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Der Tag beginnt mit Spaß Humor und Übermut

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Alt 14.07.2011, 08:52   #1
wolo von thurland
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Standard so nett - und doch eine plage (oder: „wolos klage“)

das efeu rankt sich diesseits hoch und schwingt
ein Blatt voll neugier in die jenseitsleere,
getrieben von der ahnung, dass die schere
mit ihm was vorhat, die der gärtner bringt.

und seht doch, wie es sich noch höher reckt!
„ihr götter!“, fleht es. „lasst mich heut noch ranken
in den olymp! ich will euch ewig danken,
wenn ihr in eurem tempel mich versteckt!“

da greift schon eine schwere gärtnerhand
die grüne ranke, kappt den lebensfaden.
nun liegt sie da als dürres braunes band

zu gärtners füssen, büsst und trägt den schaden,
weil sie so über sich und auch den rand
der wand hinaus sich schlang auf hochmuts pfaden.

- bübchen und mädchen, bleibt auf dem weg, dem graden! -

Geändert von wolo von thurland (16.07.2011 um 17:21 Uhr)
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Alt 14.07.2011, 20:14   #2
Lord Skarak
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Hallo Wolo!

Da ich mir in einem Kommentar wenn es kein völliger Kurzkommentar werden soll selten verkneifen kann die Technik zu zerfasern, werde ich diesem Zwang auch in diesem Fall nachgeben.

Der fünfhebige Jambus ist in diesem Text gut durchgezogen (bis auf den Endvers der auch die Sonettform durchbricht), wenngleich ich persönlich bei einem Sonett lieber noch etwas mehr... "Rundung" oder "Einheit" sehe. Du hast hier allerdings uneinheitlicherweise mal männliche, mal weibliche Kadenzen (auch wenn ich sehr wohl sehen kann, dass da schon System ist, die inneren, vom Klammerreim eingeklammerten Verse enden immer unbetont, für die Terzinen sind auch ein männlicher und ein weiblicher Reim Gewählt). Auch was die Quartette angeht vermisse ich strophenübergreifende Reime (was eben nur mein Geschmack ist, aber letztlich auch schwieriger zu bewerkstelligen wäre wie ich glaube). Nun können diese widerstrebenden Reimschemata und unterschiedlichen Kadenzen natürlich auch sehr wohl als Stilmittel betrachtet werden um den dialektischen Charakter des Sonetts an sich zu unterstreichen, was auch mit dem ZWEIfelnden Titel gut korrelierte (Ich lese ihn vor diesem Hintergrund etwa so: "So nett - und trotzdem halt nicht so nett"). Dass es sich um ein solches Spiel mit dem Widerspruch - vor dem Hintergrund des dialektischen Sonettcharakters - handelt wirkt hier zwar sehr wahrscheinlich, muss aber nicht Deine (bewusste) Absicht gewesen sein.

Zum Inhalt: Das Thema ist recht botanisch, hat also was mit Natur zu tun und passt damit zu der durchgängigen Kleinschreibung die als Stilmittel an literarischen „Naturalismus“ erinnert. Nur der Protagonist, das Blatt, ist einmal groß geschrieben. Zufall, also Unbewusstes Großschreiben?
Was wirklich ziemlich auffällt, ist die Sinnlosigkeit der Erklärung für den Fall des Blattes. Ein Paradoxon. Es wird erklärt, das Blatt möchte zum Himmel auffahren weil es dort nach Sicherheit vor dem Gärtner sucht. Zugleich wird ausgedrückt, es würde abgeschnitten worden sein, weil es die Hybris hatte so weit hinauswachsen zu wollen. Das ist natürlich völlig seltsam, weil es ja erst aus Angst vor dem Gärtner zu wachsen begann... Der Text steht in der Kategorie „Der Tag beginnt mit Spaß“. Das Paradoxon könnte also als die Pointe verstanden werden, als Scherz auf das Konzept der selbsterfüllenden Prophezeiung, etwa so: das Blatt hätte sich des Gärtners wegen nicht so reinstressen müssen, letztendlich hat erst seine eigene Hysterie zum Anspruch auf Höheres und somit zur Gefahr durch den Gärtner geführt, und nun, da es abgeschnitten und somit tot ist, kommt es ja vielleicht doch noch in den Himmel, wenn auch anders als es sich das vielleicht erhoffte.“ Allerdings ist dieser Gedanke für eine Pointe meiner Meinung nach nicht ansatzweise prägnant und würzig genug formuliert (mitunter ist er überhaupt nicht formuliert). Insgesamt ist der Text natürlich witzig geschrieben, zumindest merkt man dass er nicht so ernst gemeint ist. Aber für Amüsement reicht es irgendwie nicht bei mir. Der Zusatzvers ganz unten scheint mir der eigentliche Moment zu sein in dem die Pointe gesetzt sein soll. Das finde ich nicht sonderlich schön gemacht im Sinne der Sonettform, zumal mich der Witz irgendwie nicht erreichen will. Ich selbst habe schon Sonette mit kurzen Zusatzversen am Ende geschrieben, allerdings achtete ich bei jenen darauf, dass der Vers zwar erklärend oder aufklärend wirkt aber doch entbehrlich bleibt und nicht etwa die hauptsächliche Pointe des Textes enthält. Sowas würde mir persönlich eher gefallen, aber natürlich ist die Sonettform nirgendwo vorgeschrieben. Die Quintessenz könnte natürlich sein: „Du kannst eh machen was Du willst, du wirst immer abgeschnitten sobald du versuchst Dich hervorzuheben, ansonsten bleibst du klein und der Gärtner kommt wahrscheinlich trotzdem irgendwann. Außerdem: was kann man denn dafür dass man halt so gewachsen ist?“. Die Vorschrift für Bübchen und Mädchen im Zusatzvers würde vor diesem Hintergrund natürlich bewusst ins Lächerliche gezogen. „Jaja, redet doch mit euren Vorschriften was ihr wollt, man macht’s euch ja doch nicht recht.“ In den Xenien von Schiller und Goethe findet sich eine recht lustige Formulierung eines solchen Gedanken, das Distichon heißt „Rezension“:

