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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 08.03.2014, 11:13   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
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Standard Der letzte Schnitt

Mir ist ganz aufgeräumt im Herz zumute,
so seltsam wohlig, ohne Drang und Wollen.
Ich denke an das Schlechte wie das Gute,
das ich getan und hätte nicht tun sollen.

Kein Sichversehnen findet Halt in Träumen,
noch neue Bilder, die es weiterführen.
Kein letzter Wille, sich noch aufzubäumen
und keine Funken, die ein Feuer schüren.

Mir ist so leicht, so wunderlich im Sinne,
als sollte ich kein Leben mehr begehren.
Das Wasser rötet sich, und ich entrinne
durch Türen mir, die meine Adern leeren.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (09.03.2014 um 08:30 Uhr)
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Alt 08.03.2014, 12:33   #2
juli
Gast
 
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Standard Hallo eKy

Der letzte Schnitt...ich habe mich auch verlesen: der letzte Schritt, und der ist schon getan, unwiderbringlich rinnt das Leben so dahin, und der Dichter schaut ruhig zu. Du beschreibst einen Menschen, der abgeschlossen hat mit dem Leben.
Die Bilder die Du gefunden hast gehen nahe.

Auch wenn es traurig ist, gerne gelesen
Liebe Grüße von sy
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Alt 08.03.2014, 13:42   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard

Hi, Sy!

Nicht nur mit dem Leben abgeschlossen - ich beschreibe einen Menschen, der sich tatsächlich umbringt: Einen Suizid. Allerdings weisen erst die beiden letzten Zeilen, sozusagen als Aha-Effekt, darauf hin:
Das sich rötende Wasser (in heißem Wasser verblutet man schneller) und die Schnitte in den Handgelenken, die "Türen", durch die sich das LyrIch quasi selbst "entrinnt", ein kleines doppelsinniges Wortspiel, das ich mir nicht verkneifen konnte.

LG, eKy
__________________
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Alt 11.03.2014, 18:21   #4
Dana
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Lieber eKy,

starke Lyrik pro "Überzeugungstäter".
Das meine ich aus tiefstem Herzen, denn niemand ist fähig nachzuvollziehen, zu verstehen und schon gar nicht berechtigt zu urteilen.
Du hast jedes "Urteil" ausgelassen und einfühlsame Lyrik geschaffen.
Der "Abgang" vollzieht sich in Bildern, die den Lebensschmerz gänzlich auslassen. Es gilt nur noch die vollzogene Entscheidung.
Noch einmal: gut und stark.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 11.03.2014, 18:52   #5
Erich Kykal
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Hi, Dana!

WENN man mit "Nachhilfe" gehen sollte, dann so: Mit fast heiterer Gelassenheit, aufgeräumt und ohne Hass, Wut oder Unerledigtes auf dem Konto.

Vielen Dank für deinen vertiefenden Kommi!

LG, eKy
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Alt 09.05.2014, 11:07   #6
Narvik
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Hallo Erich Kykal,

dein Gedicht beschreibt einen Selbstmord durch Öffnen (wahrscheinlich) der Pulsadern.
Die ersten beiden Strophen sind sehr stark. Dort finden sich ein kurzes Rückbesinnen, die Einsicht, dass es keine Zukunft mehr gibt und ein gebrochener Lebenswille. In der letzten Strophe schließlich geschieht die Tat.
Allerdings will sich mir kein richtiges Bild zum Verbluten öffnen, denn "dass sich jemand durch Türen entrinnt, die seine Adern entleeren", finde ich sehr weit hergeholt. Hier schwächelt das Gedicht leider.

Herzliche Inselgrüße

Narvik
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant)
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Alt 09.05.2014, 15:36   #7
Erich Kykal
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Hi, Narvik!

Es schwächelt - oder es gebricht dir an Fantasie, das richtige Bild zu generieren.

Nö, Scherz beiseite - jeder pflegt andere sprachliche Präferenzen, webt nach anderen Mustern die Bilder im Kopf, die von der Sprache gemalt werden.
Was dem einen ein "starkes Bild" sein mag, kann möglicherweise den nächsten wiederum wenig beeindrucken.

