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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 09.06.2014, 23:40   #1
Schamansky
Furzeulenlyriker
 
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Standard Die Ballade von der Unheilseule

Nachts die Sterne traulich funkeln
über Ritter Ludwigs Burg.
Ritter Ludwig schläft im Dunkeln,
als sein Knecht, der laue Lurch,
stürzt in seiner Bettstatt Kammer.
„Herr, der Kaiser, welch ein Jammer!
Ihn umbraust das Kriegsgeheule!“
Draußen ruft die Unheilseule.

Ludwig legt sich an die Rüstung,
stürzt aus seinem Schlafgemach,
eilt gehetzt entlang der Brüstung.
Auch sein Ehweib ist schon wach.
„Ludwig, eile nicht zum Kriege!
Sieh dein Kind dort in der Wiege!“
fleht Sieglinde an der Säule.
Draußen ruft die Unheilseule.

Ritter Ludwig ruft nun mutig:
„Teure, horch! Mich heischt mein Fürst!
Seine Feinde schlag ich blutig,
daß der Ansturm rasch zerbirst!“
Schwingt aufs Roß sich und von dannen
reitet er durch schwarze Tannen.
Aus dem Moor steigt auf die Fäule.
Draußen ruft die Unheilseule.

Und er gibt dem Roß die Sporen
und erreicht des Kampfes Ort.
Ach, der Kaiser scheint verloren!
Blut fließt, grimmig tobt der Mord.
Wie einst Hunnenkönig Etzel
stürzt sich Ludwig ins Gemetzel.
Mächtig schwingt er seine Keule.
Draußen ruft die Unheilseule.

Furchtlos dringt der brave Ritter
mitten in die Feindesschar.
Es entlädt sich ein Gewitter,
und gebannt ist die Gefahr.
In dem grimmen Schlachtgewühle
sind’s der Feinde nicht mehr viele,
und sie wenden ihre Gäule.
Draußen ruft die Unheilseule.

Also nimmt die Schlacht ein Ende.
Doch dem Kaiser wird es gram,
daß der Bringer dieser Wende
kampfesstolz ums Leben kam.
„Welchen Dank wollt ich bekunden,
Ludwig, dir, in deinen Wunden!“
Ludwig stirbt an seiner Beule.
Draußen ruft die Unheilseule.

Der die Feinde aufgerieben
stirbt den Heldentod im Feld.
Wäre er zu Haus geblieben!
Doch so ist der Lauf der Welt.
Seine Gattin bricht zusammen,
seine Burg geht auf in Flammen.
Wirrig sind des Schicksals Knäule.

Draußen ruft die Unheilseule.
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Alt 10.06.2014, 06:34   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Beiträge: 8.570
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Hi, Maki!

O welch grimmes Geschick!!! Was täterätätäten die Menschen bloß ohne die Tragödie!!?
Nur eins: Warum musste die arme Burg, das unschuldige Gemäuer, auch noch abbrennen???
Ich mein, der Schepperseppel war selber schuld, von wegen Heldenkarriere und so. Die Frauen hatten bezüglich Eheanbahnung damals nichts mitzureden, von daher kommt auch sie unschuldig zum Handkuss - allerdings sind so eine Trine und ihr Heldenbalg von relativ geringem kulturellem Nährwert. Eine schöne Burg hingegen...ach, Tragödie...!

Sehr gern gelesen! Noch eins war mir bis dato neu: Dass Ritter mit Keulen kämpfen!
Sei's drum - eine hervorragend gelungene Moritat - du bist ein wahrer Moritäter!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.06.2014, 09:14   #3
Thomas
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Lieber Schamansky,

eine feine Ironie, die Ballade klingt fast wie von 100 Jahren geschrieben, vielleicht von Agnes Miegel oder Börries Freiher von Münchhausen. Oder von dem berühmten Morgenstern, welcher bei Ritterkämfen als Keule Verwendung fand (Also Erich, den Morgenstern müsstes du als großer Dichter doch kennen!).

Für eine gelungene Ballade halte ich das Abbrennen des Schlosses für unumgänglich, es ist genau wie im Action-Film, der Effekt zählt bei den Bänkelsängern aller Zeiten.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 10.06.2014, 09:34   #4
Erich Kykal
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Hi, Thomas!

Da du keine Smileys gesetzt hast, weiß ich nicht, wie bierernst es dir mit deiner Aussage ist. Die meine allerdings - bezüglich der Burg und so - war jedenfalls rein ironisch gemeint, falls dir das entgangen sein sollte...

Wegen der Keule: Klar, mein Fehler - bei dem Wort dachte ich sofort an das Klischeebild vom Neandertaler mit dieser typischen Trickfilmholzkeule.
Die Keule der Ritter war aus Eisen oder Stahl und durchaus im Kampf gebräuchlich. Bloß denkt man bei so einem typischen Balladenritter eben eher an ein edles magisches Schwert oder so... die Keule wirkt da irgendwie prosaisch und ernüchternd!

Den Morgenstern kenne ich natürlich, bloß würd ich weder mit der Waffe noch mit dem Dichter irgendwen erschlagen...

LG, eKy
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Alt 10.06.2014, 10:55   #5
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 3.375
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Lieber Erich,

alle meine Aussagen sind immer völlig Bierernst, deswegen kann ich mit smilies auch nichts anfangen.

Ich habe dich schon verstanden, wollt nur das Argument loswerden.

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 11.06.2014, 10:48   #6
Schamansky
Furzeulenlyriker
 
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Registriert seit: 30.12.2013
Ort: Northampton, UK
Beiträge: 190
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Ihr habt ja recht: ein edles, blitzendes Schwert hätte dem Balladenritter besser zu Gesicht gestanden als so ein primitiver Streitkolben. Leider reimt sich Schwert nicht auf Eule, und zur Not läßt sich auch mit der brachialen Gewalt eines Streitkolbens eine Menge Schaden anrichten.

Es freut mich, wenn ihr findet, ich hätte den Ton der deutschen Balladen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts streckenweise richtig getroffen, irgendwo zwischen Uhland und Liliencron. Natürlich ist diese Eulenballade nicht ganz ernst gemeint. Oder vielleicht doch. Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin.

Geändert von Schamansky (11.06.2014 um 10:51 Uhr)
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Alt 14.06.2014, 08:47   #7
Narvik
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Ort: Im hohen Norden
Beiträge: 431
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Hallo Schamansky,

diese Ballade gefällt mir richtig gut, auch wenn sie traurig für den Ritter Ludwig und seine Familie endet.
Aber alle großen Werke beinhalten eine gewisse Tragik und nicht umsonst gehören die klassischen Dramen zur großen Weltliteratur.
Ob dies nu große Weltliteratur ist, kann ich nicht beurteilen, aber deine Zeilen knüpfen m.M.n. auf jeden Fall nahtlos daran an.

Herzliche Inselgrüße

Narvik
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