Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Verschiedenes > Eiland Leben > Eiland-Schule und Eiland-Bibliothek > Eiland-Bibliothek > Eiland - Bibliothek

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 22.03.2018, 22:33   #1
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 27.08.2014
Beiträge: 469
Standard Das Kalckreuth-Kapitel [Napoleon]

Der Text ist von der 1921er Ausgabe übernommen. Der ein oder andere Übertragungsfehler dürfte sich aber eingeschlichen haben. Gerne Berichtige ich bei hinweisen.



Gedichte aus einem Zyklus

„Napoleon“

1905 und 1906




Hymnus auf Napoleon

Ich, dem der Gottheit gütig Walten
im uferlosen Nichts zerrann,
Ich, der in Sterben und Erkalten
verliebt ist und nicht sterben kann -
tief fühl ich in des Dunkels Falten
die Last vergangener Gestalten...
Du bist mein Gott. Dich bet ich an!

Cäsar der Toten! Herrscher der Schlachten!
Kühnsten Entschluß und sprachlos Verachten
blinkt dein metallenes Augenpaar.
Stumm hält die Lippen ein Lächeln umfangen,
bleicher noch macht dir Stirne und Wangen
dein langgelocktes, schwarzes Haar.

Du bist der Geist unzählger Heere!
Du bist des Schwertes größte Macht!
Du bist der Schreck der Hemisphäre!
Du bist der Stolz, der sie entfacht.
Du bist in meines Lebens Leere
der Wellenschlag metallner Meere!
Der Glutenhauch erstorbner Schlacht.

Daß unter schwanken Lorbeerzweigen
hundert Siege sich knieend dir neigen,
prangend im schlummernden Pantheon.
Denn von Ägyptens heißglühenden Steppen
bis zu der Alpen granitenen Treppen
erscholl ein Schrei: Napoleon!

In tausend stahlgeschärften Klingen
hat einer Welt dein Arm gedroht.
Doch kann das Dasein keiner zwingen,
und Untergang heißt sein Gebot.
Was hilfts, zum höchsten Licht zu dringen?
Vergeblich ist des Mannes Ringen,
Und besser ist ein ewger Tod.

Doch laß in Gram und stetem Verzichten
niemals uns leere Gestalten erdichten,
denen das Herz anbetend sich weiht!
Geist, der du nie deiner Siege dich freutest -
Kaiser, der nie dein Tun du bereutest,
Ruhm dir in alle Ewigkeit!




Geburt

Die Sterne sangen dir ein Lied von Stahl,
dich feiernd mit geheimnisreichem Gruße:
Heut tritt der Riese in das Erdental,
der es sich beugen soll, mit ehrnem Fuße.

Als lächelnd in der Wiege du geruht,
vom Traumgewebe frühsten Tags umsponnen,
erglänzte weithin die kristallne Flut
im Morgenlichte übermächtger Sonnen.

Und die Olivenhaine neigten sich,
umflossen von der Zukunft großem Wehen.
Und Erd und Himmel grüßten strahlend dich,
im Widerschein unsterblicher Trophäen.



Toulon

Es war die Stunde, da der Kessel Klappern,
des Zaumzeugs Klirren und der Pferde Schlappern
dem Schritt der müden Posten sich vereint.
Da die Gestirne dämmerhaft erbleichen
und in des Äthers uferlosen Reichen
ein Streifen blassen Rots erscheint.

Anschwellend hebt sich eine große Helle
hoch über dem Gestuf der blauen Wälle.
Und auf die Halden sinkt ein Nebelflor.
Vom Meer her flutet eine herbe Brise,
durch die Gezelte, durch Verhau und Wiese.
Im Morgenduft taucht Fort an Fort.

Und langsam schwebt, in lichtgeklärten Räumen,
die Sonne in des Äthers blaues Träumen,
und streift Gebirge, Hafen und Ponton.
Ein Rauschen faßt der Bäume hohe Kronen,
die Segel schwanken auf den Gallionen.
Im Strahlenkranze ruht Toulon.




