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Alt 03.04.2016, 09:42   #1
Aufwind
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Standard Held der Freiheit

Held der Freiheit
Steig auf die Empore
Und schrei sie heraus, die Klage!
Auf dass die Welt vernimmt
Den Klang der Schmerzen
Und des Elends dieser Tage

Sei immer mutig und beherzt
Auch wenn dir starke Hände drohen
Und fast zerbrichst in tausend Scherben
Ist jenes nur ein kleiner Preis —
Den zu Zahlen sei bereit
Um als freier Held zu sterben
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Alt 03.04.2016, 16:49   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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HI, Aufwind!

In S2Z3 fehlt ein "du" nach dem "Und", oder du tauschst das "Und" am Zeilenbeginn durch ein "Du" aus.

Der Verzicht auf (fast) alle Satzzeichen und diese unselige Marotte, alle Zeilen groß zu beginnen, macht den Text nicht eben leichter lesbar.
Nicht alles ist gleich schon Lyrik, bloß weil man die Zeilen groß beginnt und eigentlich recht simpel formulierte Prosa abteilt und in Strophenform untereinander schreibt.

Dem Text entnehme ich mal frech, dass du entweder ein recht emotionaler oder ein recht junger Mensch bist - für am Leben und an der Dichtkunst Gereifte kommen deine Zeilen doch ein wenig arg pathetisch daher.
Dieser schmetternde Aufruf wirkt doch recht heroisch-schmalzig, erinnert an frühere Zeitalter: "Dulce et decorum est pro patria mori!"

Um wieviel "süßer und ehrenvoller" es aber wäre, für seine Ideen/Lieben/Kultur zu LEBEN, und wieviel mehr Mut dies oft erfordert, davon singen diese Heldenlieder nie! Sowas kann man Selbstmordattentätern aber auch nicht erzählen, wenn man will, dass sie sich im Namen ihrer ungnädigen Götter und zum politischen Nutzen der Aufhetzer in die Luft jagen!

Das ist übrigens der einzig sinnvolle Deutungsansatz, der mir hierzu einfällt:
Dass dies eine sarkastische Persiflage jener Kräfte ist, die junge Muslime dazu aufrufen, für "Allah" zu kämpfen (was das dortige Äquivalent zu "Freiheit" darstellt) oder gleich geplant zu sterben!
Derlei manipulative Rhetorik mag in den bildungsfernen Regionen und Kreisen noch eher verfangen, in denen solch stupide oder perfide Menschenfänger noch willige Opfer/Täter finden!

LG, eKy


PS: Kleiner Tipp: Wenn man jemanden länger kennt und seine Motivation und Geisteshaltung schon einigermaßen gut einschätzen kann, wird eine Persiflage oder Satire durchaus richtig interpretiert werden. Als Einstandswerk - so es denn eine ist - birgt sie die Gefahr, dass man dem Unbekannten zutraut, derlei in vollem Ernst zu schreiben, da man noch keinerlei Handhabe hat, ihn einzuschätzen. Zum Kennenlernen also eher weniger geeignet, zumindest ohne erklärenden Beitext.

Solltest du den obigen Text allerdings tatsächlich bierernst meinen - vergiss mein Postskriptum!
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (03.04.2016 um 21:41 Uhr)
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Alt 03.04.2016, 18:18   #3
Hollerith
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Hallo Aufwind,

das kann eigentlich nicht die Klage eines Helden sein - oder verstehe ich da was falsch?
Ein Held klagt nicht - er handelt. Und zu sterben kann auch kein hehres Ziel eines Helden sein, es sei denn, er kommt aus einer anderen Kultur.
Es wäre schön, würdest du uns (mir ) deinen Text etwas näher bringen.

Von der Sache her aber eigentlich nicht schlecht geschrieben und ein Text in dieser Form und mit diesem Inhalt braucht auch nicht zwingend Satzzeichen, das sehe ich ganz anders als Erich Kykal.

Gruß Holle
__________________
Mit Adleraugen such ich dich, durch Adleraugen find ich dich.
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Alt 04.04.2016, 01:06   #4
Aufwind
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Also zunächst mal vielen Dank für eure Kritik und die für mich sehr überraschende Interpretation.

Du hast mich durchschaut, Erich: Ich habe keine langjährige Erfahrung als Dichter, daher braucht es wahrscheinlich noch eine Weile,
einen guten Schreibstil zu finden. Aber Emotionen sind mir sehr wichtig.

Zum Gedicht:

Erich, deine Interpretation geht in eine ganz andere Richtung. So habe ich das noch gar nicht gesehen.

Hollerith, es ist tatsächlich auch keine Klage eines Helden.

Es hat auch nichts mit dem Islam direkt, oder Terrorismus zu tun!

