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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 04.05.2009, 20:52   #1
Chavali
ADäquat
 
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Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.001
Standard Depression


Du hältst dich an mir fest,
die Arme sind wie Schlingen.
Sie geben mich nicht frei,
ich muß nach Atem ringen.

Ich dachte, es ist Liebe,
zehntausend Meilen tief,
doch pulst der leise Zweifel,
die Ahnung, die mich rief.

Es können nur die Ängste sein,
die dich im Innern halten,
dein Dasein, nur mit dir allein,
des Lebens Sturmgewalten.

Du hältst noch immer fest an mir,
als könnt ich dich befreien
von deiner tiefen Nacht in dir.
Laß sie uns nicht entzweien.


__________________
.
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Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 05.05.2009, 09:08   #2
Leier
gesperrte Senorissima
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Pfalz
Beiträge: 4.134
Standard

Liebe Chavali,


ich kann das Gedicht als Zweierlei lesen:
Als echten Dialog oder als inneren Monolog ( Ich an Mich ), was ich eher zutreffend finde. Vor allem in den beiden ersten Strophen.

Deprimierend ist es auf jeden Fall. Daß Depressionen jemanden ganz tief hinabziehen können, das ist inzwischen Allgemeingut. Aus welchem tiefen Grunde sie auch herrühren mögen.
Das hast Du sehr gut umgesetzt, gerade weil Du Interpretationen Raum läßt.

Findet
mit lieben Grüßen
cyparis
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Alt 05.05.2009, 15:41   #3
a.c.larin
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Registriert seit: 14.03.2009
Ort: wien
Beiträge: 4.893
Standard

liebe chavali,
ich lese deine zeilen so: ein depressives lyrDu klammert sich an das lyrIch .
dem kommen mittlerweile bedenken, was es zunächst fü liebe gehalten hat, bekommt mehr und mehr den beigeschmack von zwang ( deine arme sind wie schlingen). auch die sorge taucht auf, dass die "tiefe nacht" des einen die zweisamkeit des paares zerstören könnte.
eine beobachtung , die leider nur zu wahr ist!
wenn sich diese nacht noch verstärkt , wäre hilfe von außen nötig , damit nicht der "stärkere" teil der beiden plötzlich die flucht ergreifen muss - oder auch in die "tiefe nacht" hinabgezogen wird....

gut beobachtet
meint
larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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Alt 05.05.2009, 20:09   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Beiträge: 9.908
Standard

Liebe Chavali,

ich sehe die Depressionen eher auf Seiten des LI's, die entstanden, durch das erdrückende Wesen des LD's.
LD scheint mit seinem Leben nicht zurecht zu kommen und klammert deshalb das LI sehr fest. Diese Besitzansprüche machen depressiv, denn ein Mensch kann nicht nur und immer zu 100% für jemand anderen da sein.
Das erzeugt auf die Dazer Frustrationen und eben Depressionen.
Vielleicht möchte das LI auch gerne helfen, kann es aber durch die Umstände nicht mehr schaffen.

Auch dies wäre eine Interpretationsmöglichkeit deines eher bedrückenden Gedichtes.

Der Text ist bildhaft dargestellt und weiß zu berühren.


In diesem Sinne gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 07.05.2009, 16:37   #5
Chavali
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Beiträge: 13.001
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Liebe cypi,
Zitat:
ich kann das Gedicht als Zweierlei lesen:
Als echten Dialog oder als inneren Monolog ( Ich an Mich ), was ich eher zutreffend finde.
Ja, wenn das deine Interpretation ist, warum nicht.
Hier ist aber ein echter Dialog gemeint. Ich hatte den Text geschrieben für jemanden, der mit einem solchen Partner(in) zu kämpfen hatte.
Die Beziehung hat dann leider nicht gehalten, die Belastung war zu groß.


Liebe larin,
Zitat:
ein depressives lyrDu klammert sich an das lyrIch .
So war meine Intention und deine Sichtweise passt dazu.
Es ist nicht jeder Partner so stark, das auszuhalten.


Lieber Faldi,


du hast ebenfalls meine Absicht erkannt und deiner Interpretation kann ich voll zustimmen.
Zitat:
Der Text ist bildhaft dargestellt und weiß zu berühren.

Vielen lieben Dank euch allen!


Herzliche Grüße,
Chavali
__________________
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Alt 07.05.2009, 18:09   #6
norbert
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 09.02.2009
Ort: im kalten schleidener tal
Beiträge: 1.011
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...wirklich ein anrührender text, der wohl exemplarisch von der problematik sehr vieler beziehungen erzählt.
die gefahr einer depression eines partners ist einfach zu naheliegend, oft anzeichen eines syndroms von vielerlei ursachen.
lösung? - keine ahnung...
liebe grüße
norbert
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Alt 08.05.2009, 05:47   #7
horstgrosse2
Gedankenspringer
 
Registriert seit: 24.04.2009
Ort: Schönbrunn
Beiträge: 192
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@Chavali
Hallo Katzi. Kann es sein das der Text doch noch etwas verschlüsseltes enthält? Depression entstanden aus einer unfruchtbaren Verbindung. Dann bricht einer der Partner aus und fällt in die Arme eines Anderen. Diese wiederrum liebt den Abtrünnigen abgöttisch, erkennt aber dass die Liebe zu Ihr eher eine Flucht war aus der Depression. Egal sie akzeptiert, denn sie liebt ihn abgöttisch.
Zitat, Strophe 4 Zeile 4, hat mich dahin geführt.
„Laß sie uns nicht entzweien.“
Bis später.
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Alt 08.05.2009, 08:01   #8
fee
asphaltwaldwesen
 
Registriert seit: 31.03.2009
Ort: österreich
Beiträge: 961
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hallo Chavali,


dein gedicht beschreibt treffend genau ein phänomen, das in vielen paarkonstellationen/beziehungen mehr oder weniger ausgeprägt vorhanden ist und dessen beziehungs- und persönlichkeitsschädigender mechanismus oft gar nicht erkannt wird.

ich hab mal in meiner handgeschriebenen psychologie-mappe geblättert und das hier dazu gefunden. es beschreibt die hintergründe und mechanismen in sachlicherer form, die dein gedicht sehr treffend und eindringlich auf den punkt bringt!