Bonaparte

Der Hang des Zeltes fiel, verwacht und mager
trat, kaum bemerkt, der junge Held ins Lager,
das er mit seinen grauen Augen maß.
Kein Zug verriet die brennenden Gefühle,
auf seiner Stirn lag die Marmorkühle
der Felsenriffe Corsikas.

Und durch die Waffenplätze der Franzosen
ging im erwachten Tag das dumpfe Tosen
der Heere, die zum Sturme man befahl.
Den Siegeslauf, den Fall der Festungswände,
das alles liegt in Bonapartes Hände
der Kampfergraute General.

Er, der gerastet unter den Kanonen,
der selbst zum Fall der steilen Bastionen
das Ladezeug der Sterbenden erfaßt,
der taglang spähte, nach den Felsen lugend,
nahm auf die Schultern seiner stolzen Jugend
des letzten Angriffs Riesenlast.

Und tiergleich sich ins Geklüfte schmiegend,
ersah die Feste er, am Berghang liegend,
das Felstal engend ein zum Sterbebett.
Und wie ein Blitz durchfuhr es seine Seele:
Zum Sturm berede deine Generäle!
Der Schlüssel ist Fort l'Eguillette!


Sturm

Schaut auf! Die Kanonen flammen,
zerberstend stürzen zusammen
Gefels und trotziger Wall.
Wie im Donner, den er gerichtet,
die Front der Feinde sich lichtet
in der Mauer dröhnendem Fall,
die fränk'schen Geschütze scheinen
ihre Stimmen ganz zu vereinen
in einem gigantischen Knall.

Um das Fort wölkt der Qualm sich dichter,
und schrecklich blitzende Lichter
entzucken dem bleiernen Schoß.
Schon ist in wenig Sekunden
das klare Gefilde entschwunden
im Rauch des zerrißnen Plateaus.
Und bei der Quadern Erdröhnen
ringt sich ein verzweifeltes Stöhnen
aus den englischen Reihen los.

Zum Sturm, eh die Schwaden entweichen!
Der Fuß stößt schwankend auf Leichen.
Der Schrei wird vom Donner verschluckt,
durch die Tale gestürmt, sich versteckend,
durch die braunen Höhen sich deckend,
die ein Wetterleuchten umzuckt,
den Atem keuchend und ächzend,
nach dem Blut des Verteidigers lechzend,
der hinter den Schanzen sich duckt.

Das Feuer erstickt auf den Kuppen,
und plötzlich sind Frankreichs Truppen
im Rauch an das Fort gesaust.
Der letzte Raum überflogen,
wie ein Sturzbach vorwärts gezogen,
der von Klippe zu Klippe braust.
Die britischen Kugeln durchwettern
die Schar, doch die Stürmer erklettern
den Wall, das Schwert in der Faust.

Und als das Gewölke zergangen,
da liegt in jubelndem Prangen,
licht wie die kühnste Musik,
von der Feste zertrümmertem Tore
windschwankend die Trikolore
und verkündet den Tapferen Sieg.
Und von des Gefelses Stufen
schallt tausendstimmiges Rufen:
Es lebe die Republik!




Sieg

Und als der Abend stumm sich senkte,
den der verglühte Tag gebar,
und das Gebirge, das blutgetränkte,
in Bonapartes Händen war,
da lösten Tau um Tau die Briten,
und ihre Riesenschiffe glitten
im frühen Dunkel in das Meer,
sie flohen auf den finsteren Pfaden,
das Deck von Sterbenden beladen,
das Herz vom Groll Flüchtgen schwer

Bleich leuchteten die Schiffslaternen
hernieder von dem langen Zug,
derweil der Wind aus nächtgen Fernen
das Tosen der Verzweiflung trug.
Rings flammte auf den Schiffen allen,
die England in die Hände gefallen,
das Feuer wild und grauenvoll.
Scharf knatterten die Gallionen,
als schon das Dröhnen der Kanonen
von l'Eguillette herüberscholl.

