07.10.2013, 21:01 | #1 |
TENEBRAE
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Fragen der Liebe
Wer sind wir, wenn wir aufeinander warten,
verletzlich, weich und ohne Fundament, an dessen Schwere man sich wiederkennt, an all den Winkeln und den dunklen Scharten? Wer sind wir, wenn Gefühle Salti schlagen, ganz ohne Netze, und das Publikum geordneter Gedanken neigt sich stumm vor Kapriolen, die sie niemals wagen? Wer sind wir, wenn wir unverhohlen lieben, entmündigt von des Rausches Niederkunft, Verlorene des Glaubens an Vernunft? Und ist vom Taumel nichts zurückgeblieben, wer sind wir, wenn wir keinen Tag bereuen, uns dennoch halten und aus Halt erneuen?
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
07.10.2013, 21:49 | #2 |
Slawische Seele
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Lieber eKy,
Wer sind wir, wenn wir aufeinander warten, verletzlich, weich und ohne Fundament, an dessen Schwere man sich wiederkennt, an all den Winkeln und den dunklen Scharten? Das sind Liebende Wer sind wir, wenn Gefühle Salti schlagen, ganz ohne Netze, und das Publikum geordneter Gedanken neigt sich stumm vor Kapriolen, die sie niemals wagen? Das sind Liebende Wer sind wir, wenn wir unverhohlen lieben, entmündigt von des Rausches Niederkunft, Verlorene des Glaubens an Vernunft? Das sind Liebende Und ist vom Taumel nichts zurückgeblieben, wer sind wir, wenn wir keinen Tag bereuen, uns dennoch halten und aus Halt erneuen? Das sind Liebende Jene, die nicht fähig sind zu hinterfragen. Sie leben, was anderen zur Frage wird. Wie sollen sie antworten, was keiner Frage bedarf. Mit deinen wunderschönen Fragen hast du bereits geantwortet und damit ein prächtiges Liebessonett geschaffen. Diese ZWEI gibt es immer wieder und überall. Mit ihnen kann man nur nicht reden. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
07.10.2013, 22:10 | #3 |
TENEBRAE
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Hi, Dana!
Dies ist heute abend hier entstanden (gleich ins Themenfeld getippt), als ich auf Kommentare wartete - eigentlich bloß, weil mir langweilig war! Allerdings muss ich gestehen, dass selbst ich es für einigermaßen gelungen halte, was nicht so oft vorkommt. Vielen Dank für deinen nicht weniger lyrischen Kommentar! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
24.05.2014, 10:02 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Erich Kykal,
ich weiß nicht, ob die Frage nach dem "wer wir sind" allgemein beantwortet werden kann. Ist das nicht immer eine individuelle Definition, wie sich Menschen selbst empfinden und definieren? In der Liebe spielt die Vernunft nur eine sehr untergeordnete Rolle, denn sie erklären zu wollen, daran sind schon größere Geister gescheitert. Sie wird durch Gefühle gesteuert, gegen die man sich nicht wehren kann und doch spielt sie eine große Rolle für die Glückseligkeit, denn nichts ist schlimmer, als eine unerfüllte Liebe. Daran sind schon viele Menschen zerbrochen. In deinem Gedicht wäre die Antwort aber vielleicht möglich, denn die Vorgaben sind ja da. "Sie" sind also eine Gemeinschaft, die bereit ist, füreinander einzustehen und sich gegenseitig in guten und in schlechten Zeiten gegenseitig Halt zu geben. Das macht (d)ein Liebesgedicht aus. Herzliche Inselgrüße Narvik
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant) |
25.05.2014, 10:58 | #5 |
TENEBRAE
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Hi, Narvik!
