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Alt 17.02.2009, 12:51   #1
Klatschmohn
MohnArt
 
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Erst sah es aus wie eine im Teichwasser aufgeblähte Jacke mit dunkelbraunem Kragen.
Dass die Leute ihren Kram nicht im Mülleimer entsorgen können, dachte sie ärgerlich und zog ihre, vom Regen nasse Brille aus, um sie mit einem aufgeweichten Papiertaschentuch wieder einigermaßen klar zu bekommen.
Dann sah sie ihn! Das, was sie für den Kragen gehalten hatte, erkannte sie als einen dunklen Haarschopf. Das Gesicht lag, leicht auf die Seite gewendet, zur Hälfte vom Wasser bedeckt, am Uferrand auf. Die Arme hingen schlaff neben dem Körper und die Beine waren bis an die Oberschenkel vom Wasser bedeckt.
Einige Sekunden stand sie regungslos. In ihrem Kopf herrschte Chaos, bleierne Starre erfasste sie, unterschiedlichste Impulse liefen auf Hochtouren. Schreien wollen, Wegrennen, Panik, Entsetzen, Hinlaufen, Helfen wollen, Angst.
Sie atmete tief durch, die Starre löste sich etwas. Sie griff an das Geländer, mit dem der kleine See eingezäunt war um sich festzuhalten, denn eine leichte Schwindelattacke machte ihr nun zu schaffen.
Sie hatte es immer befürchtet, hatte immer schon das Gefühl gehabt, dass ihr dies einmal passieren würde. Sie hatte es gewusst, nein sie hatte regelrecht darauf gewartet. Hundert Male schon hatte sie es sich ausgemalt, wie sie reagieren würde. Sie hatte das Entsetzen vorausfühlen wollen, hatte überlegt wie sie reagieren würde. Schreien oder nicht, weglaufen oder nicht, helfen oder nicht, da man ja auch Spuren verwischen würde.
Sie hatte ihr Mobiltelefon nicht dabei, gerade jetzt nicht, wobei sie ja sonst nie ohne diese Verbindung zur Außenwelt in den Wald ging. Nun war es soweit. Ganz ohne Vorwarnung, gerade heute hatte sie nicht daran gedacht.
Ein neuer Anfall des Entsetzens kroch ihr die Beine kalt empor, sie merkte, dass sich ihr die Nackenhaare hoch stellte und ein kalter Schauer den Rücken herunter lief. Sie war nicht allein, sie wurde beobachtet. Sie spürte die Blicke in ihrem Rücken, spürte die Bedrohung, die dichte Nähe, die Gefahr.
Sie versuchte ihren Atem zu kontrollieren. "Ruhe bewahren", befahl sie sich und griff zu dem Küchenmesser, das sie mitgenommen hatte, um eventuell Pilze abzuschneiden. Es befand sich, eingewickelt in Küchenpapier, in ihrer Annoraktasche.
Unauffällig löste sie das Messer aus seiner Umhüllung und hielt schließlich den Griff fest in der Hand.
Dann wandte sie sich langsam um. Etwa 10 Meter von ihr entfernt stand er, nicht viel größer als sie, älter, im kunstseidenen grün-pinken Jogginganzug und einer offenen Regenjacke.
Beide starrten sich an. Seine kleinen Augen grinsten nun tückisch und ein ekelhaftes Grinsen überzog sein Gesicht. Er kam näher und stellte sich neben sie an das Geländer, dass sie nun im Rücken spürte.
Sie ahnte die Bewegung. Sie spürte seine Absicht, aber sie war schneller. Sie rammte ihm mit aller Kraft die sie aufbringen konnte, indem sie die Hand einen Bogen, von leicht oben kommend führte, in die Brust. Genau da, wo der pinkfarbene Streifen auf dem Jogginganzug verlief.
Blut war an ihren Händen, rotes Blut. Sie spürte die Wärme des Blutes, dass ihr entgegen spritze
und Spuren auf ihrer Brille hinterließ. Sie sah, wie durch einen roten Schleier.
Der Mann wankte zur Seite und starrte ungläubig auf seine nunmehr blutrote Jacke.
Da schrie sie, und schrie und schrie und schrie.