Die Sieger drangen stürmisch flutend
in die zerfallnen Straßen ein.
Der letzte Stolz erstarb verblutend
im wechselvollen Flammenschein.
Die Bajonette und der Degen...
in schweren Tropfen fiel der Regen
vom schwarzen Himmel auf die Stadt -
grell scholl der Schrei der Fraun und Kinder,
und aller Grimm der Überwinder
trank sich im heißen Blute satt.

Die Wasserstrahlen fielen zischend
auf der Galeeren Eichenrumpf.
Im Dunkel Flut und Asche mischend
versank die Stadt im blutgen Sumpf.
Der Flammen Wut, der Truppen Drängen,
das Krachen der zerbrochnen Stengen
verkündete die neuen Herrn.
Doch durch das mitternächtge Dunkel
mit siegverheißendem Gefunkel
drang erstmals Bonapartes Stern.




Feste

Der Tag brach an, in ihrer Eisenschiene
erklirrte Schlag um Schlag die Guillotine,
und auf den Marktplatz tropfte dunkles Blut.
Zur Massengrube fuhr mir schwerem Knarren
die stummen Straßen hin der Leichenkarren,
den man mit bleichen Rümpfen überlud.
Auf die Verteidiger, die schreckensstarren,
ergoß sich schwarz des Todes eisge Flut.

Und als der Artillrist, zu Gast geladen,
in dem metallnen Klang der Füsilladen
beim Festmahl des Konvents zur Tafel saß,
und wenn ein Führer der berauschen Rotten
auf Frankreichs Sieg aufs Wohlsein der Cocotten
im Beifallslärm erhob sein volles Glas,
dann schien des Corsen kalter Blick zu spotten
des Pöbels, der der Zukunft ganz vergaß.



Nach Paris

Wie oft, als langsam er gen Norden fuhr,
zum Ozean der Weltstadt zu gelangen,
sah er die funkelnden Gestirne prangen
im nachtdurchwehten, schweigenden Azur.

Kein Laut. Der Hufschlag seiner Pferde nur
durchbrach die Stille, die ihn tief umfangen.
Die Schlösser, die dem Zorn des Volks entgangen,
beschatteten die öde, kalte Flur.

Die Dörfer schliefen in der Finsternis.
Ihm aber wars, als ob ihn ungewiß
ein Nachen durch erstorbne Meere trage.

Und in der Sterne Blässe, die das Nahn
des lichten Tags, entweichend, kundgetan,
fühlt er die Morgendämmrung großer Tage.



Alpen

Vom Höhenkamme pfeift ein scharfer Sturm,
und unheilvoll ertönt des Gießbachs Plätschern,
es ragt der Berg gleich einem breiten Turm,
aufstrebend aus dem Reich von tausend Glätschern.

Den Schwindelpfad des Hochgebirgs verwehrt
das Eis, das unter schweren Tritten knattert.
Da ist der Feldherr selbst auf seinem Pferd!
Wie ihm sein Mantel um die Schultern flattert!

Im Herzen selbst des Frosterstarrten Alls
schaut er herab von schroffster Felsenwarte.
Und zu den Namen Karls und Hannibals
fügt er den größren Namen: Bonaparte!

1906


Castiglone

Die Flucht der braunen Höhen ist gewonnen,
und seine Waffen streckt der Feind im Tal.
Stumm ziehen die gefangenen Kolonnen
durchs Heideland im schrägen Sonnenstrahl.

Die Stirn geschwärzt, den Arm in blutger Binde,
der Helme Erz vom Bleigeschoß durchbohrt,
marschieren westwärts sie im Abendwinde,
vom wehnden Staube wechselvoll umflort.

Und oben hält der magre Feldherr schweigend
und schaut das Nahn der wogenden Armeen.
Bis, die ersiegten Fahnen tief verneigend,
glückleuchtend seine Männer vor ihm stehn.

