19.01.2013, 14:39 | #1 |
TENEBRAE
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Spuren im Schnee
Der Schnee lag frisch, im Lichte gleißend
vor einem Fenster, das mich fand. Er sah mich an, rief mich ins Land, ein wahrhaft großes Bild verheißend, und trieb mich nach des Waldes Rand, wohin er, dunkle Äste weißend, mich zog, an meiner Seele reißend mit seiner glitzernd schönen Hand. Ich folgte diesem hellen Drange nur weiter fort in die Natur und zog dort eine tiefe Spur. So bleibt kein Unberührtes lange uns unberührt, die wir es bange erleben wollen, rein und pur!
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (20.01.2013 um 19:00 Uhr) |
19.01.2013, 23:55 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Erich,
fein gewebtes, schimmerndes Tüchlein. Ich mag die Suche, die ich darin spüre, nach Dingen, die nicht sein können - eigentlich. Gern gelesen. Wochendgruß von Suzette |
21.01.2013, 09:47 | #3 | |
nach vorn sehen und nicht
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Zitat:
gleißend, reißend usw., ist für mich ein wenig zuviel. Hast du keine anderen Wörter?, die es genauso oder noch besser ausdrücken. Herzlichst Timo
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Nach vorn sehen und nicht zurück! |
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21.01.2013, 18:06 | #4 |
TENEBRAE
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Hi, Suzette!
Danke für deine Gedanken! Hi, Timo! Wie wär's mit "scheißend, spleißend, kneißend, kreißend"? Scherz beiseite: Auf "verheißend" gibt es nun mal nicht so dolle viel passsende Reime - dafür hab ich noch ganz gut die Kurve gekriegt, find ich. Wenn es dir zu "heftig" ist, tut mir das leid, aber deshalb möchte ich das noch nicht gleich umschreiben. Dennoch danke für den Hinweis. Sollte ich Ähnliches auch von anderer Seite hören, ziehe ich ein Umschreiben in Betracht. LG euch beiden, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
21.01.2013, 18:46 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Erich,
das "gleißend" finde ich sehr passend und gar nicht zu viel. Das an "der Seele reißend" ist etwas hart, aber auch nur, weil es mir im Zusammenhang mit dem "die Äste weißend" in der Zeile davor ein wenig erzwungen klingt. Eine Verbesserung ist schwer. Wenn du darauf bestehen willst, dass das "s" im Reimwort unbedingt scharf sein muss, dann glaube ich nicht, dass es möglich ist. Wenn du ein stimmhaftes "s" zulässt, dann schein es mir möglich, weil dann z.B. "weisend" und "kreisend" zur Verfügung stünden. Ich kann mir z.B. vorstellen, dass die Äste den Blick "weisen", oder etwas die "Seele zum Waldrand weisendes", Blicke könnte dorthin "kreisen" und die Seele "weisen", etc. Aber man muss schon eine sehr gute Idee haben, wenn man das Gedicht verbessern will. Ich finde es sehr gut wie es ist. Ist es nicht tragisch, dass die Unberührtheit so anziehend wirkt, dass wir nicht ferne und betrachtend bleiben können, uns nähern und damit den Reiz zerstören? Liebe Grüße Thomas P.S.: Ich muss gestehen, dass ich es im Schnee oder am Strand auch schön finde, wenn eine einzige Spur eines Menschen durch die ansonsten unberührte Natur verläuft. Wahrscheinlich weil ich mich dann in den Vorgänger hineinversetzen kann.