„Siehe, wie artig der Frosch nicht hüpft! Doch find ich die hintern
Füße um vieles zu lang so wie die vordern zu kurz!“

Immer was auszusetzen, jaja. ^^ Falls es hier etwas ähnliches sein soll, so verstehe ich es zwar, finde es aber weder bewegend noch amüsant formuliert. Als Sonett an sich finde ich seine Form auch nicht sooo ansprechend. Sicherlich, ein Anfängertext ist es nicht (oder es ist der Text eines ziemlich guten Anfängers). Aber wie gesagt, ich fand ihn jetzt nicht so bombastisch. Kann aber auch sein, dass da das Problem bei mir liegt (Auf gewisse Weise tut es das ohnehin: "Zu groß die Kugel, zu klein das Loch", "Fishermans Friend" und so).

Liebe Grüße,
Skarak
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Alt 15.07.2011, 18:41   #3
wolo von thurland
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hallo Lord Skarak

als gedichte-poster suche ich das sich zuwenden. das anklicken ist zwar eine kleine, willkommene, aber das „zerfasern“ ist das, was ich am meisten zu schätzen weiss. also erst mal herzlichen dank!

es gibt nichts peinlicheres, als wenn ein hobbydichter seine anfängergedichte zu erklären versucht. trotzdem:

die endzeile ist einerseits eine hommage an nicole, die den nicht formulierten gedanken mag, andrerseits ein gruss an den erfinder des reinen sonetts. (da habe ich leider nicht bedacht, dass der leser am schluss eine pointe erwarten dürfte, die er versteht.)

„uneinheitlichkeit“ in der form kommt auch von meinem drang nach abwechslung. (musik finde ich lustiger, wenn sie sich nicht immer streng nach schema wiederholt. aber das erklärt höchstens und heisst nicht, dass ich meinen text selber gut finde!)

„strofenübergreifende reime“ habe ich auch schon versucht. ob es dadurch stilvoller wurde? (,„welkender strauss“, „Das tausendundeinte Sonett“, "vibrationett" und „Amadheus könnte auch Pether heissen“)

es ging mir nicht um witz, sondern um eine ironische replik auf die einschätzung des
bewahrers der reinheit von sonetten, der meinte, dass ich auch reimen könne, solange ich nicht versuche, über mich hinauszuwachsen.
(dass dann auch noch eine art filosofie drin stecken könnte, deutest du an mit „widersprüchlich“, „paradox“. die bemerkung, dass der gedanke nicht ausformuliert sei, passt mir eigentlich ganz gut. schade, dass es nicht in dein denken passt. für mich ist das ganze dasein paradox, ein tragischer witz.)

deine hinweise auf schwächen waren mir sehr willkommen. (hingegen kann ich mit begriffen wie „rundungen“ oder „guter anfänger“ nichts anfangen.)

gruss von wolo

Geändert von wolo von thurland (16.07.2011 um 17:22 Uhr)
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