1906




Rivoli. (Fragment)

Schon flutet eine kühle Brise,
da sich das Dunkel näher senkt.
Und rings erscheint Gebirg und Wiese
mit schwarzem Blute dicht getränkt.
Ein bittrer Dunst erfüllt die Lüfte,
wo wundes Fleisch nach Wasser lechzt,
der Donner schmettert ins Geklüfte,
das widerhallend bebt und ächzt.

Am Ufer schwimmt der Pulvernebel
in schleierhaftem, trübem Flor,
und nur der Stahl der scharfen Säbel
blinkt aus der Dämmerung hervor.
Das wuchende Gestrüpp zersplitternd
schließt Batterie an Batterie,
und nah und näher dumpf gewitternd
rollt es heran auf Rivoli.

. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
Schon stampft Kolonne auf Kolonne
das Holz des schwankenden Pontons.
Und leuchtend flammt in später Sonne
der Glorienkranz Napoleons.


Acre

Sein Geist erhebt, der Krieger Herz entzündend,
im Schoß des Heers sich wie ein glühnder Wind,
wenn das Geroll der Trommeln, schlachtverkündend,
erschütternd durch die Rückenwirbel rinnt.

Sein Führerwort stählt unsre feinsten Nerven,
das Herzblut pulst mit seines Pferdes Schritt,
wenn der gedrängte Heerzug der Reserven
zum letzten Sturm in unsre Reihen tritt.

Und wann das Feuer eiserner Gewehre
die stolze Front mit Blitzen rings umzieht,
dann gleicht der Geist der hingerißnen Heere
dem Sonnenaar, der aufsteigt im Zenit.



Desaix

Setz' die Trompete an den Mund und blase!
Im Sturmschritt naht die siegende Armee...
der letzte Sand vertropft im Stundenglase...
Dem Feind der Tod! Zur Stelle ist Desaix.

Schon wogen seine kampfbereiten Scharen
vom Höhenzug herab im Glanz des Stahls.
Die herbe Glut von fünfundzwanzig Jahren
loht aus dem Blick des großen Generals.

Gleich einem Kriegsgott stürmt er durch die Heiden,
Vollstrecker er des eisenen Gebots.
Und niederflammend krönt ihn im Verscheiden
das heil'ge Glück des jugendlichen Tods.


Artillerie

Wir sind des Kaisers Artillerie,
die Tapfersten und Treusten.
Den Blitzstrahl der Kanonen verlieh
er unsern eisernen Fäusten.

Wann die Feldschlacht über den Äckern grollt,
und die Wege bedeckt sind mit Leichen,
dann kommen wir auf die Höhen gerollt,
und im Sande knirschen die Speichen.

Die Dörfer flammen wie Haufen Strohs,
Leuchtfackeln der blutigen Feier,
und gelbe Blitze reißen sich los
aus dem Wogen der qualmenden Schleier.

Und es ist, als ob ein jubelnder Ton
dem Grimm der Geschütze sich paare:
Die Herrin der Welt, die Große Nation!
Und des Kaisers, des Kaisers Gloire!

Vielleicht etwas früher.

…......................................


Am duft'gen Rand des Winterhimmels ruht
ein blasses Glühen, zart wie junger Flieder,
schon blinkt der Aare silbernes Gefieder
im kühlen Schein erglühnder Morgenglut.

Ein blasses Glühen, zart wie junger Flieder,
schaut lächelnd auf der Heere dunkle Flut,
im kühlen Schein erglühnder Morgenglut.
Es tönt der Marsch des Heers und Klang der Lieder.

Und lächelnd schaut der Heere dunkle Flut
der Kaiser von den gelben Höhn hernieder.
Es tönt der Marsch des Heers und Klang der Lieder,
in ihrem Blick flammt Kampfbegier und Wut.

Der Kaiser von den gelben Höhn hernieder
sie schauend, führt die Hand an seinen Hut.
In ihrem Blick flammt Kampfbegier und Wut.
Sieg oder Tod, wir kehren niemals wieder.



Eylau

Schon sprengen von des Hügels rauher Stirn
im Wintersturm des Kaisers Untergebne.
Die Rosse schnauben, und die Bügel klirrn,
Gestampf und Hufschlag füllt die weite Ebne.

