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Ein neuer Morgen Fröhliches und Hoffnungen

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Alt 15.04.2014, 09:49   #1
Methusalem
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Standard Einsichten

Der erste mag den Sonnenschein,
der zweite liebt den Regen,
der dritte ist nicht gern allein,
der vierte ist verwegen.

Der fünfte schätzt die Sicherheit,
der sechste eher Bildung,
der siebte mag Geschwätzigkeit,
der achte wagt den Absprung.

Ein jeder lebt auf seine Weise,
hält sich dabei fürs A und O.
Meist polternd, hektisch, selten leise,
nimmt keine Rücksicht sowieso.

Fühlst dich von mir nicht angesprochen?
Denk doch mal ernsthaft drüber nach.
Sollst nicht auf deine Meinung pochen,
der Einsichten sind mannigfach.

Du hast Kollegen, Freunde, Kinder,
ie alle eines andern Knecht.
Trägst täglich dazu bei nicht minder,
machst es doch nur dir selber recht.

Dieses leider nicht datierte Gedicht dürfte um die 60 Jahre alt sein.
Methusalem ist offline  
Alt 15.04.2014, 17:09   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
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Hallo Methusalem,

wie ich sehe, trägst du einen Aphorismus des von mir sehr hoch geschätzten Arthur Schopenhauers in der Signatur:

"In der Jugend herrscht die Anschauung, im Alter das Denken vor..."

Wenn ich mich recht erinnere, findet sich das Zitat im Original in "Parerga und Paralipomena Band I" unter den Aphorismen zur Lebensweisheit Kapitel 6 "Vom Unterschiede der Lebensalter".

Doch soll das die Gedanken nicht ablenken, kommen wir zum vorliegenden Gedicht.

Die ersten beiden Strophen beschreiben allgemein die individuellen Vorstellungen, Eigenschaften und Charaktere der Menschen.

In der dritten Strophe findet sich jeder in seinem eigenen Universum, bzw. in seiner Welt als Wille und Vorstellung wieder, wo er für sich herumpoltert.

Strophe vier wird moralisch, der erhobene Zeigefinger winkt großmütig zurechtweisend, auch wenn er mehr Toleranz fordert, was wohl die eigentliche Absicht dahinter war.
Dagegen hätte Schopi mit Sicherheit protestiert, denn er war ein Meister in der Kunst Recht zu behalten, wie eines seiner Nebenwerke auch tituliert ist.
Und nebenbei, wenn die eigene Meinung auf Fakten und Wahrheiten beruht, eine andere aber sich auf bloße Vermutungen und Glauben stützt, tendiere ich dazu, auf erstere zu pochen.

Strophe fünf hebt an mit einer Mahnung und mündet schließlich in dem Vorwurf der selbst verschuldeten Situation, weil jeder eben seinen Platz als Rädchen in dem jeweiligen Zeitgeist einnimmt und das Seinige dazu beiträgt.
Jedoch stellt sich hier die Frage, ob der Vorwurf nicht ins Leere greift, denn wie soll jemand einem anderen es recht machen, wenn er nicht einmal in der Lage ist, es sich selbst recht zu machen?


Fazit:

Um was geht es hier eigentlich? Um das, was einer ist, was einer hat oder was einer vorstellt?
Welche Verhaltensweise stehen hier zur Diskussion? Unser Verhalten gegen uns selbst betreffend, gegen andere oder gar gegen den Weltlauf und das Schicksal?

Diesen "Einsichten" merkt man das Fehlen von Lebenserfahrungen an, denn es sind in Wirklichkeit gar keine Einsichten, sondern Wunschvorstellungen.

Jetzt muss dabei natürlich berücksichtigt werden, dass diese Zeilen schon 60 Jahre alt sind und ihr Autor beim Verfassen sich noch in jugendlicherem Alter befand, doch ehrlich gesagt kann ich es jetzt nicht nachvollziehen, warum ein Methusalem dann solche Zeilen heute noch veröffentlicht.
Seine Lebenserfahrung müsste ihn doch die Schwächen dieses Werkes selbst erkennen lassen.

In der Jugend die Anschauung, im Alter das Denken...

Kommen wir zum formalen Teil:

Metrik ist in Ordnung, die Reime sind auch passabel, es ist also ein Gedicht im klassischen Stil.
Der Text ist durchgehend im Kreuzreim gehalten

Die ersten beiden Strophen sind abwechselnd im viehebigen Jambus mit männlicher Kadenz und im dreihebigen Jambus mit weiblicher Kadenz verfasst.
Dieses Schema gefällt mir gut, das verwende ich selbst gerne einmal, denn es klingt locker und leicht.

Strophe drei bis vier besitzen einen durchgängig vierhebigen Jambus mit wechselnd weiblichen und männlichen Kadenzen.

Der Metrikwechsel geht in Ordnung, haben doch die ersten beiden Strophen einen durchgängig aufzählenden Charakter, was in den folgenden Strophen dann nicht mehr vorkommt.

An anderer Stelle schriebst du, du hättest die Texte überarbeitet.

Ich hätte dabei noch ein paar Vorschläge zu machen:

Der erste mag den Sonnenschein,
der zweite liebt den Regen,
der dritte ist nicht gern allein,
der vierte ist verwegen.

Der fünfte schätzt die Sicherheit,
der sechste eher Bildung,
der siebte mag Geschwätzigkeit,
der achte wagt den Absprung.

Ein jeder lebt auf seine Weise,
hält sich dabei fürs A und O.
Meist polternd, hektisch, selten leise,
nimmt keine Rücksicht sowieso.

Du fühlst dich jetzt nicht angesprochen?
Denk doch mal ernsthaft drüber nach.
Musst du auf deine Meinung pochen?
Der Einsichten sind mannigfach.

Das schwächt den "erhobenen Zeigefinger" des Dichters erheblich ab, die Sätze sind vollständig und es hört sich einfach besser an.

Du hast Kollegen, Freunde, Kinder,
die alle eines andern Knecht.
Trägst täglich dazu bei nicht minder,
machst es doch nur dir selber recht.

Die zweite Zeile ist grammatisch falsch, weil hier das Verb "sind" fehlt.
Wie können wir das also unterbringen?

Zuerst müssen wir Platz schaffen und Überflüssiges streichen.
Ich denke, das "andern" kann weg, denn wenn jemand ein Knecht ist, dann hat er auf jeden Fall einen anderen Herren.

Du hast Kollegen, Freunde, Kinder,
ein jeder dient der Welt als Knecht.
Trägst täglich dazu bei nicht minder,
machst es doch nur dir selber recht.

Magst ja mal darüber nachdenken.


In diesem Sinne gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline  
Alt 15.04.2014, 17:43   #3
Methusalem
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Registriert seit: 14.04.2014
Ort: Potsdam
Beiträge: 31
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@Falderwald
Wenn du zig Jahre Lyrik liest und nicht schreibst, gehts du unter
Ich habe dieses Gedicht nach meinem derzeitigen Wissensstand überarbeitet und stelle fest, Theorie reicht nicht aus, um Schritt zu halten
Deine Vorschlage finde ich gut und werde sie bei Gelegenheit unterbringen
Ich bitte um Geduld
Levi
Methusalem ist offline  
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