05.07.2011, 10:57 | #1 |
Gelegenheitsdichter
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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Mord im Wort
Mord im Wort
Der Schmerz erstarrt gern beim Verbergen Und härtet aus, wird Werkzeugstahl. Er ruht in dunklen Seelensärgen. Ein Wiedergänger, hässlich, fahl: So kommt er plötzlich über einen, Zur falschen Zeit, am falschen Ort. Er will verletzen, nicht vereinen: Ihm steht nach Rache, Mord im Wort.
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Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt Alle Beiträge (c) Walther Abdruck von Werken ist erwünscht, bedarf jedoch der vorherigen Zustimmung und der Nennung von Autor und Urheberrechtsvorbehalt Geändert von Walther (10.07.2011 um 20:32 Uhr) |
06.07.2011, 20:53 | #2 | |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 15.03.2011
Ort: Stuttgart
Beiträge: 1.836
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Hallo, Walther,
ja, man sollte Schmerz "zulassen", nur so kann man ihn dann auch "hinter sich lassen". Es ist im Grunde dasselbe wie mit der Trauer: Was man herunter schluckt, frisst innerlich weiter ... Letzten Endes verhärtet sich wirklich ein Teil des Gefühlslebens, das kann zu einer scharfen Schneide werden, an der man sich tiefer verletzt als jene, die getroffen werden sollen. Mit Rache schneidet man sich ohnehin nur selbst ins Fleisch. Nicht umsonst gibt es die Metapher vom "zweischneidigen Schwert". Leider ist es so, dass Worte oft die gefährlichste "Waffe" sind, denn gerade mit ihnen verletzt oder kränkt man seine Mitmenschen am meisten. Vor allen Dingen trifft es ohnehin häufig die Falschen, und selbst wenn "der oder die Richtige" getroffen wird, handelt es sich in vielen Fällen sogar um Gründe, die gar keine sind - oder Irrtümer. Was das Ganze für beide Seiten noch schlimmer macht. Worte "morden" vielleicht keine "Körper", aber dafür "töten" sie Freundschaften und/oder Beziehungen ... Zum "Formalen" möchte ich noch etwas anmerken, denn hier endeckte ich den "versteckten Sinn" erst nach mehrmaligem Lesen. Zuerst dachte ich, es müsste anstatt "steht" korrekterweise "ist" heißen, aber nein. Zitat:
Tja, "verbaler" Mord ist eine ausgesprochen fiese Sache. Vor allem, da es selten einen wirklichen Grund gibt - meist nur einen, den der "Rächer" sich aus irgendeiner unbegreiflichen Ursache heraus selbst zurecht gelegt hat, wobei das "Opfer" dann die "Welt nicht mehr versteht", da aus dessen Sicht heraus gar kein Grund existiert ... Gerne - und sehr ungerne gelesen. Ich schätze, du verstehst das schon richtig. Liebe Grüße Stimme
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10.07.2011, 20:39 | #3 |
Gelegenheitsdichter
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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Lb. Stimme der Zeit,
dieses Gedicht ist bewußt kurz gehalten, damit in der Verdichtung der Bilder das Nachsinnen über das Gesagte angeregt wird. Ich hatte ursprünglich vor, noch mindestens eine weitere Strophe anzuflanschen. Das habe ich, wie man an Deinem Kommentar sieht, zum Glück unterlassen. In der Tat sind einige der Verse sehr dicht geworden. Oben habe ich den Wiederkehrer noch in den besseren Wiedergänger geändert. Jetzt ist dieser Vers noch drastischer geworden. Im letzten Vers steckt wirklich das drin, das Du herausgearbeitet hast. Das "steht" und das "ist", das sich ebenfalls anbietet, sind mehrfach gegeneinander gestausch worden. Die anschließende Formulierung "Mord im Wort" und Deine zurecht gemacht Assoziation "Werkzeugstahl" - "Waffenstahl" - sind übrigens verwandte Legierung und die gleichen Veredlungsverfahren, die da verwandt werden - haben dann die Entscheidung für das "steht" gebracht. Lieben Dank für Deine ausführliche Beschäftigung mit diesem kleinen Textstück! LG W.
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17.07.2011, 20:56 | #4 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
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Lieber Walther,
man sagt oft, dass erfahrener Schmerz, der im Verborgenen gehalten wird (manchmal aus "Eitelkeit" und oft aus der Unfähigkeit, ihn anzunehmen) hart macht. Leider hart und böse. Böse wird jener Mensch dann, wenn er eine Gelegenheit sieht, sich per Ventil zu erleichtern und ohne sich selbst als Betroffenen zu sehen. Irgendwann verliert sich der Bezug zum "Urschmerz", so dass jener angreift, ohne dass sich der Angegriffene einen Reim darauf machen kann. So verstehe ich dein äußerst verdichtetes Werk und finde es gerade ob der Kürze als sehr gelungen. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
18.07.2011, 17:05 | #5 |
Gelegenheitsdichter
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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Lb. Dana,
in der Tat war diese Erkenntnis der Grund für diese beiden knappen Strophen. Danke, daß sie Dir zusagen und natürlich für's Kommentieren! LG W.
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