Danke für deine Gedanken! Dieses Sonett hinterlässt mich in leichtem Zwiespalt. Mitnichten inhaltlich, jedoch formal. Eigentlich ist es nämlich ein großes Pfuipfui bei Sonetten, die letzten beiden Zeilen sich reinem zu lassen. Ich hatte derlei früher schon gemacht, aber da wusste ich noch nichts von dieser Regel (die ich übrigens nie so recht verstehen und nachvollziehen konnte...). Hier allerdings wusste ich durchaus um diese Regel - und habe mich dennoch frech darüber hinweggesetzt, weil ich finde, dass diese Form den Terzetten einen ganz eigenen beschwörenden Duktus verleiht. Natürlich werden die Puristen mich dafür kreuzigen, denn solche folgen immer blind den einmal aufgestellten Regeln und hinterfragen sie nie. Ich allerdings sehe den Sinn dieser Sonettregel nicht und verweigere mich - zumindest ab und an - ihrem Diktat. Vielen Dank für's Reinschauen! LG, eKy
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25.05.2014, 11:43 | #6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hi eky,
tiefenpsychologisch könnte man natürlich einiges über das entstehen von gefühlen und libidinösen gefühlen im besonderen sagen - doch das haben schon bessere als ich getan - und kamen zu dem schluss: man kann es gar nicht restlos erklären! daher gebe ich jetzt mal keine antwort auf die frage, außer diese: tiefe gefühle bewirken veränderungen, das sind einschnitte im erleben, wo schon mal jemand über seinen schatten springen kann, wenn auch (vielleicht) nicht für sehr lange.... für einen moment lang werden wir um des geliebten menschen willen zu einem besseren Ich. ( das kann aber auch bedeuten, dass wir allen anderen menschen gegenüber jetzt deutlich schnöder und gleichgültiger reagieren). liebe ist weder fair noch gerecht, noch planbar, steuerbar, eingrenzbar. liebe ist wie hochwasser. daher wird sie auch gefürchtet. nicht ganz zu unrecht, wie mir scheint. wer will schon nasse füße kriegen? das braucht mut, allemal. vielleicht ist das die - unausgesprochene - frage hinter dem text: bin ich mutig genug für dieses wagnis? einmal im leben sollte es jeder riskiert haben. sonst lernt er sich selber nie kennen in seinen möglichkeitenund grenzen. dein schönes sonett mag ich nicht zerpflücken. das funkelt wie ein kleiner diamant. die fassung dafür muss sich jeder selbst (er- )finden. lg, larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! |
25.05.2014, 12:10 | #7 |
TENEBRAE
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Hi, Larin!
Danke für deine Gedanken. Jemand, der zynischer ist als du (rate mal, wer...), könnte sie so auslegen: Also ist Liebe eigentlich höchst unehrlich, denn man verstellt sich ja im Grunde, wenn man, um sein libidinöses Ziel zu erreichen, so tut, als wäre man ein besserer Mensch, als man tatsächlich ist. Beweis? - Dass dies eben nicht von Dauer ist. Früher oder später, wenn Gewohnheit und Alltag Einzug halten, kommt das wahre Wesen wieder zum Vorschein...und wieviele Beziehungen scheitern dann daran!? Ich weiß, eine bitterböse Auslegung, sehr materialistisch. Wer liebt, sagst du, verstellt sich ja nicht, er WILL ja wirklich für seine Liebe da sein, für sie ein besserer Mensch sein. Frage ist nur: Ist das Motiv wirklich so selbstlos, wie er selbst offenbar glaubt??? Der emotionale Zustand der Verliebtheit ist eine simple hormongesteuerte Funtion, die die Erhaltung der Art sicherstellen soll - die Natur sieht das sehr pragmatisch, hier zählt nur der manipulative Effekt der Emotion, die sie generiert - weil das eben so am besten funktioniert! Auf einer distanzierteren Ebene also IST Liebe höchst unehrlich, manipuliert die armen Narren wirkungsvoll und einzig zu einem höchst gefühllosen Zweck: Der Notwendigkeit der Arterhaltung! Romantik ist nur der Zucker für diese bittere Medizin! Was letztendlich mit alldedem versöhnt ist der Umstand, dass dadurch eben mitunter doch die "Richtigen" sich finden, die auch nach der Limerenzphase harmonieren und einander bestärken - einfach, weil eine Verstellung (aus welchen Gründen und Motiven auch immer) nie notwendig war! Das ist die Quintessenz meiner Zeilen. LG, eKy
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25.05.2014, 12:53 | #8 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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lieber erich,