In dem Gedicht ist ein Held der Freiheit jeder, der die Freiheit gegen größere Mächte verteidigt.
Zum Beispiel ein Journalist, der sich gegen den Staat wehren muss und um seine Pressefreiheit kämpft.
Es geht darum, das die Wahrheit über Missstände und Verbrechen ans Licht kommen muss, um jeden Preis!

Das ultimative Ziel soll es sein, in der so erkämpften Freiheit sterben zu können und nicht in einem unterdrückten Staat,
in dem man nichts laut sagen darf ohne gleich eingesperrt zu werden.

Vielleicht mag es naiv erscheinen, dennoch ist diese Unfreiheit in einigen Ländern leider Normalität.
Versteht es also als Aufruf an all jene, die Wahrheit zu sagen oder offen zu sprechen, denen der Mut dazu genommen wurde.

Ist der Begriff des "Helden" in dem Fall irreführend? Warum soll es nicht moderne Helden geben? Manche würden vielleicht Edward Snowden für einen Helden der Freiheit halten.

"Du fast zerbrichst in tausend Scherben"
Ja jetzt klingt es richtig, danke.

Ich hoffe, ich konnte etwas Klarheit schaffen.
__________________
Held der Freiheit
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Alt 04.04.2016, 10:07   #5
Thomas
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Beitrag

Lieber Aufwind,

sei gegrüßt auf der Insel.

Ich glaube das wesentliche Problem, was Erich als falschen Pathos empfand, besteht darin, dass du einen Aufruf schreibst. Die bekommen der Poesie nicht, da bei einem Aufruf der Zweck ganz im Vordergrund steht – ähnlich wie bei einer Gebrauchsanweisung, die selbst in gereimter Form nicht zum Gedicht wird, etwas „Sie müssen nur dem Nippel durch die Lasche ziehn...“

Wenn du die gleiche Aussage persönlich, bzw. zu etwas Persönlichem machst, besteht die Möglichkeit, dass sie poetisch wird. Der Leser kann dann erkennen und möglicherweise frei entscheiden, sich die darin enthaltene Aufforderung zu Eigen zu machen.

Ich füge zwei Beispiele von Heinrich Heine an, bei denen mir das gelungen erschein.

Liebe Grüße
Thomas


Doktrin

Schlage die Trommel und fürchte dich nicht,
Und küsse die Marketenderin!
Das ist die ganze Wissenschaft,
Das ist der Bücher tiefster Sinn.

Trommle die Leute aus dem Schlaf,
Trommle Reveille mit Jugendkraft,
Marschiere trommelnd immer voran,
Das ist die ganze Wissenschaft.

Das ist die Hegelsche Philosophie,
Das ist der Bücher tiefster Sinn!
Ich hab sie begriffen, weil ich gescheit,
Und weil ich ein guter Tambour bin.



Enfant Perdu

Verlorner Posten in dem Freiheitskriege
Hielt ich seit dreißig Jahren treulich aus.
Ich kämpfe ohne Hoffnung, daß ich siege,
Ich wußte, nie komm ich gesund nach Haus.

Ich wachte Tag und Nacht - Ich konnte nicht schlafen,
Wie in dem Lagerzelt der Freunde Schar -
(Auch hielt das laute Schnarchen dieser Braven
Mich wach, wenn ich ein bißchen schlummrig war.)

In jenen Nächten hat Langeweil ergriffen
Mich oft, auch Furcht - (nur Narren fürchten nichts) -
Sie zu verscheuchen, hab ich dann gepfiffen
Die frechen Reime eines Spottgedichts.

Ja, wachsam stand ich, das Gewehr im Arme
Und nahte irgendein verdächtger Gauch,
So schoß ich gut und jagt ihm eine warme,
Brühwarme Kugel in den schnöden Bauch.

Mitunter freilich mocht es sich ereignen,
Daß solch ein schlechter Gauch gleichfalls sehr gut
Zu schießen wußte - ach, ich kann's nicht leugnen -
Die Wunden klaffen - es verströmt mein Blut.

Ein Posten ist vakant! - Die Wunden klaffen -
Der eine fällt, die andern rücken nach -
Doch fall ich unbesiegt, und meine Waffen
Sind nicht gebrochen - nur mein Herze brach.
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.04.2016, 19:14   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Aufwind!