Daher gejagt kommt es in langen Reihn,
und seiner Tapfren Siegerschar erkennt er:
Sie wenden sich nach rechts – sie schwenken ein -
wie blitzen Frankreichs Reiterregimenter!

Am Hügel hin fliegt sausend im Carriere,
lavienengleich das Heer in ehrner Größe.
Zehntausend Augen blicken leuchtend her...
wie jubeln furchtbar die Trompetenstöße!

Gelassen grüßt sie mit dem grauen Hut
der Kaiser, der Zertrümmerer den Kronen -
und Mann und Roß entschwinden in der Wut
des Schneesturms und der russischen Kanonen.

1906


Lobau

Der Nachmittag des riesenhaften Ringens,
der schon im schweigenden Azur verblich,
sah, wie die Hoffnung siegenden Gelingens
allmählich aus der Brust des Kaisers wich.
Der Donner der Kanonen scholl betäubend,
und Frankreichs Kräfte ließen stöhnend nach,
Baumstämme schlugen, donauabwärts treibend,
dumpfkrachend an die Brücke, das sie brach.

Aus Aspern und aus Eßling stiegen qualmend
die Feuersäulen auf am Horizont.
Und vorwärts jagten, die Karrees zermalmend,
die Reiter durch die aufgelöste Front.
Zum Ufer floß ein schmales Blutgerinsel,
die Sonne zitterte im Wellenbad,
als festen Schrittes auf die Lobau-Insel
mit ungebeugter Stirn der Kaiser trat.

Da sah er die Verwundeten zerschmettert,
in tausend Schmerzen ächzend hingestreckt,
wie Bäume, vom Orkan hinabgewettert,
der Boden war von rotem Naß bedeckt.
Im Staube lagen tausend tapfre Männer,
die stolzen Reihen, die die Schlacht zerschlug,
durch die so oft der kampfgewohnte Renner
im jungen Morgenstrahl den Corsen trug.

Und als er, längs der Erdenbüsche schreitend,
befehlend zu Davoust sprach, scharf und klar -
da flutete des Kaisers Pfad geleitend
ein seltsam Wogen durch die bleiche Schar.
Verstümmelte, die mit de, Sterben rangen,
erhuben keuchend sich auf ihren Knien.
Die Menge, in des nahen Todes Bangen,
warf tausendfach erglänzten Blick auf ihn.

Und herrlicher als seine stolzen Fronten
ihm jauchzend in der blanken Waffen Klirrn,
sahn die Zerstörten, die nicht reden konnten,
nach ihrem Herrn mit hellbesonnter Stirn.
Als kette sich im Schatten ewger Nächte
nur eiserner ihr Herz an sein Geschick:
Dein sind wir in des Lebens vollstem Rechte,
und Dein ist unser letzter Augenblick!

Sommer 1906





Wagram

Nun ist das Tosen all in eins geronnen,
das an des Äthers Riesenwölbung schlägt,
da sich der Strom der Infantriekolonnen
in sturmgehäuftem Drang nach Nord bewegt.

Im Feld, wo frisch vergrab'ne Leichen modern,
zertritt erneute Wut das reife Korn.
Und sieben Dörfer, die im Umkreis lodern,
verkünden Frankreichs sieggewissen Zorn.

Auf seinem Hügel hält, die Heere zwingend,
der große Corse, unbewegt und kalt,
die Menschenflut mit seinem Geist durchdringend,
die er mir ehrnem Willen formt und ballt.

Nun donnern die Geschütze von Massena,
in ihrem Krachen wälzt zum Himmel sich
der Krieger Ruf aus fammender Arena:
Cäsar! Die Sterbenden begrüßen dich!



1814

Das schupp'ge Helmband unsrer Bärenmützen
hält heute noch das rauhe Kinn gepresst.
Wir trugen es von Aboukir nach Lützen -
der Sieg war göttlich und der Tod ein Fest.

