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Alt 31.12.2013, 15:01   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
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Standard ER und ICH

Eine Momentaufnahme, eine Mutmaßung, ein Verdacht.

Im Tankstellenshop steht ER hinter der Kasse, so als hätte er nichts anderes mehr zu tun. Sein ausgebeinter Ehrgeiz klebt überall ringsum an den Wänden, rinnt verwesend, sich zersetzend hinab hinter die Regale mit den überteuerten Süßigkeiten und abgelaufenen Zeitschriften, die nur so aussehen, als enthielten sie Interessantes.
Da steht er nun mit seinem leeren Blick, der in nebligen Fernen einer abgebrochenen Vergangenheit nach Rechtfertigung stochert wie die Hände ertrinkender Matrosen, halb schicksalsergeben schon und entrückt im Eismeer treibend, aber immer noch lose zappelnd und zuckend, als hoffte ein allerletzter Funken Gehirntätigkeit noch auf Rettung in letzter Sekunde vor einem endgültigen Geschick.
Er fragt verloren, ob man eine Bonuskarte wolle, und es klingt tatsächlich ein wenig nach: "Hilfe, ich habe noch Träume - holt mich hier raus!", aber nicht sehr. Das meiste davon riecht nur noch streng nach verpassten Gelegenheiten und vertanen Chancen. Das hier ist sein Leben. Das ist alles, was geblieben ist von den hochherzigen Hoffnungen und edlen wie gierigen Zielen: Eine Endstation mit schmierigen Händen und eiskalten Zehenspitzen. Eine Abstellkammer des Schicksals, aus der heraus er die Welt auch noch freundlich anlächeln und höflich bedienen soll. Und was kommt danach?
Er redet sich seit Jahren ein, dass das keine Rolle mehr spielt, und je älter und unansehnlicher er wird, desto erfolgreicher scheint er darin zu sein. Er ordnet die verstaubten Zeitschriften, dreht die Etiketten der ungekühlten Bierdosen nach vorne und möchte daran glauben, dass er es eigentlich gut hat. Es gelingt ihm nicht wirklich.
Ich sehe ihn nur an und frage mich frierend: An welcher Art Tankstelle arbeite ICH wohl...?
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (05.07.2015 um 23:27 Uhr)
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