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Alt 25.07.2013, 19:15   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Der Mann, der niemals irrte, ging alleine
auf einen Hügel manchmal, sah von dort
die Himmel kreisen und trat ohne Wort
zurück ins Weltverwobene, Gemeine.

Der Mann, der niemals irrte, ging verschwiegen
durch das Lebendige, das ihn umgarnte,
sich mit Verständnis gar und Güte tarnte:
Versuchungen, die stets am Wege liegen!

Der Mann, der niemals irrte, wusste alles
viel besser, war belesen und gelehrt.
Nicht ein Bereich der Welt blieb unerklärt,
er war gerüstet für den Fall des Falles.

Der Mann, der niemals irrte, wohnte unten
ganz links, Parterre, und ohne Namenszug.
Man hörte nie, dass eine Türe schlug,
und gestern erst hat man ihn dort gefunden.

Der Mann, der niemals irrte, starb vor Wochen.
Er schied aus seinem ungelebten Leben
ganz ohne Reue oder ein Vergeben.
Die Nachbarschaft hat es erst jetzt gerochen...
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (14.05.2014 um 13:59 Uhr)
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Alt 02.08.2013, 14:00   #2
Chavali
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Ooops, Erich,

das ist ja ein schrecklicher Fund.
So etwas gibt es aber öfter, als man glauben mag.

Allerdings nicht unbedingt als Eremit oder als ein Mensch ohne Freunde.
Irren ist menschlich und wer das für sich und seine Mitmenschen akzeptiert,
hat die Chance auf ein freundliches Miteinander.

Ist ja klar, solchen Besserwissern geht man lieber aus dem Wege.
Da hat ihm seine Vorsicht für den Fall des Falles auch nix mehr genützt....

Schön eingefangen und wie eine Geschichte erzählt!

LG Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 02.08.2013, 21:31   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Chavi!

Hier war es mir weniger um die Gefühlslage der Finder zu tun, auch nicht um den einsamen Tod des Protagonisten an sich, der hier nur die logische Konsequenz eines mürrischen und zynischen Lebenswandels ist, sondern eigentlich um die Gedanken- und Lebenswelt so eines verbitterten Sonderlings, den sein Dasein eigentlich immer nur enttäuschen KONNTE, weil er zu hohe Ansprüche an sich, vor allem aber an die Welt UM sich stellte!
Letztendlich bleibt solchen Zeitgenossen nichts übrig, als ALLE außer sich selbst zu Ar###lö##### zu erklären, da sie zu der einzig anderen plausiblen Einsicht nun mal nicht fähig sind - oder sein wollen! Da reden wir noch nicht mal von Schuldzuweisung - so ein Leben in tröstlicher Hybris kann einem rascher "passieren", als man glaubt, grade, wenn man - wie der Titel suggeriert - gehemmt ist!

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
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Alt 11.08.2013, 21:04   #4
Dana
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Lieber eKy,

ich denke, es gibt auch solche Frauen. Das Gedicht könnte ebenso mit "Der Mensch" beginnen.
Davon ab - mich nimmt das Werk gefangen. Ich kann diesen Mann irgendwie verstehen, trotz des Wissens, dass jeder meiner Versuche, ihm das zu sagen, gescheitert wäre.

Jene Spezies sind einfach zu rar und ihre Chancen, in ihrer "Abgeklärtheit", ihrem Wissensstand und ihrer anders verstandenen Lebensfreude einen wahren Freund zu finden, noch "rarer" sind. Jenen kann man nicht mit Welterlentem, Gemeinen und getarnter Güte begegnen - wozu?
Man würde sie noch mehr verdrießen.
Eigentlich gut für sie, dass sie mit der Masse nur gehemmt umgehen können.
Verstorben sind sie erlöst - ob und wie man sie findet, kann sie nicht mehr verärgern, oder?

Die Beschreibung als Gedicht gefällt mir ungemein. Mein Verständnis ist evetuell nur "getarnte Güte".

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 11.08.2013, 22:21   #5
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Vielen Dank für deine Gedanken!

Man spricht gern von Aspergersyndrom oder (partiellem?) Autismus, aber viele solcher Menschen sind schlicht sehr sensibel und wurden einfach zu oft verletzt, sobald sie es wagten, sich zu öffnen.
Wenn man Enttäuschung per se nicht gut wegsteckt, geht man dem Sozialen irgendwann lieber gänzlich aus dem Weg.
Manche tragen auch irgendeine Schuld (real oder eingebildet nach den jeweiligen Regeln ihrer Gesellschaftsordnung) mit sich herum und reden sich ein, sie wären nicht würdig, unter ihresgleichen zu leben, oder sie fürchten zu sehr, ertappt und verachtet zu werden.
Andere wiederum sind von den Untiefen menschlicher Existenz auch schlicht angewidert, vom moralischen Standpunkt bis hin zum - Pfuibäh - physikalischen Austausch von Körpersekreten!
Kurz, der Gründe für Unfreiheit sind sehr viele, und ich denke manchmal, fast jeder von uns trägt irgendwas davon mit sich herum. Es hängt wohl viel davon ab, welche Erfahrungen man in seiner Kindheit macht.

LG, eKy
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Alt 14.05.2014, 13:49   #6
Narvik
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Hallo Erich Kykal,

es existieren viele solcher Menschen, die sich von ihrer Umwelt isolieren und in völliger Einsamkeit leben, unter uns.
Man weiß nie, was sich hinter den Mauern der Häuser unserer Städte für Dramen abspielen, es bleibt unseren Blicken verschlossen.
Erst wenn es zu spät ist, wenn niemand mehr helfen kann, werden solche Schicksale entdeckt. Und solche Entdeckungen sind dann oft grausig.
Das beschreibt dein Gedicht sehr anschaulich und hat die Einsamkeit oder gewählte Isolation dieses Mannes sehr gut herausgestellt.
In der zweiten Zeile der vierten Strophe stimmt übrigens die Metrik nicht.

Herzliche Inselgrüße

Narvik
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant)
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Alt 14.05.2014, 14:04   #7
Erich Kykal
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Hi, Narvik!

Vielen Dank für's Reinschauen bei diesem alten Faden!

Ich fand tatsächlich eine zu lange Zeile, aber es war S3Z3. Die von dir monierte Zeile passt - zumindest nach meiner Lesart - genau ins Metrum. Ich zucke Achsel...

LG, eKy
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Alt 14.05.2014, 14:28   #8
Narvik
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Hallo Erich Kykal,

die von dir angegebene Zeile war mir gar nicht aufgefallen.
Aber hier:

ganz links, Parterre, und ohne Namenszug.

Ich kenne das Wort nur als Par-ter-re, also dreisilbig.

Liege ich falsch?

Herzliche Inselgrüße

Narvik
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Alt 14.05.2014, 14:35   #9
Erich Kykal
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Hi, Narvik!

Das kommt auf die Aussprache an. Die germanisierte Variante gibt dir Recht, aber wir in Österreich bevorzugen die französische Aussprache, weil dies eher zu unserem weicheren Dialekt passt.
Wir sagen: < par-ter > - und schon passt es in den Takt!

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (05.04.2018 um 22:20 Uhr)
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Alt 14.05.2014, 14:40   #10
Narvik
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Hallo Erich,

kein Problem, dann ist das eben die österreichische Variante.

Herzliche Inselgrüße

Narvik
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