So wahr die Lunten glühn an den Geschützen!

Ob auch der Erdenkreis von Leichen strotze,
hoch über allem leuchtet unser Ruhm.
Die wir zu Pferd und auf der schweren Protze
durch Land und Meer gefolgt dem Kaisertum -

Wir stehn noch heut in ungebeugtem Trotze.

Doch da die Lüfte abendlich sich färben
und unheilvoll der Preußen Hornruf gellt,
durchfühlen wir das nahende Verderben,
vor dem das Riesenreich in Trümmer fällt...

Und nur noch eines bleibt: Für Ihn zu sterben!




Waterloo

Vom nassen Kornfeld weichen Englands Schützen,
die alles taten, was ein Mensch gekonnt.
Im blauen Qualm verbirgt der Horizont
Verstümmelte und blutgetränkte Pfützen.

Die erde bebt von feuernden Geschützen.
Vom Licht des Regentages bleich besonnt,
hält stumm der Cäsar vor der finstren Front
die Bajonette und der Bärenmützen.

Die Reihn hinab harrt schweigend Mann an Mann.
Die keiserlichen Tambours schlagen an:
Bald reißt der Strom zu Grunde Damm und Schleusen.

Die goldnen Adler streift ein lauer Wind,
in dem der dichte Pulverdampf zerrinnt.
Vom rechten Flügel tönt das Horn der Preußen.


Helena

Gefesselt ward der gestürzte Titan
an des Weltmeers Schwelle,
und dämmernd unrauschte der Ozean
ihn Welle an Welle.

Und wie der gewaltige Traum einer Nacht
in grauenden Weiten,
erschien ihm fern die erhabenste Macht
entschwundener Zeiten.

Wann abends auf dem Geklippe er stand,
vom Schaum überflogen,
die grauen Augen reglos gewandt
auf die brandenden Wogen.

Und mit des Wahnsinns nagender Wut
glomm wilder und wilder
in seinem dunklen Grame die Glut
zertrümmerter Bilder

In dem blauen, gekräuselten Pulverdampf
die silbernen Aare,
und der letzte verzweifelte Riesenkampf
vom Rhein zur Loire.

Und der Feldherrnjugend leuchtender Glanz,
Italiens Gefilde,
und des gletschertürmenden Alpenlands
demantene Schilde.

Die Schar der Größten, die ihn umgab,
Desaix und Massena!
Und die Ebne von Eylau, Grab an Grab,
und das Schlachtfeld von Jena!

Und der Führer Ruf und der rote Blitz
aus tausend Geschützen,
die Morgensonne von Austerlitz,
und die Lorbeern von Lützen!

O Glorie, die flammte, Leiden und Blut
dem Krieger versüßend -
wann die schmale Hand du geführt an den Hut,
die Tapferen grüßend.

Wann vom Flußlauf und vom Berggestuf
aufbrausend und heiser
die Reihen entlang geflutet der Ruf:
Es lebe der Kaiser!

Die Trompete von Gold und die Schwerter des Heers
im Sonnengeblende.
Und gepreßt an den Kolben des wucht'gen Gewehrs
die schwieligen Hände.

Und bezwungen der Lande unendlicher Raum
in sieghaften Märschen.
Das strahlende Ziel, der unsterbliche Traum,
die Welt zu beherrschen!

Geh unter, o Sonne! Und birg wie mein Glück
im Meer dein Gefunkel.
Und laß mein Verzweifeln erstarrend zurück
im ewigen Dunkel!


Stolz wölbt sich die erhabene Rotunde,
die dämmernd die geweihte Halle deckt,
und bebend zittert in der weiten Runde
das Echo, das der scheue Fußtritt weckt.
Wie aus den Nischen tiefgeheimem Grunde
sich stumm Standarte an Standarte reckt!
Es schatten die zerrißnen, greisen Fahnen
den Marmorsarg des schlummernden Titanen.