jetzt kommt die gute nachricht: wir menschen können mittlerweile schon verliebt sein, OHNE die art zu erhalten. (eine generation von frauen hat endlich aufhören dürfen, bloße gebärmaschine zu sein. ) und komplett selbstlos sind nur die toten - die sind sich nämlich wirklich sich SELBST LOS. was die selbstlosigkeit unter den lebenden anbetrifft: es kann natürlich vorteile haben, die eigenen bedürfnisse zugunsten andere hintanzustellen: soziale anerkennung und vielleicht die hoffnung, dass auch die andern mal zurückstecken, wenn man es selber braucht. es soll aber auch idealisten geben, die eine geheimen SINN in dem verzicht sehen, den sie gerade üben, (also, wenn da einer mal radelt anstelle das auto zu benützen. wenn er nicht jeden tag fleisch verschlingt. wenn er nachhaltige produkte kauft oder überhaupt nicht mehr so wahllos komsumiert. wenn man das handy abdreht oder den computer oder den fernseher oder nicht raucht, auch wenn alle um einen her qualmen) es kann durchaus vorteile haben, nicht alles und jedes sofort haben zu müssen (das gute alte "spare in der zeit, dann hast du in der not" kommt hier zur anwendung) man hat auch herausgefunden, dass kinder, die bedürfnisaufschub leisten können,(indem sie auf eine kurzfristige klenie belohnung zugunsten einer größeren, die aber erst später erfolgt) wesentlich konzentrierter und effektiver lernen und es daher auch im späteren leben weiter bringen als die egozentrischeren "sich -sofort-befriediger." eros sexus caritas oder agape immer ist da ein selbst im spiel, von dem es ausgeht - aber der anteil an raum, der dem andern in diesem spiel zugemessen wird, ist unterschiedlich. liebe gleichzusetzen mit manipulation lässt mich vermuten, dass du dich vorwiegend mal mit den ersten beiden spielarten beschäftigt hast. ich hoffe, du lernst noch mal was anders kennen ( und lieben!) und liebe ist nicht gleich verliebtheit! auch das ist ein trugschluss, durch den wir alle durchmüssen. und das scheitern von beziehungen hat nicht immer nur mit dem mangel an liebe zu tun. oft gibt es systemisch bedingte stolpersteine und hindernisse, aber auch lebensgeschichtlich bedingte tragödien und nöte, an denen die ursprüngliche liebe wegen überlastung zugrunde geht. liebe ist kein unbegrenzt belastbarer tragesel. auch das ist ein weit verbreiteter irrtum. ("wenn du mich liebts, dann hältst du das alles aus." NÖ! ich liebe dich - und ich halte nicht alles aus, was du mir da zumutest). liebe ist auch nicht dazu da, dass sich einer für den andern aufopfert. er kann dem partner manches sich - zurücknehmen zum geschenk machen - aber es muss immmer ein geschenk bleiben , d.h aus freien stücken erfolgen, sonst ist das geschenk kein geschenk mehr sondern eine zwangsjacke. die liebe ist ein kind der freiheit - und sie dann schwer zu erreichen, wenn man den anderen menschen nicht loslassen kann oder willen. und dann gibts da noch das klitzekleine problem des gehalten werdens. wie stark oder fest kann / soll/ muss das sein? keine antwort im allgemeinen - das müssen sich die zwei betreffenden immer selber ausschnapsen. es gibt übrigens ein interessantes buch zum thema "Liebe": Yoram Yovell: Liebe und andere Krankheiten Yoram Yovell ist Psychoanalytiker, Psychiater und Neurobiologe - insoferne erzählt er fundiertes aus seiner praxis in sogenannten "fallgeschichten". das liest sich flockig und locker und ist sehr gescheit gemacht. quasi bettlektüre. und danach wird man feststellen: bei allen antworten , die man erhalten hat, bleiben da immer noch ein paar fragen..... lg, larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! Geändert von a.c.larin (25.05.2014 um 12:57 Uhr) |
27.05.2014, 00:41 | #9 |
TENEBRAE
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Hi, Larin!
Danke für deine reichhaltige Antwort! Natürlich könnten wir - und konnten schon immer - verliebt sein, zu welchem Zweck auch immer. Entscheidend ist allerdings, dass die Funktion des Verliebens und Verliebtseins an sich nur erschaffen wurde, um die Arterhaltung zu optimieren. Liebe festigt die Paarbindung oder andere soziale Gefüge und bietet etwaigem Nachwuchs so bessere Überlebenschancen. Interessanterweise war die "ewige" Liebe der Romantiker nie Teil des Programms. Die eigentliche Liebe hält ein paar Jahre, was den Kindern einen guten Start bieten soll. Natürlich "liebt" man den Partner weiter, wenn man einander mag und versteht, aber da steht kein genetisch programmiertes Verhalten mehr dahinter. Natürlich schreit jetzt jeder auf: Aber ich war ja nie ferngesteuert - ich liebe immer freiwillig! Wirklich? Die Forscher wissen heute: Weit weniger freiwillig, als man glauben möchte! Welche sublime Rolle allein der Geruch spielt, wird kaum jemandem klar, aber es heißt nicht umsonst: "Ich kann dich gut riechen!" Ausgelöst von uralten Reizen laufen da hormongesteuerte Prozesse ab, die keiner bewusst wahrnimmt - natürlich glaubt jeder, er handele nach eigenem Ermessen. Ja, aber nicht nach dem seines in dieser Angelegenheit ferngesteuerten Bewusstseins, sondern nach dem Willen seines eigenen Fortpflanzungsprogramms im Stammhirn, mit dem die Natur dafür sorgt, dass es weiterhin Menschen gibt. Die Entscheidung, ob man dann wirklich Kinder machen will, kann man heute dank Pille und anderer Hilfen bewusst treffen, aber das Verlieben und Liebe suchen an sich läuft in uns ab, ob wir wollen oder nicht. Da sind wir nur seeehr eingeschränkt Herren unseres Handelns und Wandelns! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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