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Alt 20.02.2012, 15:15   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Ort: Österreich
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Standard Der kleine Tümpel

Ein Loch im Boden hat man dich genannt,
den kleinen Tümpel dort am Waldeshang.
Man schüttete dich zu mit grobem Sand,
mit bleichen Kieselsteinen und mit Erde.
Ich kannte dich ein halbes Leben lang,
nun bleibt mir nur die fahrige Gebärde

des flüchtigen Erinnerns an dein Spiegeln
von Schatten in der Hingebeugten Blick,
das wie ein heimlich trauliches Entsiegeln
von allem war, was wir Geheimnis nannten,
und nichts bringt jenen Augenblick zurück,
da wir uns dort, im Spiegelbild, erkannten.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (04.07.2014 um 10:44 Uhr)
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Alt 06.03.2012, 20:22   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Ort: Inselstadt Ratzeburg
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Standard

Servus Erich,

das hat mich sehr berührt, denn es ruft auch bei mir längst vergessene Bilder ins Gedächtnis zurück.

Als ich Kind war, hatten wir in meiner Heimatstadt einen (Sport)Flugplatz.
Der war von der Fläche her immerhin so groß, daß sie dort Segelflugzeuge schleppen konnten, um sie in die Höhe zu bekommen.
Nach mehreren tödlichen Unfällen mit unvorsichtigen Passanten (Rentnern ) wurde der Betrieb dort eingestellt und die Remscheider hatten eine riesige freie Fläche mit den längsten Hecken im ganzen Bergischen Land darauf.
Wir konnten dort Fußball und Verstecken spielen, mit dem Fahrrad fahren, die Hunde laufen lassen, im Herbst ließen wir Drachen dort steigen, ja, wir konnten im Winter sogar an den Rändern dieser großen "erhobenen" Fläche prima rodeln.
Durch seine spezielle Höhenlage, es war fast die höchste Stelle der Stadt, waren dort oft auch die extremsten Wetterbedingungen.
Wenn es unten windete, dann stürmte es oben, der Regen war dort härter, der Schneefall dichter und bei Nebel brauchtest du fast einen Kompass.
Das war eine schöne Zeit und ein beliebter Freizeittreff für viele Menschen.

In den letzten zehn Jahren ist dort ein ganz neuer Stadtteil entstanden und ich mag gar nicht mehr dort hin gehen, es ist mir fremd und es tut mir weh, mir wird dann immer so wehmütig zumute.

Die Welt ist eigentlich wunderschön, doch wir Menschen verändern ihr Angesicht und das oftmals sehr negativ.

Es ist nur gut, wenn dann wenigsten die Dichter die Erinnerungen an solch schöne Kleinigkeiten noch in ihren Wortbildern für die Nachwelt fest halten zu wissen.
Man könnte sagen, was interessiert mich ein solch kleiner Tümpel oder ein "oller" Flugplatz, aber ich bin mir sicher, daß dein kleiner Tümpel diese Hommage verdient hat.
Ich kenne auch so einen kleinen Tümpel, ebenfalls in meiner Heimatstadt und da hege ich noch die berechtigte Hoffnung, daß er noch existiert, denn er liegt in einem jetzt unzugänglichen kleinen Naturschutzgebiet unterhalb der mächtigen Abbruchkante eines stillgelegten Steinbruchs. Aber das ist eine andere Geschichte...

Schön, wie in deinem Text das zunächst lediglich beschreibende Element fließend in eine menschliche Betrachtungsweise übergleitet, den Zauber nämlich, den auch die kleinen und schönen Dinge der Natur auf manche Menschen ausüben kann.

Für die einen ein lästiges Loch, eine störende Pfütze, für die anderen ein geheimnisvoller und schöner Platz, um sich in der Natur wieder zu erkennen.

Der kurze Text hat mir gut gefallen.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 07.03.2012, 16:48   #3
Galapapa
Galapapa
 
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Hallo Erich,
ich schließe mich Falderwalds Lob an. Auch in mir kamen Erinnerungen auf beim Lesen. Was waren das für schöne Spielplätze, an denen man im Frühjahr die Kröten beobachten und nach dem Froschlaich angeln konnte, an denen im Sommer die Wasserjungfern schwebten und wir als Kinder auf dem winterlichen Eis Mutproben absolvierten.
Viel zu viele davon sind inzwischen zugeschüttet und überbaut.
Ich hab mir im Garten einen eigenen Tümpel gegraben. Die Kindheit hat er mir nicht zurück gebracht, aber die Kröten und Jungfern.
Gern gelesen und kommentiert!
Galapapa
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Alt 10.03.2012, 04:26   #4
Erich Kykal
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Hi, Faldi, Charly!

Ja, das sang schon Reinhard Mey:

So sinnlos, wie die Zeiger der Uhren
anzuhalten und zurückzudrehn,
so sinnlos ist es auch, auf den Spuren
lang vergangner Tage zu gehn.