Und unsre Seele fühlt sich lichtentzündet,
die sacht ein kühler Hauch zum höchsten weiht.
Ein großes Ruhen, stark und neugegründet,
erhebt sich aus dem trauervollen Streit.
Die Schlachtennamen, die der Stein verkündet,
sind allgewaltig über Raum und Zeit.
Und unser Herz ergreift der Todesreigen,
als schliefen selber wir im ewgen Schweigen.
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.

Geändert von Terrapin (28.03.2018 um 10:31 Uhr)
Terrapin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.03.2018, 22:46   #2
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 27.08.2014
Beiträge: 469
Standard

Persönlich halte ich das Werk für so geschlossen, dass ein aufbrechen nicht den chronologischen Faden tragen könnte, den Text für Text weiter vor sich trägt.

Wer ist denn gezwungen alles im Rutsch zu konsumieren?
Bei Erichs Bildsonetten rührt es doch auch keine Mühe sich seines Befindens auszuweisen.

Vielleicht hülfe es zur Orientierung, nummerierte ich die jeweiligen Gedichte.

Ohne Weiteres freue ich mich über jeden Kommentar dieses Schaffens.
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.
Terrapin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.03.2018, 17:31   #3
Eisenvorhang
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Ich nehme mich dem mal an und schreibe dann etwas dazu.
Kann etwas dauern. :-)
  Mit Zitat antworten
Alt 23.03.2018, 17:34   #4
Sufnus
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Ich nehme mich dem mal an und schreibe dann etwas dazu.
Kann etwas dauern. :-)
Dem schließe ich mich an.
  Mit Zitat antworten
Alt 28.04.2018, 14:01   #5
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 27.08.2014
Beiträge: 469
Standard

Da will ich das mal wieder etwas nach oben schieben.
Leider hat sich noch keiner weiter dazu geäußert.
Nun gut, Snufus hat sich ja aus dem Forum verkrümelt, der kann nicht mehr, auch wenn er es besser sollte.

Wohl denn...
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.
Terrapin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2019, 00:36   #6
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 27.08.2014
Beiträge: 469
Standard

Immer schade, das niemand von den vielen, ein Wort, die Verse betreffend, hier ließ.
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.
Terrapin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.09.2019, 19:27   #7
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Terri!

Wenn ich hier nicht schrieb, dann vielleicht, weil ich nie etwas davon mitbekommen habe, möglicherweise auch, weil ich mir mit offenem Lob und Ruhmesschwelgen für rücksichtslose Diktatoren schwer tue.

Napoleon war kein Held, kein in meinem Augen großer Mensch - ein guter Stratege zweifelsohne, getrieben von glühendem Ehrgeiz, der wahrscheinlich in seinem tiefsitzenden Minderwertigkeitskomplex wurzelte, weil er ja recht klein und unscheinbar von Gestalt war. Er musste immer etwas beweisen - sich selbst und aller Welt!

Aber aus meiner Sicht war er niemand, der Bewunderung verdient hätte, dem man "Größe" nachsagen könnte - zumindest nicht die Art Größe, die für einen vernunftbegabten und empathischen Menschen zählen sollte!


Ich habe jetzt erst mal das Einführungsgedicht gelesen, und mich hat überrascht, wie metrisch unregelmäßig es daherkommt, mit unregelmäßigen Auftaktwechseln, unregelmäßigen Zeilenlängen, Senkungs- und Hebungsprallen.
Darf ich daher vermuten, dass diese Napoleon-Lobhudelei eher ein Frühwerk des ja leider viel zu früh verschiedenen Dichters ist? Ansonsten könnte ich mir solche Schnitzer nicht erklären.

Ich werde so peu á peu auch den Rest lesen und hoffe, die lyrische Qualität bessert sich noch. Andernfalls ist wohl klar, warum dieser Teil seines Schaffens eher nie publiziert wurde ...

Danke, dass du diesen Faden "geliftet" hast (du weißt aber schon, dass solche "Doppelposts" verboten sind?).