Ich habe dein Gedicht nicht "Richtung Islamismus" gedeutet, ich wollte nur ins Feld führen, dass diese Art Pathos, wie sie aus deinen Zeilen klingt, ganz allgemein betrachtet dieselbe ist, wie sie auch jene Menschenverhetzer verwenden, um nützliche Idioten für die "heilige Sache" anzuwerben.
Denn "Freiheit" oder "wahrer Glaube" sind nur austauschbare Worthülsen, die von jenen mit "Botschaft" im Rahmen der jeweiligen Kultur mit Bedeutung befrachtet werden.
Die kann dann recht dehnungsfähig sein, je nach persönlicher oder gesellschaftlich indoktrinierter Definition: Was für den einen noch Freiheit ist, erscheint dem anderen schon wie perverse Ausschweifung usw...
So gesehen muss man mit derlei Gemeinplätzen immer vorsichtig sein - sie sind eben vieldeutig auslegbar, und plötzlich sieht man sich als "Sprachrohr" einer Ideologie, die man gar nicht ansprechen wollte!

So, genug Philosophie für heute!


Hi, Thomas!

Also, wenn du mich fragst - Heinrich Heine würde ich jetzt nicht als lyrisches Vorbild ausweisen! Für mich ist er größtenteils dichterisches Mittelmaß, was Rhythmus, Versbildung, Sprachfindung und -melodie angeht.
Seine Bekanntheit ist hauptsächlich seiner - damals neuen und mutigen - Sozialkritik und politischen Kritik geschuldet, nicht seinen doch recht limitierten poetischen Fähigkeiten!


LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 04.04.2016, 19:58   #7
anamolie
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Beiträge: n/a
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Na, Philosophie kann man den Baatz ja nicht gerade nennen, den der Herr
Kykal da in die Landschaft sondert!
"Freiheit" ist mitnichten nur irgendwas - das Spektrum von Freiheit,
Ausschweifung, Liberalismus, Orgie, Verbrechen, mag ja weit gehen,
aber es ist sehr leicht, einem Menschen die Freiheit zu nehmen!

Handschellen, clic clic, die eine an die Hand, die andere an, sagen wir mal,
zB, ein Heizungsrohr. Mal schauen, wie lange der Herr Kykal da brauchen
würde, um gewissen Grundbegriffen von Lebendigkeit wieder sich selbst
einzuräumen... wie gnädig, dass das Leben auch jenseits verquaster
"Philosophie" noch sowas Banales wie Substanz haben darf.

---

Heine so zu benennen, empfinde ich als recht dummdreist.

Das hinterlässt mich doch recht entsetzt!
Er mag ja limitiert an Metrum "einfach drauflos gevierzeilt" haben,
aber wer einen Asra schreibt, ist für mich im Dichter-Olymp angekommen!

Oder Childe Harold. Schlicht NIEMAND hat es jemals geschafft,
so wie Heinrich Heine tragisch-düstere Romanzen zu verfassen, NIEMAND.

Gedichte sind nicht nur ausgebuffte Metrik, sondern auch Ton,
Traum, Tragik, und da ist Heine mE unübertroffen, schlicht ein Meister.

Der hätte NUR den Asra schreiben können, und er hätte damit Alle übertroffen.
Also, Heine so despektierlich abzutun --- halte ich für ein Verbrechen,
eine Straftat, die unter deutschen Dichtern GAR NICHT geht!

---

Ich hab/hatte Aufwinds Gedicht schon so verstanden, unabhängig von einem
Politikum gleich welcher Art, eher als moralische Aufforderung, insofern
glaube ich, verstand ichs auch ganz richtig.
Das Problem daran, das mich daran gelangweilt hat:

Es ist eine Proklamation. Alleine..., ach, ich schreibs als Poesie:



Tats, dem wehen, wunden
Herzen, feurig brennend,
aus dem Hades hochgeschunden,
nurmehr Feinde kennend ---

Ists dem wahren Helden
doch nur steter Hohn,
zeichnet er den Herzgemälden
Mut als Proklamation.

Muss ers erst noch
proklamieren ---
lacht der Hades doch,
beim Noch-Krepieren.



Entweder man tuts, oder man schreibts.
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Alt 04.04.2016, 21:39   #8
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
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Ich weiß jetzt gar nicht, wen ich als erstes verteidigen soll, Heine oder Aufwind. Heine lass ich unten dann einfach für sich selbst sprechen und man beachte vor allem auch seine hellseherischen Fähigkeiten!

Lieber Aufwind,

Erst einmal herzlich willkommen! Lass dich nicht verunsichern. Da muss man durch!

Deine Anliegen gefallen mir! Nur messianische Aufrufe mögen zwar hehren Absichten entspringen, aber hat das bisher in der Menschheitsgeschichte etwas genützt? Ich persönlich finde, dass Lyrik eher dafür da ist, Letzteres zu thematisieren! (Gesellschaft)politische Anliegen in Lyrik zu verpacken ist die schwierigste Aufgabe, die man sich als Schreiben vornehmen kann. Aber lass dich nicht entmutigen und mach weiter!

Lieben Gruß
charis



Almansor

In dem Dome zu Corduva
Stehen Säulen, dreizehnhundert,
Dreizehnhundert Riesensäulen
Tragen die gewaltge Kuppel.

