08.04.2011, 14:58 | #1 |
Galapapa
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Frühling am Walnussbaum
Sie steht am Walnussbaum, wo sie so oft verweilte,
gestützt auf den Rollator und Erinnerung, still in Gedanken, die kein Mensch mehr mit ihr teilte, gehüllt in Hoffnung auf Begnadigung. Sie sinnt auf gute Tage längst vergangner Zeiten, die Frühlingssonne streichelt wärmend ihr Gesicht. Ihr leerer Blick entflieht in unbekannte Weiten, sucht dort im Nirgendwo ein wenig Zuversicht. In Krokuswiesen wächst das Nichtgebrauchtzuwerden, in Tulpenbeeten wuchert das Vergessensein, am müden Körper nagen schmerzend die Beschwerden, sie ist mit sich und ihrem Walnussbaum allein. |
08.04.2011, 18:32 | #2 |
ADäquat
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
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Lieber Galapapa,
__________________
. © auf alle meine Texte
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09.04.2011, 10:02 | #3 |
Gast
Beiträge: n/a
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Guten Morgen Charly,
ein Walnussbaum. Den muss die Frau als Kind gepflanzt haben, denn Walnüsse zählen zu den eher langsam wachsenden Bäumen. Wenn sie mal groß sind, sind sie echt von majestätischem Wuchs. Wir hatten auch so einen riesigen Walnussbaum. Als Kinder haben wir immer Stöcke reingeschmissen, um die Nüsse zu ernten . Die Walnuss ist ja ein symbolträchtiger Baum, deshalb glaube ich zu verstehen, was Du damit ausdrücken möchtest. In diesem Zusammenhang gefällt mir der Rollator nicht so gut. Vielleicht möchtest Du ja einen schönen glatten Walnussstock draus machen. Walnuss gehört doch zu den edlen Hölzern mit einer schönen Maserung. Das würde, glaube ich, poetischer klingen, obwohl ich die Praxistauglichkeit der Rollatoren nicht in Frage stelle. Die erste Strophe, eine aneinandergereihte Hexameter-Pentameter-Kombination, ist ja nun eine klassische Kombination. Passt perfekt . Zweite und dritte Strophe nur Hexameter, also ab hier ohne Partner. Interessant finde ich die Bewegung, die im Gedicht entsteht. Die wachsende Entfernung der Frau zum Walnussbaum. Am Schluss steht er, glaube ich, nur noch in ihren eigenen Gedanken. Das ist sehr schön herausgearbeitet . Von den Reimen hast Du Kreuzreime mit wechselnden männlichen und weiblichen Kadenzen, durchgehend Jambus, ganz streng durchgezogen. Oder habe ich was übersehen ? Nö, ich glaube nicht. Da hackelt nichts . Ja , Du hast eine schöne lyrische Symbiose (den Rollator ignoriere ich ) zwischen Form und Inhalt geschaffen. viele Grüße laurenzia |
09.04.2011, 11:34 | #4 |
Galapapa
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Frühling am Walnussbaum
Liebe Chavali,
hab herzlichen Dank für Deinen lobenden Kommentar! Schön, dass es mir gelungen ist, Dir diese Frau bildlich vor Augen zu führen. Es gibt sie wirklich und sie gehört zu meinen engsten Freunden. Im Dezember wird sie 100 Jahre alt. Bei klarem Verstand und altersschwachen Beinen leidet sie darunter, dass Tochter und Enkelin, die am selben Ort leben, kaum noch Zeit für sie finden. Es gibt auch diesen Nussbaum. Als ich sie neulich zum Arzt gefahren habe, hat sie mir den Baum gezeigt und mir erzählt, dass sie hierher kommt, wenn die Sonne scheint und dann einfach hier steht und genießt, dass sie schon wieder einen Frühling erleben darf. Da war ich es, der eine Träne im Auge hatte. Danke und ganz liebe Grüße an Dich! Galapapa Hallo laurenzia, auch Dir danke fürs Lesen, Kommentieren und fürs Lob! Danke auch für die genau Analyse mit den Fachbegriffen. Das veranlasst mich doch immer wieder, nachzulesen. Ich bin ein Laie in diesen Dingen. Für mich ist es wichtig, dass ein Text gefällig zu lesen ist, einen Rhythmus und eine Melodie hat, die anspricht. Zum Rollator möchte ich Dir sagen, dass gerade dieser Begriff ganz bewusst eingebaut ist. Er verbindet das Romantische und Melancholische des Textes mit der Realität, so dass man gewissermaßen auf dem Boden des Pflegeheims bleibt. Der Rollator gehört zum Leben und Alltag dieser Frau, ganauso, wie der Nussbaum. Das scheinbar unpassende Wort hat also im Text eine wichtige Funktion und es ist gut, wenn es stört, so komisch das klingen mag. Natürlich ist es auch Geschmacksache, aber das ist eben mein Stil. Eine zunehmende Entfernung der Frau vom Nussbaum habe ich nicht empfunden, eher das Gegenteil. Mit zunehmender Vereinsamung wird der Baum geradezu "unnatürlich" wichtig im Leben der Frau und ersetzt gewissermaßen die Zuwendung der Familie. "Sie ist mit ihrem Walnussbaum allein", dieser Vers soll dies unter Anderem ausdrücken. Den Baum hat die Frau, die es tatsächlich gibt, nicht selbst gepflanzt, sondern erst im Pflegeheim kennengelernt. Sie hat ihn mir gezeigt, es ist ein gewaltiges Exemplar. Herzliche Grüße an Dich! Galapapa |
09.04.2011, 12:50 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hallo galapapa,,
