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Alt 12.02.2013, 08:22   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Das Geheimnis

Auf welche Weise kann die Poesie
gleich Herz wie Hirn im Innersten erreichen?
Was lässt den harten Kern in uns erweichen,
macht Feuer uns im Herd der Fantasie?

Wie webt man große Zeilen ohnegleichen,
die uns zu dem erheben, was wir nie
in uns erreichten, da allein nur sie
die Sturmflut sind an unsern Seelendeichen?

Und wenn sie brechen, kann ein solches Fluten
dem schönen Klang allein geschuldet sein?
Die Lauscher weben ihr Gefühl darein,

nicht ahnend um ihr inneres Verbluten.
Das große Wort nicht macht die Leser klein,
doch eigner Wert, den sie darin vermuten.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (22.08.2019 um 12:48 Uhr)
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Alt 12.02.2013, 18:17   #2
Thomas
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Standard

Hallo Erich,

leider verstehe ich den Schluss nicht, weshalb meine Anmerkungen völlig daneben liegen können. Ich versuche es trotzdem.

In der Zweiten Strophe verstehe ich nicht ganz, was du meinst, wenn du sagst: "Zeilen uns zu dem erheben, was wir nie in uns erreichten". Meinst du was wir in der Vergangenheit nicht erreicht haben, oder was wir ohne die Zeilen nie erreichen würden?

Das Bild des brechenden Deiches finde ich ausgesprochen schön!

Leider beißt es sich ein wenig mit dem folgenden Bild des Verblutens. Ich würde lieber im Wasser bleiben, z.B. Ebbe und Flut.

Die letzten beiden Zeilen verstehe ich einfach nicht. Eigentlich erwarte ich einen Bezug auf den schönen Klang in der letzten Frage, aber das große Wort ist etwas anderes. Es macht nicht klein, aber wieso die Vermutung über den Wert seines Inhalts?

Vielleicht kannst du mir auf die Sprünge helfen.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 12.02.2013, 19:20   #3
Erich Kykal
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Hi, Thomas!

Zitat:
Zitat von Erich Kykal Beitrag anzeigen
Wie webt man große Zeilen ohnegleichen,
die uns zu dem erheben, was wir nie
in uns erreichten, da allein nur sie
die Sturmflut sind an unsern Seelendeichen?

Wie dichtet man "große Zeilen", also große Lyrik, die uns (als Leser) zu dem erheben, was wir ohne diese Worte in uns nie erreichten, da offenbar nur diese lyrischen Worte sind wie Sturmflut an unseren Seelendeichen, sprich in der Lage, die verkrusteten Mauern niederzureißen und unser Fühlen zu erreichen...

Und wenn sie brechen, kann ein solches Fluten
dem schönen Klang allein geschuldet sein?
Die Lauscher weben ihr Gefühl darein,

nichtahnend um ihr inneres Verbluten.
Das große Wort nicht macht die Leser klein,
doch eigner Wert, den sie darin vermuten.

"Klein" im Sinne von demütig im Angesicht solch schöner Lyrik. Doch nicht (allein) die Schönheit der Sprache erreicht der Leser Gefühl - im Grunde ist es das, was jeder Leser von sich selbst in diesen Text hineinliest, wieviel von sich selbst er darin erkennt, was letztlich dafür sorgt, ob es sich für ihn um ein wirklich wirksames Gedicht handelt.
Der "eigene Wert", den sie in den Versen "vermuten", sprich hineininterpretieren, bestimmt das individuelle Erleben von Lyrik. Wenn es keine ausreichende Schnittmenge zwischen den Erlebniswelten von Autor und Leser gibt, wird das Werk an letzterem vorbeigehen.

Das Sonett entstand aus Anlass einer Diskussion anderswo, wo es um das (sehr) unterschiedliche subjektive Qualitätsempfinden zu einer Sonettreihe eines anderen Autors ging.

Bei mir ist es vielleicht ein wenig anders: Ich kann bei Rilke schon weinen, bloß weil die Sprache so wunderschön ist. So etwas scheine ich persönlich sehr intensiv wahrzunehmen.

Oft genug aber beurteilen wir sogar ein und denselben Text ganz unterschiedlich zu verschiedenen Zeiten - Tagesverfassung, Laune, Biorhythmus, usw. spielen da eine nicht unwesentliche Rolle.


Ich hoffe, ich konnte meine Intentionen klarmachen.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (13.02.2013 um 10:20 Uhr)
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Alt 13.02.2013, 10:04   #4
Thomas
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Hallo Erich,

vielen Dank für die ausführliche Erläuterung, jetzt verstehe ich. Die Schlusszeilen sind also nicht (wie ich dachte) eine Antwort auf die Fragen, sondereine neue Idee. Daran lag es wohl, dass ich es nicht kapierte. Insgesamt drückst du etwas aus, was ich genauso empfinde und für mich das "Orpheusprinzip" (wahre Schönheit erweicht sogar Steine - oder Deiche) getauft habe.

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 18.02.2013, 21:31   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass nur diejenige Poesie "groß" sein kann, die den Leser erreicht, in der er sich selbst oder die eigenen Sehnsüchte zu erkennen vermag. SO schreibt man "große" Lyrik - das ist die Erklärung.

LG, eKy
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Alt 09.03.2013, 19:28   #6
Dana
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Lieber eKy,

ich denke, dass das Geheimnis der Poesie in den Universen liegt und den Leser nur in seinem "eigenen Universum" berührt.

Zitat:
Zitat von Erich Kykal
Und wenn sie brechen, kann ein solches Fluten
dem schönen Klang allein geschuldet sein?
Die Lauscher weben ihr Gefühl darein,

nichtahnend um ihr inneres Verbluten.
Das große Wort nicht macht die Leser klein,
doch eigner Wert, den sie darin vermuten.
Da, wo wir mitfühlen, wo wir ähnlich empfinden und erlebt haben - nur dort fühlen wir uns verstanden. Erst wenn wir fähig sind über den Horizont zu schauen, von "Eigensinnigkeit" abzutreten und bereit sind zuzulassen, dass es nicht nur um "die persönliche Wertung" geht, wird Poesie wirklich sichtbar.
Erst dann ist sie verstanden worden.

Du hast das Geheimnis der Poesie verdichtet. Ich glaube zu verstehen und kann es doch nicht wirklich kommentieren.
Vielleicht, weil ich vor einem gebrochenem Seelendeich stehe?
So groß ist dein Werk.

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 09.03.2013, 21:18   #7
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Bei soviel Lorbeer muss ich aber schlucken!

Mich freut, dass meine Zeilen dich und andere erreichen und offenbar von etwas Bedeutung sind. (Warum ich dann zur Zeit 11-!!!- unkommentierte Gedichte im Archiv habe, ist mir ein Rätsel... Das soll jetzt kein Vorwurf sein, schon gar nicht an dich oder Faldi! Ich wollte nur auf diese frappierende Diskrepanz hinweisen.)

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (09.03.2013 um 21:21 Uhr)
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