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
25.01.2013, 21:46 | #6 |
Slawische Seele
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Lieber eKy,
ein zauberhaftes Gedicht - ein mitreißendes Erlebnis. Man kennt den Drang, als Erster (und am liebsten als Einziger) eine Spur zu ziehen. Zugleich den Wunsch, diese Spur möge vom nächsten wahrgenommen werden - also nicht absolut einzig sein. (Oft setze ich die Spur absichtlich total "verdreht", um jenen nach mir nachdenklich zu machen: "Wie ging der/die denn?") Im Sommergedicht würde ich evtl. weichere "Mitreißer" empfehlen. Doch gleißender Schnee, Glitzern, Bibbern und ein evtl. eisiger Wind können schon an der Seele reißen. Man will der Schönheit nicht fliehn, will sie schauen und bei ihr sein - mit ganzer Seele mitgerissen. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
26.01.2013, 00:01 | #7 | |
Strandgut
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Beiträge: 20
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Zitat:
Ich habe dir, ohne die Absicht, dein schönes Gedicht zu zerstückeln, mal im Zitat fett angestrichen, wo ich noch "Luft nach oben" sehe. Die Wiederholung von "mich" fiel mir sofort ins Auge. Zweiter Punkt: Die Verwendung der beiden Adjektive ließe sich verhindern und relativ einfach umgestalten. Nun bin ich ein Mensch, der nur ungern an anderen Gedichten rumfummelt. Daher überlasse ich es dir, meine Anmerkungen nachzuvollziehen und für dich selbst zu entscheiden, inwieweit ich dir mit meinen Hinweisen helfen konnte. Ansonsten finde ich dein Naturgedicht/Sonett sehr bildhaft.
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Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen. F.W. Nietzsche |
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26.01.2013, 12:35 | #8 |
Gast
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Hallo Erich,
der vorherigen Zustimmung schließe ich mich gerne an, teilweise auch den Kritteleien. Für mich ist das "Seelenreißen" ein starkes und zutreffende Bild, das ich gut nachempfinden kann. Insofern sehe ich in diesem (Reim-) Bereich keinen Änderungsbedarf. Mit dem dreifachen "mich" willst du vermutlich dein Erstaunen ausdrücken, dass ausgerechnet du als Zuschauer erwählt worden bist. Hier wäre mir, ebenso wie Praya, eine weniger deutliche Lösung lieber. Ich denke, dass sich der ganze Text eher unauffällig um das Gleißen, die Ei-Laute, schmiegen sollte, sonst entsteht leicht ein Gefühl von Übermaß / Überfrachtung. Ansonsten finde ich das Sonett sehr gelungen. Gerade auch die "glitzernd schöne Hand" (Praya: ). Manche Dinge sind halt einfach Geschmackssache. Liebe Grüße marcy |
26.01.2013, 15:12 | #9 |
Von Raben umkreist
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Hallo eKy,
dein Sonett schildert in zauberhafter Weise die Gefühle, die uns Menschen überfallen, wenn wir vor einer märchenhaften Landschaft stehen. Auch mir sagt die Häufung der Endung "eißend" in ihrer Häufigkeit nicht so zu, aber du hast dir ja etwas dabei gedacht. Liebe Grüße Sidgrani
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Alle meine Texte: © Sidgrani "Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"
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26.01.2013, 17:10 | #10 |
TENEBRAE
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Vielen Dank für eure Gedanken!
Die "mich"s in S1 stören mich eigentlich nicht, da keins davon betont zu lesen ist - aber der Gedanke ist notiert. Werde bei Gelegenheit drübergrübeln! Der Winter ist kristallin, kaltwindig, klirrend eisig, hart und harschig - da schien mir das "reißen" nicht allzu abwegig. Es ist grenzwertig, ich weiß - aber wie bereits erwähnt: Auf "gleißend" gibt es nicht allzu viele passende Reime. Naturgedichte schreibe ich ohnehin nicht mehr viele - tat es schon zu häufig und laufe nun Gefahr, mich zu wiederholen, weil mir die griffigen Bilder und Phrasen ausgehen, und in Kitsch möchte ich keinesfalls abgleiten. Betrachten wir dieses verstümmelte Sonett (bloß 4 Heber pro Zeile) als "Übung zum Thema"... LG, eKy
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