Ich wollte bei der physischen Komponente eben nicht so "saftig" beschreiben, dass das Blut bis in jeden Winkel der Leserphantasie spritzt!
Ein fast abstraktes Andeuten gefiel mir da besser, und eben den Rest der Phantasie des Lesers überlassen. Interessant wäre auch festzustellen, wie lange jeder braucht, das Bild zu erkennen, zu begreifen, was da und wie es gemeint ist!

Also nix für ungut - mir gefällt es, wie's ist. Aber danke für diese Lesart, diese Facette möglicher Betrachtung.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (14.05.2014 um 21:20 Uhr)
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Alt 14.05.2014, 19:10   #8
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

wolltest du dir endlich das Leben nehmen? Dann bin ich der größte Dichter...

Ich weiß es nicht, was im Kopf eines Selbstmörders vorgeht.
Kurz vor meinem 18. Geburtstag hat sich ein 17jähriger Freund das Leben genommen, indem er sich vor einen Zug warf.
Wir waren damals in einer Clique und keiner von uns hat etwas bemerkt.
Das kam von einem Tag auf den anderen.
Daran habe ich sofort gedacht, als ich deinen Text las, auch wenn die Tat hier ganz anders geschieht.

Ist man aufgeräumt im Herzen und fühlt sich wohlig, wenn der endgültige Entschluss gefasst ist?
Wie gesagt, ich weiß es nicht, meist ist das doch eine Verzweiflungstat.

Aber es könnte durchaus auch so sein, denn wenn man sein Herz aufgeräumt hat, muss es wohl ziemlich leer sein.

Auf jeden Fall ist das sehr ergreifend und hat mir in diesem Sinne gut gefallen.

Übrigens die "Türen" finde ich auch nicht so prickelnd. Man könnte zwar sagen die Türen, durch die das Leben kommt und geht, aber irgendwie fließen durch Türen keine Flüssigkeiten, auch wenn es der Protagonist ist, der sich hier entrinnt, aber es geht ja um die Schnittverletzung als solche, durch die das Leben dann doch letztlich wieder entrinnt.
Wie wäre es stattdessen mit "Schleusen"? Sind zwar auch nicht kleiner, aber durch sie fließt eben Wasser und lyrischer finde ich die auch, als die "plumpen Türen".


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 14.05.2014, 21:31   #9
Erich Kykal
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Rotes Gesicht

HI, Faldi!

Ja, nur wenn das Herz aufgeräumt ist, kann man sich töten, obwohl man bei Sinnen ist. Wer sich noch gefühlsmäßig der Welt verbunden fühlt, wird dies nicht tun, es sei denn - wie gesagt - ein Schmerz ist so unerträglich groß, dass er den Betreffenden zu einer Wahnsinnstat treibt.

Ich war als Tennager in der Schule sehr unglücklich, weil gemobbt und gedemütigt. Ich habe schon öfter darüber geschrieben. Mit 16, 17 Jahren verhinderten eigentlich nur meine Feigheit und mein logisches Denkvermögen, dass ich meiner Existenz aus purer Verzweiflung und eingebildeter Rache an meinen Peinigern ein allzu frühes Ende setzte! - Und ja, so jung und dumm war ich wirklich einmal!

Später, als mir die Meinung der Welt endlich egal genug war, um nicht darob in Schwermut zu verfallen, kamen Depression, die selbstgewählte Isolation und noch ein paar andere niederschmetternde Eigenschaften meiner Persönlichkeit, mit denen ich lange zu kämpfen hatte. Auch da blieb dieser schwerste aller leichten Auswege immer eine Option im Hinterkopf, irgendwie Trost und Mahnung zugleich, letzte Zuflucht und endgültiges Scheitern in einem.

Jedenfalls kannst du sicher sein, dass ICH weiß, wovon ich rede, wenn ich so ein Gedicht schreibe...

Vielen Dank für deine offenen Gedanken!

LG, eKy
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