Wir alle kennen das: Den Schock, wenn eine liebgewonnene Kindheitserinnerung, unverändert konserviert in deinem Gedenken, plötzlich
auf eine sich wandelnde Welt trifft und sich nicht in ihr wiedererkennt.
(Siehe auch: "Bilder der Vergangenheit" in Weltenwege, Seite 62)

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (10.03.2012 um 04:29 Uhr)
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Alt 05.04.2012, 20:19   #5
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,

auch bei mir hast du mit deinem Tümpel einige Erinnerungen wachgerufen.
Wobei das "Aufkommen der Erinnerungen" erst nach dem Lesen deiner schönen Lyrik auftaucht.

Bei mir war es ein Dorfteich, an dem meine gesamte Kinderzeit spielend und täglich sehend stattfand. (Auf dem Weg zur Schule, auf dem Weg zum Kaufmann und ganze Nachmittage - einmal bin ich darin sogar ertrunken. Das ist aber eine ganz eigene und lange Geschichte.)

Als ich nach 19 Jahren mein Heimatdorf für einige Stunden besuchte, fand ich nur einen sandigen Platz vor.
Ich war enttäuscht, unsagbar traurig und ich hatte das Gefühl, als hätte man mir persönlich etwas weggenommen.
Natürlich sprach ich es so nicht aus. Die einstige Trauer finde ich nun in deinen bündigen, lyrischen Versen und erlaube sie mir erneut.

Liebe Grüße
Dana

P.S.
Aus der einstigen Enttäuschung schöpfte ich auch etwas Tröstliches für mich heraus:
Nicht nur der fehlende Dorfteich, auch viele, viele andere Veränderungen, bewirkten bei mir, dass das Heimweh nicht mehr so schmerzte.
Ich war ja bereit, mich mit der neuen Heimat anzufreunden, nur gelang es mir nicht, weil zu Hause alles anders, schöner, heller und natürlicher gewesen ist.
Erst danach schaute ich bewusster und fand, dass es auch hier sehr viel Schönes, Helles und Natürliches gibt.
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 12.04.2012, 18:01   #6
Erich Kykal
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............................

Wir leben, wo wir sind.
Doch dieses kleine Kind,
das wir vor Jahren waren,
lebt nur noch in uns fort.

Es weiß nicht, dass die Welt
sich ändert und verstellt,
will Altes stehen sehen
an jedem alten Ort.

Erkläre deinem Kinde
die Welt und so verbinde
das Alte mit dem Neuen.
Es wird sich mit dir freuen!


Hi, Dana!

Dieses kleine Trostgedicht extra für dich möge dich weiter mit dir versöhnen!
Vielen Dank für das Teilen deiner Gedanken!

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (04.07.2014 um 10:55 Uhr)
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Alt 12.04.2012, 18:11   #7
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,
danke - ich werde das Kind in mir wohl behüten.

Ein sehr schönes Trostgedicht.
Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 14.04.2012, 22:26   #8
Erich Kykal
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Gern geschehen!

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Alt 15.04.2012, 13:50   #9
Sidgrani
Von Raben umkreist
 
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Hallo E.K.,

dein Gedicht ruft auch bei mir wehmütige Erinnerungen hervor, aber die Vergangenheit gehört unserer Kindheit und Jugend. Die Tür dorthin ist zu und lässt sich höchstens für ein paar „Augen“-Blicke erneut öffnen.
Auch wenn solch lieb gewordene Orte von den Menschen nicht verändert worden wären, sie haben sich dennoch verändert, weil wir uns geändert haben. Der Zauber der Kindheit ist verflogen, unsere Augen betrachten die Dinge nun anders und nüchterner.

Gerade deshalb geht dein Gedicht und die damit aufgeweckte Erinnerung so unter die Haut und das tut irgendwie gut.

Ich habe deine Zeilen sehr gerne gelesen und mich noch lieber damit beschäftigt.

Liebe Grüße
Sid
__________________
Alle meine Texte: © Sidgrani

"Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"

»Erich Kästner«
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Alt 17.04.2012, 20:04   #10
Erich Kykal
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Hi, Sid!

Ja, ich pflichte bei! Was man als Kind kannte, erscheint - kommt man später als "Großer" wieder - viel kleiner, zauberlos, unspektakulärer.
Der gruslig-dunkelnde Felsenrachen eines tiefen Bachbettes im dichten, kühlen Walde, wo wir Dämme bauten, Frösche, Kröten, Molche, Unken, Ringelnattern und Fische fingen und bei einsetzender Dämmerung mit hämmerndem Herzen vor den drohenden Schatten erzürnter Geister flohen...
...er wurde viele Jahre später zu einem lehmigen, kaum 2 Meter tief eingegrabenen Rinnsal von zweifelhafter Wasserqualität, fast verschüttet von verrottendem Laub und morschen Ästen, brackig, feucht, schmierig und völlig ungeheimnisvoll.

Seufz.

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
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