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Alt 28.01.2012, 15:01   #1
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asphaltwaldwesen
 
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Beiträge: 961
Standard Buxhecken und Bootshäuser

Manchmal, wenn die Sonne wärmt und der Wind nur sacht und aus der richtigen Richtung weht, trägt dieser mir den Duft grüner Buxbaum-Hecken in die Nase und augenblicklich fühle ich mich um mehrere Jahrzehnte zurückversetzt in jene reichen Tage unbeschwerter Sommer am Grundlsee mit meiner Großmutter. Dann bin ich wieder der "kleine Knirps" in den roten Gummistiefeln und dem heißgeliebten "Wetterfleck", der an Großmutters Hand Feuersalamandern, Frauenschuhen, Trollblumen und Teufelskrallen auf der Spur, die Gegend dort auf langen Streifzügen erwanderte und davon nie genug bekommen konnte.

Die nah am Ufer erbaute, romantische Villa Castiglioni mit ihrem großen Seegrund war zu der Zeit das Erholungsheim für die Angestellten der Handelskammer, in der meine Großmutter inzwischen schon eine relativ hohe Position bekleidete. Familienmitglieder - also ich, aber auch meine Eltern - waren jederzeit willkommen. Viele Kurzurlaube verbrachte ich jedoch allein mit meiner Großmutter dort. Oft auch im Herbst die eine oder andere Woche, was ich sehr liebte, denn dann war der Wald, der die Villa von der Landseite her umschloss, in all die prächtigen, leuchtenden Farben getaucht, die mich auch heute noch bis ins Innerste wärmen bei ihrem Anblick. Oder zu Ostern, wenn die Wiesen weiß erstrahlten voller Narzissen, so weit das Auge reichte.

Die Urlaube nur mit Großmutter waren mir die liebsten. Wir waren ein eingeschworenes Team, "Olli" und ich. Sie wusste die tollsten Geschichten und Begebenheiten über die Waldzwerge, die hinter der Villa rund um den steinernen Obelisken tanzten, wenn keiner hinsah. Über jene winzigen Geister, die den alten, morschen Baumstumpf gleich hinter der Biegung des finsteren Waldpfades zum Leuchten brachten, weil sie in ihrer Behausung schließlich Licht brauchten. Über die Klugheit des Feuersalamanders, der den besonders mutigen Blumenfeen Reittier war, wenn sie ihn bezähmen konnten. Und noch vieles mehr.

"Das alte Haus von Rocky Docky" war unsere Hymne und Ruderboot zu fahren unsere große Leidenschaft. So brachte ich es schon im zarten Alter von vier zu beachtlichen Fähigkeiten, was das Manövrieren mit Rudern anging. Elektroboote waren in meinen Augen Kinderkram für die Touristen, die oft von der gegenüberliegenden Seite des Sees vom Bootsverleih aus unseren Weg kreuzten, lächerlich langsam tuckernd und mit einem Lenkrad, das für mein Gefühl in einem Boot nichts verloren hatte. Ich legte mich dann immer besonders in die Riemen und genoss, ihnen davonzuziehen.

Auch das Bootshaus, das der Villa angehörig war, war für mich ein verzauberter Ort. Das Spiel der Lichter an den Holzwänden, die mit großen Haken allerlei beeindruckendes "Seemannszeug" bewahrten, das Schlagen der Wellen gegen die Pfosten und Boote. All das war durchsetzt von dem Duft von warmem Holz, Algen, kühlem Seewasser und Bux, der allüberall die Kieswege und steinernen Treppen rundum säumte.
Saß ich im Bootshaus, existierte die Welt um mich herum nicht mehr. Das war ein eigener Kosmos aus intensivem Hören und Riechen und dem Flirren der Reflexionen des Sonnenlichts auf sich kräuselnden Wellen über meine geschlossenen Augenlider. Das träge Platschen und gedämpfte Knarren der Boote dazu, in dem ihnen eigenen Rythmus, ließ mich die Zeit vergessen und erfüllte mich ganz und ausschließlich mit Erspürtem. So, dachte ich, müsste es sich anfühlen, schweben zu können - warm, flimmernd leicht und innerlich angefüllt von Glück bis zum Zerspringen.

Es war eine verwunschene, kinderglückselige Zeit damals, mit all der herrlichen Natur um uns, mit den Almblumen, den Bergen, den Bootsfahrten, mit den Gewittern über dem See, die ich mit Großmutter vom Turmzimmer der Villa aus beobachtete, schon schauernd-freudig auf das nächste gewaltige Krachen wartend, wenn der Blitz tief in den pechschwarzen See einfuhr. Mit der hölzernen Kegelbahn, die mich immer eine kleine Mutprobe kostete, wenn ich zum Kegel-Aufstellen ans finstere Ende der Bahn musste. Der Lohn dafür war, neben der Kugel in der Laufrinne an der Wand entlang wieder zu Großmutter zurück ins Helle laufen zu dürfen. Am schönsten war das, wenn es regnete. Da die Kegelbahn zur Seeseite hin nur von einer offenen Balustrade begrenzt war, hörten wir die dicken Tropfen schwer auf Dach, Kies, Buxhecken und Farnblätter fallen. Ich liebte diese Freiluftkonzerte nur für uns!
Überraschte der Regen uns auf einer unserer ausgedehnten Wanderungen, schützten wir die Köpfe mit selbstgedrehten Hüten aus riesigen Huflattichblättern vor dem Gröbsten und fühlten uns mit den obligaten Wanderstöcken dazu wie zwei etwas zu groß geratene Waldwichtel.

Der Anblick der Villa, wenn wir von einer unserer Expeditionen heimkehrten, war für mich immer ein kleiner Moment, in dem mein Herz auszusetzen schien. Dort durfte ich wohnen, dort war ich Abenteurerin, Prinzessin, Pirat, Waldschrat und geliebtes Enkelkind zugleich. Welch Privileg, welch Glück und welch Reichtum!

Noch heute setzt mein Herz für diesen kurzen Moment aus, wenn ich die Villa erblicke - sei es auf Fotos oder bei einem unserer Ausflüge an den Grundlsee mit meiner eigenen, kleinen Familie. Das Gebäude ist inzwischen schon lange in Privatbesitz und auch ich kann mich nur noch als Tourist am Anblick vom anderen Ufer aus erfreuen. Schon als Kind empfand ich den Abschied von dort wie die Vertreibung aus dem Paradies, als das Haus seine Pforten für uns schloss. So empfinde ich noch heute. Und so wird es wohl auch bleiben.

Aber ich habe noch immer den Duft von Bux im eigenen Garten.






.fee ´12
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan

Geändert von fee (28.01.2012 um 15:06 Uhr)
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