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Experimentelles Versuchslabor

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Alt 06.09.2015, 18:38   #1
Claudi
Senf-Ei
 
Registriert seit: 26.04.2014
Beiträge: 861
Standard Ioni geküsst

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lastwagen auf samtpfoten im frühherbst
prophezeihn: schluss!
mit dem einschläfernden sing-sang
.
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Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.
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Alt 06.09.2015, 19:46   #2
Bodo Neumann
Gesperrt
 
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Beiträge: 351
Standard

Hallo Claudi,

das Experiment gefällt mir, denn es stellt offensichtlich (und anhand aktueller Beispielvokabeln) die These auf den Prüfstand, dass es in deutschsprachiger Dichtung keine drei unbetonten Silben in Folge gebe.

Zumindest im ersten Vers sind mMn keine anderen sinnvollen Betonungen möglich. Im zweiten Vers würde man unter anderen Umständen wohl auch "proph" eine Betonung verleihen.

Auch wenn deine Aussage schon eine (persönliche) Wertung dieses Rhythmus' enthält - auf eine Diskussion bin ich gespannt.

lg Bodo

P.S.: Ach ja, der Titel? Vom Ionischen Dialekt geküsst? Mehr fiel mir dazu nicht ein...
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Alt 07.09.2015, 06:57   #3
Claudi
Senf-Ei
 
Registriert seit: 26.04.2014
Beiträge: 861
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Hallo Bodo,

Du traust Dich immer so unbefangen an meine Kuriositäten ran, da fände ich es jetzt fies, keinen Tipp zu geben. Die Titelwahl war blöd. Ich hätte bedenken sollen, dass das Wortspiel unnütz ist, wenn einem der "Ionikus" nichts sagt. Aber Wiki kennt ihn, und ich hoffe, dieser Thread wird für Dich nicht zum Brechmittel.

LG Claudi
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Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
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Alt 07.09.2015, 16:36   #4
Bodo Neumann
Gesperrt
 
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Beiträge: 351
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Hallo Claudi,

Zitat:
Du traust Dich immer so unbefangen an meine Kuriositäten ran
"unbeholfen" wolltest du sagen...

Okay, ich habe mich über den Ionikus informiert - jetzt verstehe ich das Ganze. Mit "ionischem Dialekt" war ich doch nah dran...

Dein Brechmittel, dein Faible für Doppelbetonungen, ist mir gestern tatsächlich lediglich beim Überdeutlichen "zeihn: Schluss!" aufgefallen.
Die von dir beabsichtigte ionikische Betonung funktioniert ganz hervorragen - wenn man es weiß bzw. einen Blick/ein Gefühl dafür entwickelt hat. Ich finde sowas spannend, wenn es auch (korrigiere mich bitte) nur wenig Bedeutung im Deutschen findet.

Hast du aber (spaßenshalber) auch mal meine Lesart ausprobiert?
lastwagen auf samtpfoten im frühherbst prophezeihn
XxxxXxxxXxxxX
Ich gebe zu, das ist der einschläfernde Singsang. Aber es funktioniert doch, oder?

Gruß Bodo
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Alt 10.09.2015, 06:26   #5
Claudi
Senf-Ei
 
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Beiträge: 861
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Hi Bodo,

Zitat:
"unbeholfen" wolltest du sagen...
nene, was ich sagen wollte, war: undogmatisch, vorurteilsfrei, aufgeschlossen.


Zitat:
Hast du aber (spaßenshalber) auch mal meine Lesart ausprobiert?
Hab ich. Und ich muss sagen, wenn man nicht weiß, worauf es hinauslaufen soll, könnte man genauso drei Senkungen vermuten. Je fester man mit dem Reimgedicht verwachsen ist, umso größer ist vermutlich die Wahrscheinlichkeit. Ich schätze, vor einigen Jahren hätte ich diese Variante auch für die einzig mögliche gehalten.

Dass Du die Verse, nachdem Du wusstest, was ich im Sinn hatte, aber auch mit Doppelbetonung lesen konntest und sie mir jetzt nicht um die Ohren haust, freut mich.

Nun ja, die Wörter fielen mir in Wolos Gedicht auf, weil sie sich so schwierig in ein "normales" metrisches Schema fügen. Notfalls könnte man sie in einem daktylischen Reimgedicht verwenden. Wirklich gute Daktylen sind es nicht, aber der Gleichklang setzt so starke Reize, dass das Ohr solche metrischen Unebenheiten nicht so deutlich wahrnimmt. Da lässt sich eine schwere Silbe schon mal in eine Senkung drücken bzw. eine leichte auf eine Hebung stellen, wenn ansonsten das Metrum stimmt.

Der Bewegungsvers ist viel sensibler gegen solche "Unreinheiten". Im Hexameter wäre so ein XXx-Wort, wenn er denn gut sein soll, nicht zu gebrauchen. Die einzigen beiden Möglichkeiten, die ich bis jetzt für solche sperrigen Wörter gefunden hatte, waren Plätze direkt über einer Zäsur, z.B. im Pentameter oder der asklepiadeischen Ode.

Na ja, und aus diesen Überlegungen ergab sich diese kleine Spielerei. Der nächste Schritt wäre jetzt, Bewegung in den lahmen Gaul zu bringen. Es gibt ja noch genügend andere Versfüße, die zusammen mit dem Ionikus einen schönen Vers ergeben könnten. Ob das im Deutschen jemals Bedeutung findet, ist mir, ehrlich gesagt, piepegal. Auf jeden Fall schärfen solche Übungen die Wahrnehmung, und ein Sinn für Feinheiten kann ja auch beim Reimgedicht nicht schaden.

Mal sehen, wie es weitergeht.

LG Claudi
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Alt 24.09.2015, 10:53   #6
wolo von thurland
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Beiträge: n/a
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das gefällt mir ausserordentlich gut. obwohl das "thema" sehr speziell und ad hoc ist.

lastwagen auf samtpfoten im frühherbst
prophezeihn: schluss!
mit dem einschläfernden sing-sang
--..--..--..--..--..--
oder
-...-...-.
..-/-
..-...-.
ist in meinen augen egal.
was du vorführst, ist, dass ein grundmetrum durch die rhythmik zu leben erweckt werden muss und kann.
warum überhaupt in frage steht, dass dies wichtig sein könnte?
a) weil es schwierig und extrem aufwändig ist, auf diese weise ein thema in den griff zu kriegen
und b) weil es für die meisten dichter zu schwierig ist.
darum ist wohl musik meist ohne worte.
gruss
wolo
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Alt 29.09.2015, 11:04   #7
Claudi
Senf-Ei
 
Registriert seit: 26.04.2014
Beiträge: 861
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Hallo Wolo,

ja, warum sollte man sich nicht seinen eigenen Vers bauen, wenn man gerne gebunden schreibt, aber die ewige Vierzeilen-Kreuzreim-, Sonett- und sonstige Leier satt hat? Vielleicht kommst Du ja auch noch auf den Geschmack, wenn Du die fünfhebigen Sizilianer leid bist.

Danke für Dein Interesse an meinen Spielereien!

LG Claudi
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