Später wusste sie nicht mehr wie sie hergekommen war, später in dem Krankenzimmer der Psychiatrie, noch ganz benebelt von den starken Medikamenten, die man ihr gegeben hatte. Keiner konnte ihr erklären was geschehen war, von einer Leiche im Wasser wollte auch niemand etwas wissen, aber dass sie einen älteren Mann verletzt hatte, der am See spazieren gegangen war, das wussten alle.
Was hatte man mit ihr vor? Sie fühlte sich verfolgt, sie mußte auf der Hut sein.
__________________

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Alt 04.04.2009, 10:36   #2
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.03.2009
Ort: wien
Beiträge: 4.893
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oh klatschmohn,
ein gelungener streich, wie du da die verfolgte selbst zum verfolger werden lässt....
auch die aufkeimende angst hast du in lebendigen bildern beschrieben, ich konnte alles sehr gut nachvollziehen, stand selbst in gedanken ( zum glück NUR in gedanken!) an jenem geländer...
sehr gruselig, sehr authentich, sehr gerne gelesen....
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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Alt 05.04.2009, 11:28   #3
ReinART
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Beiträge: n/a
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Liebe Klatschmohn
schön in Szene gesetzt, diese Wahnvorstellungen, die den einen, den anderen mehr beschleichen können und entsprechend der Intensität zu eben jenen Ergebnissen führen können.
Habe es gern gelesen, weil spannend geschrieben und der Schluss gibt dem ganzen noch die richtige Würze.
Kleiner Hinweis: Pilze schneidet man nicht ab, besser sollte man nicht, da so das unterirdische Myzel so durch Faulung, gefährdet wird. (Sammle selbst Pilze)

Etwas gestört hat mich, das der Mann im Jogging Anzug, plötzlich ein älterer Mann war - war dies Teil Ihrer Visionen?
Auch dass er scheinbar nur geringfügig verletz war, erschien mir, ob der Wucht, mit der sie das Messer in seinen Leib rammte, etwas enttäuschend.
Hattest Du Dich nicht getraut, ihm richtig Schaden zugefügt haben zu lassen, denn das musste der Leser erwarten.
Lieben Gruß
reinhard
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Alt 05.04.2009, 21:54   #4
Klatschmohn
MohnArt
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: RLP
Beiträge: 1.949
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Liebe Larin,
ich bedanke mich ganz herzlich für Deinen Kommentar unter der Geschichte. Ja, Menschen sind bei eingeschränkter Wahrnehmung zu vielen Dingen fähig, der innere Zustand projeziert sich nach außen und hat nur noch sehr wenig mit der "Realität" zu tun. Freut mich, dass es Dich ein bisschen gegruselt hat. Das war beabsichtigt,

Liebe Grüße,
Klatschmohn



Lieber ReinArt,
lach, ich werde es der Dame ausrichten,dass sie in Zukunft ohne Messer in den Wald geht; stimmt Pilze kann man auch herausdrehen.........., aber wenn dann jemand kommmt.....?
Du hast das gut beobachtet ReinArt, der Mann sollte wirklich nicht schwer verletzt werden.vermutlich hat er den stich mit der Hand abgewehrt und sich da die Verletzung geholt.
Es mag ein bisschen verrückt klingen, aber ich will nichts wirklich Schlimmes gedanklich in die Welt setzen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das, was man denkt, sich realisieren kann. Letztlich hatte ich dieses Problem in meinem Krimi auch. Auch da habe ich es Schreckliche abgewendet und halte das auch für richtig.

Liebe Grüße,
Klatschmohn
__________________

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