Zitat:
Die meisten Menschen werden von den zwei (mehr oder weniger stark ausgeprägten) großen Lebensängsten begleitet: Zum einen von der Angst vor der Isolation, zum anderen von der Angst vor der Nähe, dem Verschlungenwerden, dem Ich-Verlust.

Bei manchen ist eine der beiden Ängste besonders ausgeprägt, bei anderen wiederum beide gleichzeitig. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und dem gleichzeitigen Wunsch nach Distanz, entweder zwischen zwei Menschen mit unterschiedlicher Bedürfnislage oder als innerer Konflikt in der Person selbst. Beides wird in die Partnerschaft getragen und wird zum Beziehungs-bestimmendem Thema.

Bei vielen Paaren (das können neben Mann-Frau-Paaren auch Mutter-Tochter-Paare oder andere Paarkonstellationen sein) wirkt sich dieser Konflikt folgendermaßen aus: hier wird aus Isolationsangst eine symbiotische Beziehung angestrebt. Das Paar fühlt sich geradezu als eine Person, was die Liebe über kurz oder lang ersticken wird.

In einer solchen Partnerschaft/Paarkonstellation wird eine Persönlichkeitsenwicklung unmöglich gemacht, zu gut ergänzen sich die Partner - der eine bietet Schutz, der andere ist schutzbedürftig - entsprechend abhängig sind beide von einander.

Dieses Partnerschaftsprinzip wird Kollusion genannt.

Obwohl die Partner so „verschieden wirken“ ist der Grundkonflikt für beide der gleiche. Er wird nur in verschiedenen Rollen ausgetragen. Der eine Partner "wählt" den progressiven, der andere Partner den regressiven Selbstheilungsversuch. Progressiv meint hier jedoch Überkompensation.

Auf Dauer kann das nicht gutgehen, denn in Wirklichkeit sehnt sich auch der Beschützende nach eigener Kindlichkeit und Schutz. Langfristig wird eine solche Beziehung scheitern, da die verdrängten Anteile im eigenem Selbst wieder hochkommen.

ich lese dein gedicht auch als dialog zwischen dem zehrenden lyrDu und dem sich gefangen fühlenden lyrIch, kann ihn aber tatsächlich ebenso auch als inneren dialog lesen, in dem das lyrIch sich nicht von selbstschädigenden verhaltensweisen bzw. persönlichkeitsanteilen trennen kann oder mag, obwohl es diese erkannt hat. es geht in beiden auslegungsmöglichkeiten immer um die ängste, die uns mehr steuern als unser rationales denken.

und es geht immer auch um das grenzen setzen. auch dem menschen gegenüber, den wir am meisten lieben. beispielsweise für angehörige von alkoholkranken oder manisch-depressiven ist gerade das ein wichtiger lernprozess. zu anerzogen ist der gedanke des im-stich-lassens, obwohl ein teil im angehörigen fühlt, dass er sich dabei selbst auch vom gegenüber mit-schädigen lässt.

ein heikles thema und allgegenwärtig. oft auch im kleide der ach-so-innigen, aufopfernden liebe.

du hast es wunderbar offen für interpretationsspielraum formuliert.

sehr gern gelesen.


lieber gruß,


fee
__________________
"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan
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Alt 15.05.2009, 12:38   #9
Chavali
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Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.001
Standard

Liebe Freunde,
ich muss mich zuerst entschuldigen, dass ich euch so lange mit der Atnwort warten ließ

Hallo norbert,
Zitat:
...wirklich ein anrührender text, der wohl exemplarisch von der problematik sehr vieler beziehungen erzählt.
Vielen Dank dir. Du hast es auf den Punkt gebracht.

Hallo horst,
Zitat:
Kann es sein das der Text doch noch etwas verschlüsseltes enthält?
Nein, er ist so zu verstehen, wie du ihn liest.
Es sind auch keine framden Arme, sondern die des Partners.
'Sie' bedeutet in diesem Fall die Depression, die Krankheit, die man als Gesunder nicht immer auffangen kann.
Danke dir!

Liebe fee,

deine Ausführungen zu diesem Thema habe ich mit großem Interesse gelesen!
Zitat:
ich lese dein gedicht auch als dialog zwischen dem zehrenden lyrDu und dem sich gefangen fühlenden lyrIch, kann ihn aber tatsächlich ebenso auch als inneren dialog lesen,
Das mag sein und ich bin wirklich erstaunt (im positiven Sinne), was man aus dem Text alles herauslesen kann.
Bei Paaren mit diesem Problem ist es auch immer eine Gratwanderung.
Bleiben sie zusammen, werden nie beide gleichermaßen glücklich sein.
Zitat:
ein heikles thema und allgegenwärtig. oft auch im kleide der ach-so-innigen, aufopfernden liebe.
du hast es wunderbar offen für interpretationsspielraum formuliert.
Hab vielen Dank!


Liebe Grüße an euch,
Chavali
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