sehen.

So, noch etwas. Goethe beschäftigte sich ca. 10 Jahre lang mit dem Hexameter. Aber er beherrschte ihn nie wirklich, so wunderbar dieser Mann auch dichten konnte, wurde dieses Versmaß doch nie "seines". Daher kam er auch davon ab. Goethe neigte dazu (und gerade bei "Reineke Fuchs") besonders an den Versanfängen zu "schwächeln" - was er selbst zugab. Fakt: Ich weiß mittlerweile genug, um sagen zu können: Deine sind besser. Das ist keine Schmeichelei, das ist so. Der Hexameter war nie Goethes Stärke, was er selbst wusste. Er gab ihn deshalb auch auf.

Und was den Zug der Zeit betrifft: Ich bin eine Närrin, das weiß ich auch mittlerweile selbst sehr gut. Ich mag nämlich gar nicht mitfahren.

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
So spöttelnd ist das gar nicht, lieber Faldi, jedenfalls nicht nur. Da stecken auch ein Gutteil Resignation und eine Prise Bitterkeit mit drin. Dazu muss man nur im Lyrikhandbuch 2011 lesen, das genügt.
Das ist mir nicht entgangen und doch empfinde ich die in diesem Text enthaltene Gesellschaftskritik zum Teil als beißend ironisch, denn die Seitenhiebe sind zum Teil recht kräftig ausgefallen.
Ich weiß zwar nicht, was im Lyrikhandbuch 2011 steht, aber ich kann die Resignation und die Bitterkeit gut nachempfinden, denn die Dichter sind wirklich nur noch ein relativ kleiner "verspinnerten" Haufen, der allenfalls belächelt wird.
Ich kam letztens im Getränkeshop, wo ich immer meine Cola hole, mit dem Verkäufer ins Gespräch und erwähnte nebenbei, ich schriebe Gedichte.
Mehr als ein wissend freundliches Lächeln habe ich gar nicht zur Antwort bekommen. Bitte ein Bit
Weißt du, was für mich am bittersten ist? Es geht nicht darum, dass es nur noch ein kleines Häufchen Dichter gibt (was allerdings stimmt). In den Lyrikforen gibt es tatsächlich noch Talente, große, mittlere, kleinere. Aber - wer macht etwas daraus? Ungefähr die Hälfte davon spielt lieber herum oder amüsiert sich als Forentroll. Bei der anderen Hälfte bin ich mir nicht sicher, woran es liegt.

Na ja - ich kann's nicht ändern. Das habe ich nicht nur verstanden, sondern auch eingesehen und begriffen.

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Dankeschön. Aber fühl dich bitte zu nichts verpflichtet.
Nein, keineswegs. Wenn ich was schreibe, tue ich es gerne und freiwillig...
Ich danke dir für deinen ausführlichen Kommentar.

Liebe Grüße

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