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© Bilder by ginton Ich fühle, also bin ich! Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi) nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt... (Wabi-Sabi)
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09.04.2011, 13:46 | #6 |
Gast
Beiträge: n/a
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Lieber Galapapa,
uiii fein! Starten wir eine Rollator-Diskussion . Da greife ich jetzt in die Kiste der Weltanschauungen und erzähle Dir, warum ich den Rollator nicht gut finde. Dieses Ding ist ein Hilfsmittel, dass Menschen mit körperlichen Einschränkungen hilft sich fortzubewegen und er ist für viele Menschen sicher ein Gewinn. ABER die Bedeutung eines Hilfsmittels zu betonen, wenn es um menschliche Empfindungen und Erinnerungen geht, das gefällt den meisten Menschen, auch wenn sie es benötigen, nicht. Die kommen sich dann so vor, als würde man sie auf die praktische "Versorgung" reduzieren und nicht als Mensch wahrnehmen. Das ist zumindest meine Erfahrung und ich kann das auch verstehen. Ich sage also, der Rollator muss funktionieren, genauso wie von mir aus die Kaffeemaschine oder das Auto, aber für das Menschsein spielt er nur eine untergeordnete Rolle. Na ja, das ist meine Meinung. Ich wollte Dir auch nur erklären, warum ich den Rollator für nicht so gelungen halte. Selbstverfreilich kann man da auch anderer Meinung sein . Dass Du die Entfernung vom Walnussbaum nicht so beabsichtigt hast, das verblüfft mich direkt. Ich lese es genauso. Für meine Leseart stellt das eine klare Bewegung von der materiellen in die geistige Welt dar. Hmmm Na ja, betrachte es als Feed-back meinerseits. ein schönes Wochenende und liebe Grüße laurenzia |
09.04.2011, 14:52 | #7 |
Galapapa
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Frühling am Walnussbaum
Hallo ginTon,
Danke für Deine lobenden Worte zu meinem Text. In der Tat kann das Bild eines einsamen, sich durch den Lebensabend schleppenden, alten Menschen sehr nahe gehen, wenngleich ich immer wieder die Erfahrung mache, dass gerade von diesen Bildern ein ungeheures Maß an Standhaftigkeit und Zuversicht ausstrahlen kann. Überaus mutig, fast trotzig stellen sich manche Alte der Einsamkeit und der empfundenen Hilf- und Nutzlosigkeit. Letztere basiert, wie auch in meinem Beispiel, auf dem Umgang der Angehörigen mit den Betroffenen. Das empfinde ich als grauenhaft traurig. Danke fürs Lesen und Kommentieren und liebe Grüße an Dich! Galapapa Hallo laurenzia, was ein Rollator ist, weiß ich; oft genug verstaue ich einen im Kofferraum meines Autos. Mit Weltanschauung hat dieses Hilfsmittel meiner Meinung nach nichts zu tun und da Du den Wert dieser Geräte ja anerkennst, ist es, glaube ich, auch müßig, darüber zu diskutieren. Ich vermute, dass Du meine Argumente nicht verstanden hast. Deshalb will ich es nochmals anders ausdrücken: Ein Vergleich mit einer Kaffeemaschine oder anderen Geräten, die nicht lebensnotwendig sind, ist hier fehl am Platze. Ich habe an konkreten Beispielen erfahren, welch wichtige Rolle der Rollator im Leben eines Menschen spielen kann. Gar nicht mehr aufstehen oder sich durchs Zimmer bewegen zu können ohne das Hilfsmittel, nacht es für diese Menschen zu wesentlich mehr, als nur ein Ding, das zu funktionieren hat. Dass bei dessen Erwähnung dieser Mensch auf das Hilfsgerät reduziert wird, kann ich nicht nachvollziehen. Vielmehr glaube ich, dass der normale Umgang mit solchen Hilfsmitteln anstelle des peinlichen Verschweigens einen wichtigen Beitrag dazu leistet, dass sich die Betroffenen trotz der Abhängigkeit wieder etwas mehr verstanden und integriert fühlen können. Einen wesentlichen Beitrag zum Menschsein, wie Du es nennst, leistet der Rollator allemal, meiner Meinung übrigens auch zum Menschbleiben und Dabeisein. Darüber hinaus habe ich bereits erwähnt, dass das auf den ersten Blick im Text unpassende Wort "Rollator" absichtlich eingefügt wurde, um eine Brücke von "romantischer", scheinbar heiler Welt zur Realität zu schlagen. Ein Nebeneffekt hierbei war, dass ich so mit nur einem Wort den körperlichen Zustand der alten Dame beschreiben konnte, ganz ohne peinliche Details. Das wiederum war nun meine Meinung. Auch Dir ein schönes Wochenende und herzliche Grüße! Galapapa |
09.04.2011, 19:25 | #8 |
Gast
Beiträge: n/a
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na jetzt nochmal
Lieber Galapapa, o.k. mit Rollator. Ich glaube auch nicht, dass die Kernaussage des Gedichts an diesem Wort hängt. Mir hätte es halt besser gefallen, wenn´s nicht ganz so hart rüberkommt und deswegen habe ich Dir diesen Vorschlag gemacht. Und das Schöne an Vorschlägen ist ja, das es ein "kann", aber kein "muss" beinhaltet. liebe Grüße laurenzia |
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