Und auf Säulen, Kuppel, Wänden
Ziehn von oben sich bis unten
Des Korans arabsche Sprüche,
Klug und blumenhaft verschlungen.

Mohrenkönge bauten weiland
Dieses Haus zu Allahs Ruhme,
Doch hat vieles sich verwandelt
In der Zeiten dunkelm Strudel.

Auf dem Turme, wo der Türmer
Zum Gebete aufgerufen,
Tönet jetzt der Christenglocken
Melancholisches Gesumme.

Auf den Stufen, wo die Gläubgen
Das Prophetenwort gesungen,
Zeigen jetzt die Glatzenpfäfflein
Ihrer Messe fades Wunder.

Und das ist ein Drehn und Winden
Vor den buntbemalten Puppen,
Und das blökt und dampft und klingelt,
Und die dummen Kerzen funkeln.

In dem Dome zu Corduva
Steht Almansor ben Abdullah,
All die Säulen still betrachtend,
Und die stillen Worte murmelnd:

»O, ihr Säulen, stark und riesig,
Einst geschmückt zu Allahs Ruhme,
Jetzo müßt ihr dienend huldgen
Dem verhaßten Christentume!

Ihr bequemt euch in die Zeiten,
Und ihr tragt die Last geduldig; -
Ei, da muß ja wohl der Schwächre
Noch viel leichter sich beruhgen.«

Und sein Haupt, mit heiterm Antlitz,
Beugt Almansor ben Abdullah
Über den gezierten Taufstein,
In dem Dome zu Corduva.

2

Hastig schritt er aus dem Dome,
Jagte fort auf wildem Rappen,
Daß im Wind die feuchten Locken
Und des Hutes Federn wallen.

Auf dem Weg nach Alkolea,
Dem Guadalquivir entlange,
Wo die weißen Mandeln blühen,
Und die duftgen Goldorangen;

Dorten jagt der lustge Ritter,
Pfeift und singt, und lacht behaglich,
Und es stimmen ein die Vögel
Und des Stromes laute Wasser.

In dem Schloß zu Alkolea
Wohnet Clara de Alvares,
In Navarra kämpft ihr Vater,
Und sie freut sich mindern Zwanges.

Und Almansor hört schon ferne
Pauken und Trommeten schallen,
Und er sieht des Schlosses Lichter
Blitzen durch der Bäume Schatten.

In dem Schloß zu Alkolea
Tanzen zwölf geschmückte Damen,
Tanzen zwölf geschmückte Ritter,
Doch am schönsten tanzt Almansor.

Wie beschwingt von muntrer Laune,
Flattert er herum im Saale,
Und er weiß den Damen allen
Süße Schmeichelein zu sagen.

Isabellens schöne Hände
Küßt er rasch, und springt von dannen;
Und er setzt sich vor Elviren,
Und er schaut ihr froh ins Antlitz.

Lachend fragt er Leonoren:
Ob er heute ihr gefalle?
Und er zeigt die goldnen Kreuze
Eingestickt in seinen Mantel.

Er versichert jeder Dame:
Daß er sie im Herzen trage;
Und »so wahr ich Christ bin!« schwört er
Dreißigmal an jenem Abend.

3

In dem Schloß zu Alkolea
Ist verschollen Lust und Klingen,
Herrn und Damen sind verschwunden,
Und erloschen sind die Lichter.

Donna Clara und Almansor
Sind allein im Saal geblieben;
Einsam streut die letzte Lampe
Über beide ihren Schimmer.

Auf dem Sessel sitzt die Dame,
Auf dem Schemel sitzt der Ritter,
Und sein Haupt, das schlummermüde,
Ruht auf den geliebten Knieen.

Rosenöl, aus goldnem Fläschchen,
Gießt die Dame, sorgsam sinnend,
Auf Almansors braune Locken -
Und er seufzt aus Herzenstiefe.

Süßen Kuß, mit sanftem Munde,
Drückt die Dame, sorgsam sinnend,
Auf Almansors braune Locken -
Und es wölkt sich seine Stirne.

Tränenflut, aus lichten Augen,
Weint die Dame, sorgsam sinnend,
Auf Almansors braune Locken -
Und es zuckt um seine Lippen.

Und er träumt: er stehe wieder,
Tief das Haupt gebeugt und triefend,
In dem Dome zu Corduva,
Und er hört viel dunkle Stimmen.

All die hohen Riesensäulen
Hört er murmeln unmutgrimmig,
Länger wollen sies nicht tragen,
Und sie wanken und sie zittern; -

Und sie brechen wild zusammen,
Es erbleichen Volk und Priester,
Krachend stürzt herab die Kuppel,
Und die Christengötter wimmern.

Geändert von charis (05.04.2016 um 06:32 Uhr)
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