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.09.2019, 21:25   #8
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 27.08.2014
Beiträge: 469
Standard

Moin Erich,

Von dieser glühenden Verehrung Kalckreths kann man freilich halten, was man will. Aus heutiger Sicht wirkt es schon etwas ungewohnt.

Die Gedichte sind, wie sie da stehen hauptsächlich von 1905-1906 sprich mit 17-18 Jahren geschrieben. Das Thema Napoleon hatte er aber schon Jahre früher als Zyklus zur Idee gefasst und Gedichte dazu geschrieben.

Hymnus auf Napoleon ist so ziemlich das einzige Gedicht, das solche Unebenheiten aufweist, und da auch nur jede zweite Strophe.
Die modellierte Luther-Strophen hat er alle einwandfrei vierhebig im Jambus gedichtet.

Die restlichen Strophen, so nehme ich an, sind erste Aufzeichnungen, Skizzen, und zu einer Überarbeitung kam es nicht mehr.

Der Rest die Bank durch metrisch gestaltet.

Schön von dir hier zu hören.


Gruß Terrapin.
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.
Terrapin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.09.2019, 22:44   #9
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Terri!

Habe nun "Geburt" gelesen - richtig, hier ist metrisch alles in Ordnung. Ich nehme an, das Einstiegsgedicht, der "Hymnus", wurde viel früher geschrieben, vielleicht damals schon, als er zum ersten Mal beschloss, diesen Potentaten zu bedichten, daher die Schnitzer. Seltsam aber, dass er diese offenbar nie überarbeitet hat, als er es dann besser konnte.

"Geburt" ist wieder ganz ein typischer Kalckreuth - wunderbar gestaffelte Wortgirlanden von sprachlich erlesener Qualität und höchstem lyrischem Anspruch.
Auch wenn ich inhaltlich nicht beipflichten kann - wie gesagt, die Napoleone dieser Welt waren immer Getriebene ihrer Defizite verdienen in meinen Augen weder Respekt noch Bewunderung - so genieße ich doch die poetische Brillianz dieser Zeilen!

Sehr gern gelesen!

LG, eKy



"Toulon":

Schöne sechszeilige Strophen mit 5 Hebern, nur die Schlusszeile ist verkürzt, was dem Duktus aber gut tut.

Den erwähnten Schiffstyp schreibt man übrigens "Galeone". Siehe ---> https://de.wikipedia.org/wiki/Galeone

S1Z2 - Das "Schlappern" der Pferde wirkt recht gemeinsprachlich und passt nicht in das ansonsten wohlgesetzte Elaborat.


Beschrieben wird der frühe Morgen in einem Heerlager vor der Hafenstadt Toulon. Ein reines Stimmungsbild, in dem Napoleon gar nicht direkt erwähnt wird - was das Werk in meinen Augen lyrisch wertiger macht. Schwärmerei tut der Lyrik nicht gut, wirkt meist nur pathetisch oder naiv, im schlimmsten Falle beides. Und unreflektierte Heldenverehrung ist etwas für Pubertierende - aber halten wir dem guten Wolf zugute, dass er altersmäßig kaum drüber weg war, als er dies schrieb, zudem ein Kind seiner (militaristischen) Zeit war und obendrein das Opfer einer sehr konservativen, komissorientierten Erziehung. Für "echte Männer" seiner Zeit und seiner Kreise, und ein solcher wollte er ja trotz und gerade wegen seiner Behinderung sein, waren Fahnentreue, Patriotismus und Waffendienst geradezu obligatorisch! (Die englischen Prinzen beispielsweise müssen heute noch alle zum Militär - und sei es nur für die Vorbildwirkung!)

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (22.09.2019 um 09:30 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Napoleon Chavali Beschreibungen 7 17.05.2017 18:34
Intermezzo (Kapitel 2) Felix Fortsetzungsgeschichten 0 01.01.2017 03:43
Intermezzo (Kapitel 1) Felix Fortsetzungsgeschichten 0 31.12.2016 03:22
Wolf von Kalckreuth Erich Kykal Denkerklause 15 14.01.2015 17:08


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 14:20 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg