Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Bei Vollmond

Bei Vollmond Phantastisches und Science Fiction

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 16.04.2016, 12:07   #1
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
Standard Unschuld

Kannst du die Unschuld begreifen? Sie reist mit Ra in der Barke.
Vielgestaltiges Tier, gottgleich beherrscht sie den Tod.

Klagst du sie an, die Edle, so sei dir gewiss, es ist müßig,
Echnaton schlug sie tot. Siehe! Wir schufen sie neu:
Doppelgesichtig, tyrannisch, Verführerin gläubiger Toren;
prächtige Tempel, geweiht schelmischen Monstres Sacrés.

Lügenbeseelt ersehnt das Sterbliche ewiges Leben,
Liebe versagt, doch der Hass zeugt empyreische Macht,
hebt Verlorene hin zu den grausam fordernden Göttern -
schimpfst du sie Lug und Trug, teeren und federn sie dich.

Wähnst du dich, Mensch, von Gott getrennt, bist du einsam und gierig,
liest, der Wahrheit entrückt, Allmacht im Schattengespinst.

Horus, wende die Barke, die Sonne erscheint nun im Westen!
Schäfchengesichtiges Blau schönt uns den Albtraum der Nacht.
Unschuld, du konntest, o Schöne, dein Feuer in Aton entfachen,
gänseblümchenbekränzt wähltest du ihn zum Gemahl.
Falken kreisen erblindet und Löwen dösen gesättigt,
selbst Apophis schläft tief, lauscht deinem Sonnengesang.

Kannst du die Unschuld begreifen? Sie reist in der Barke,
und umarmt dich der Tod, siehst du ihr schönstes Gesicht.






****
Version I


Kannst du die Unschuld begreifen? Sie reist mit Ra in der Barke.
Vielgestaltiges Tier, gottgleich beherrscht sie den Tod.

Klagst du sie an, die Edle, so sei dir gewiss, es ist müßig.
Echnaton schlug sie tot. Siehe, wir schufen sie neu:
Doppelgesichtig, tyrannisch, Verführerin gläubiger Toren;
prächtige Tempel, geweiht schelmischen Monstres Sacrés.

Lügenbeseelt ersehnt das Sterbliche ewiges Leben.
Liebe ist schwach, nur der Hass zeugt die unsterbliche Macht,
hebt es empor zu den Reuelosen, den fordernden Göttern.
Sagst du: „Ich glaube nicht!“, forderst du jene heraus.
Wähnt sich der Mensch von Gott getrennt, ist er einsam und gierig,
liest er, der Wahrheit entrückt, Allmacht im Schattengespinst.

Horus, wende die Barke, die Sonne erscheint nun im Westen!
Schäfchengesichtiges Blau schönt uns den Albtraum der Nacht.
Unschuld, du konntest, o Schöne, dein Feuer in Aton entfachen,
gänseblümchenbekränzt wähltest du ihn zum Gemahl.
Falken kreisen erblindet und Löwen dösen gesättigt,
selbst Apophis schläft tief, lauscht deinem Sonnengesang.

Kannst du die Unschuld begreifen? Sie reist in der Barke,
und umarmt dich der Tod, siehst du ihr schönstes Gesicht.

Geändert von charis (23.04.2016 um 16:55 Uhr)
charis ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.04.2016, 14:55   #2
anamolie
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

tösen > dösen, aha. Löwen tösen also nicht, wie langweilig.
Ambitioniertes Werk!!!!!

Sehr sehr bravourös, allein der Versuch.


Zitat:
Kannst du die Unschuld begreifen? Sie reist in der Barke.
Vielgestaltiges Tier, gottgleich beherrscht sie den Tod.

XxxXxxXxxXxxXx
XxXxxXXxxXxxX

Ist halt kein Distichon. Aber toller Prolog.

~

Klagst du sie an, die Edle, so sei dir gewiss, es ist müßig.
Echnaton schlug sie tot. Siehe, wir schufen sie neu:
Doppelgesichtig, tyrannisch, Verführerin gläubiger Toren;
prächtige Tempel, geweiht schelmischen Monstres Sacrés.

XxxXxXxxXxxXxxXx
XxxXxXXxxXxxX
XxxXxxXxxXxxXxxXx
XxxXxxXXxxXxX

präzise. Ich finde, französisch, wo ich nicht weiss was es heisst,
und auch nicht, wie man es ausspricht, in einer ägyptischen
Götter-Mystik zu verwenden, deplatziert. Zumal ja Napoleon
der Sphinx die Nase abschlagen liess - oder auch nicht.

~

Lügenbeseelt ersehnt das Sterbliche ewiges Leben.
Liebe ist schwach, nur der Hass zeugt die unsterbliche Macht,
hebt es empor zu den Reuelosen, den fordernden Göttern.
Sagst du: „Ich glaube nicht!“, forderst du jene heraus.
Wähnt sich der Mensch von Gott getrennt, ist er einsam und gierig,
liest er, der Wahrheit entrückt, Allmacht im Schattengespinst.

XxxXxXxXxxXxxXx
XxxXxxXxxxXxxX
XxxXxxXxXxxXxxXx
XxxXxxXxxXxxX
XxxXxXxXXxXxxXx
XxxXxxXXxxXxxX

nachlässig geschrieben. Das habe ich auch schon oft gesehen bei meinen
eigenen Distichon-Versuchen, dass zwei aufeinanderfolgende Trochäen
in Füssen Zwei und Drei, den Fluss erheblich beeinflussen.

In Z2 lese ich eher einen Amphibrachys, der dann nicht funktioniert,
als einen Hebungsprall, Hass zeugt XX, vielleicht liegts nur an mir,
aber "zeugt" kann ich unbetont jenseits des starken Hasses in eine Senkung
fallend lesen. Dasselbe bei "Ich glaube nicht", das betone ich XXxX, ja,
aber in einem Amphibrachys-durchtränkten Konstrukt gelten nur die stärksten,
und dann xXxx... vielleicht lese ich zu viel Amphibrachys.

Aber Z4 erschiene mir eher wie ein perfekt durchgezogener Amphi, als
ein Hebungsprall durch "nicht" und "forderst". Jeweils, sollte man womöglich
irgendwo eine Silbe streichen, um den Amphi so zu entfremden, dass die
Betonungen verschärft und somit verdeutlicht werden.
Z5 lässt sich mE nur mit Hebungsprall "getrennt" "ist" lesen,
NIEMAND unterdrückt da das "ist" in einen Anapäst, "ist er einsam".

~

Horus, wende die Barke, die Sonne erscheint nun im Westen!
Schäfchengesichtiges Blau schönt uns den Albtraum der Nacht.
Unschuld, du Schöne, konntest dein Feuer in Aton entfachen,
gänseblümchenbekränzt wähltest du ihn zum Gemahl.
Falken kreisen erblindet und Löwen dösen gesättigt,
selbst Apophis schläft tief, lauscht deinem Sonnengesang.

XxXxxXxxXxxXxxXx
XxxXxxXXxxXxxX
XxxXxXxxXxxXxxXx
XxXxxXXxxXxxX
XxXxxXxxXxXxxXx
XxXxxXXxxXxxX

top. Bis auf die beiden Schmuckwörter Anfangs Z2 und Z4, die sind
ebenfalls deplatziert mE, weil wir Horus, Barke, etc haben, eine düstere,
archaische religiöse Mystik des Todes - was haben da, mE natürlich,
solche roseroten Wölkchen-Gebilde verloren, eher eines euphorischen Liebesgedichts,
entweder aus der Feder einer 14jährigen Jung-Dichterin, oder, aus meiner.
Dass wir uns nicht missverstehen. "gänseblümchenbekränzt" ist ein herrliches Wort,
nur verschleuderst du da zugunsten einer schmückenden Feingeist-Regenbogen-
Wortkaskade, die Düsternis vieler donnernder Schlagworte, die der Szenerie
wohl eher gerecht, als solcherlei Feingeist-Irritationen im Auftakt, mE natürlich.

Ansonsten würde ich diese drei sauberen Distichen nämlich für relativ makellos und traumhaft erachten.

~

Kannst du die Unschuld begreifen? Sie reist in der Barke,
und umarmt dich der Tod, siehst du ihr schönstes Gesicht.

XxxXxxXxxXxxXx
xxXxxXXxxXxxX

ich lese "und" nicht als betont, ich lese das als gezielten Anapäst,
was ich als toll empfinde - womöglich wolltest du dein "und" betont haben,
ich als etwas gehobener Dichter würde aber ABSICHTLICH, einen Anapäst
schreiben, und somit hätte ich eigentlich zu wenig Silben für einen Pentameter.
Aber dafür ein perfektes, metrisches Finis, weil es gewagt und gut ist.
Gerade weil ein Anapäst an der Stelle, irritierend, aber dramaturgisch gelungen wirkt mE.

Ist ja ohnehin kein Distichon, weil du, wie im Prolog, so auch im Epilog,
keinen Hexameter hast.

Bis auf einige metrische... für meinen Geschmack, Unpässlichkeiten,
einige für meinen Geschmack, gravierende Deplatziertheiten, und einen Sinn,
der sehr gewagt und hoch sticht, und den selbst ich kaum kapiere,
nämlich den Kampf zwischen Polytheismus einer archaisch-ägyptischen
Glaubensvorstellung, und Monotheismus einer ägyptischen Erneuerung durch
Aton/Echnaton, die allein die Sonne/Lebenskraft/Liebe anzubeten wünschte,
und dafür bestraft, weil Echnaton nach seinem Tod "reichsgeächtet" wurde,
seine "neue Hauptstadt" verlassen und schon sein Sohn, Tut-anc-amon,
wieder die Religion wechselte, von -aton, wieder zu -amon, um das Volk und
die Priesterschaft WIEDER, auf seiner Seite zu haben. Falls ich recht erinnere.
Wie erheiternd, dass ich dafür Google nicht brauche.

Tutanchamun in Deutsch, der mit dem krass goldenen, berühmten Sarkophag,
Sohn des Echnaton und der... hm, vergessen, einem Liebespaar, das als
Ketzerpaar die polytheistische Religion ändern wollte, hin zu einem Eingott-Glauben,
der Sonne ALLEIN (Aton, und sein Hohepriester, der Pharao allein, -die Amun-Priesterschaft
somit ebenfalls beraubend, also etwas durchaus real Machtpolitisches in Ägypten zu jeder Zeit
bis heute im Übrigen, Stichwort Muslimbrüder-, Anc-Aton, Echnaton)...
und diesen Zwiespalt zwischen "archaisch/Hass/Furcht" und der Feder der Unschuld
im Totenreich, des Furcht-Glaubens, und "neuzeitlich/Liebe/Vertrauen" und derselben
Feder der Unschuld, des Liebe-Glaubens, hast du herausgearbeitet.

Tolle Vorstellung!

Ob "Unschuld" vielleicht ein zu unprätentiös gewählter Titel ist?
Ich weiss, Schiller nannte das auch nur "Nänie", aber "Nänie" ist ein gewaltiges Wort,
das viel ausdrückt, ein Totengesang glaube ich, ein alt-griechischer Trauer-Totengesang.

"Unschuld" ist ja kurz und prägnant, und hat auch was, aber das hätte auch
jene 14jährige Neudichterin über irgendeinen Schmacht-Verse Libre klatschen können.

ICH, hätte über SO EINEM GEWAGTEN TEIL, mit Sicherheit mehr angegeben!!!

Ich kann mich natürlich in all meinen Ausführungen irren!!!

Aber über solch ein gewagtes Distichen-Dings, nur so ein aussage-unkräftiges "Unschuld" zu setzen...

empfinde ich als underdressed, sry.

Sowas wie "Die Mumie schlägt zurück", oder "Als Echnaton sich im Grab
wieder zurückdrehte Allah sei dank"... lol.

Echt gewagtes Distichen-Dings, mit einigen Fehlerchen, aber ansonsten
ein Gut hoher deutscher Sangeskunst mE! Ein höchst bravouröser Versuch,
und... mit Abstrichen, höchst zelebrierend gelungen.

Geändert von anamolie (17.04.2016 um 15:12 Uhr)
  Mit Zitat antworten
Alt 17.04.2016, 15:41   #3
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
Standard

Hallo ana,

Vielen Dank für deine ausführlichen Kommentar und auch für die grundsätzliche Zustimmung, wenn ich das richtig verstanden habe. Da brauch ich einige Zeit, um mich durchzuarbeiten und melde mich dann!

Lieben Gruß
charis
charis ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.04.2016, 10:20   #4
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Hallo charis,
Das ist etwas, was ich gar nicht kann, nicht desto trotz staune ich! Du beschreibst di "Unschuld". Für mich ist das hier ziemlich verschlüsselt. Aber ich versuche es: Die Unschuld reist in einer Barke, als vielgestaltestes Tier, und sie beherrsch auch den Tod. Das kann nur eine Mythos sein. Wenn ich weiter lese tauchen Ägyptische Götter auf: Am Besten gefällt mir:

Horus, wende die Barke, die Sonne erscheint nun im Westen!
Schäfchengesichtiges Blau schönt uns den Albtraum der Nacht.
Unschuld, du Schöne, konntest dein Feuer in Aton entfachen,
gänseblümchenbekränzt wähltest du ihn zum Gemahl.
Falken kreisen erblindet und Löwen dösen gesättigt,
selbst Apophis schläft tief, lauscht deinem Sonnengesang.


Staunend bin ich hier. Aber auch ein wenig sprachlos. Unschuldig sind Kinder! Und eigentlich gibt es keine Unschuld.

Kannst du die Unschuld begreifen? Sie reist in der Barke,
und umarmt dich der Tod, siehst du ihr schönstes Gesicht.


Ein wahrlich phantasievolles Werk!

Ich habe mir den Kopf zerbrochen und gestaunt.

Liebe Grüße sy

  Mit Zitat antworten
Alt 18.04.2016, 11:16   #5
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
Standard

Hallo ana,

So jetzt bin ich durch, wenn du dir schon so viel Mühe gibts, kann ich natürlich nicht zurückstehen

Zitat:
präzise. Ich finde, französisch, wo ich nicht weiss was es heisst,
und auch nicht, wie man es ausspricht, in einer ägyptischen
Götter-Mystik zu verwenden, deplatziert. Zumal ja Napoleon
der Sphinx die Nase abschlagen liess - oder auch nicht.
"monstres sacrés" - muss schon bleiben, er gibt nämlich keine wirkliche Entsprechung im Deutschen, in der soviel drin steckt und die so herrlich mehrdeutig ist.
Es hat was mit begnadete aber auch exzentrisch zu tun, und irgendwie unantastbar.

Zitat:
Liebe ist schwach, nur der Hass zeugt die unsterbliche Macht,
XxxXxxXxxxXxxX
Das ist, denke ich, deutlich genug, denke ich: Hass zeugt XX
Ja, vielleicht ist der Hass etwas gewichtiger, was mir auch so recht ist, aber das lange "zeugt" kann sich damit durchaus messen, finde ich, gerade diese Kombination erzeugt Spannung.

Es ist durchaus erlaubt bzw. üblich, die Zäsur im Penta so zu überspielen zb. auch in Nänie:

Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus.

Zitat:
Sagst du: „Ich glaube nicht!“, forderst du jene heraus.
XxxXxxXxxXxxX
geht so: XxxXxXXxxXxxX
Das ist auch ziemlich klar, finde ich halt, denn aufgrund der Ausrufung, liegt die Betonung doch deutlich auf dem "nicht", was mir natürlich auch aus dramaturgischen Gründen hier wichtig ist.

Zitat:
Wähnt sich der Mensch von Gott getrennt, ist er einsam und gierig,
XxxXxXxXxxXxxXx
Also für mein Gefühl, ist das ein guter Hexa, mir gefallen solche, wo die Zäsur nach einer Hebung ist und dann eine Doppelsenkung folgt also hier:

.. getrennt, //ist er einsam und gierig.

ja, vielleicht bist du doch ein wenig durch deine Amphibrachys-Schweife konditioniert bei Lesen, für diese Verse muss man erst einmal den Stechschritt-Rhythmus, den wir im Kopf haben, ausschalten.

Zitat:
Horus, wende die Barke, die Sonne erscheint nun im Westen!
Schäfchengesichtiges Blau schönt uns den Albtraum der Nacht.
Unschuld, du Schöne, konntest dein Feuer in Aton entfachen,
gänseblümchenbekränzt wähltest du ihn zum Gemahl.
Falken kreisen erblindet und Löwen dösen gesättigt,
selbst Apophis schläft tief, lauscht deinem Sonnengesang.

XxXxxXxxXxxXxxXx
XxxXxxXXxxXxxX
XxxXxXxxXxxXxxXx
XxXxxXXxxXxxX
XxXxxXxxXxXxxXx
XxXxxXXxxXxxX

top. Bis auf die beiden Schmuckwörter Anfangs Z2 und Z4, die sind
ebenfalls deplatziert mE, weil wir Horus, Barke, etc haben, eine düstere,
archaische religiöse Mystik des Todes - was haben da, mE natürlich,
solche roseroten Wölkchen-Gebilde verloren, eher eines euphorischen Liebesgedichts,
entweder aus der Feder einer 14jährigen Jung-Dichterin, oder, aus meiner.
Dass wir uns nicht missverstehen. "gänseblümchenbekränzt" ist ein herrliches Wort,
nur verschleuderst du da zugunsten einer schmückenden Feingeist-Regenbogen-
Wortkaskade, die Düsternis vieler donnernder Schlagworte, die der Szenerie
wohl eher gerecht, als solcherlei Feingeist-Irritationen im Auftakt, mE natürlich.

Ansonsten würde ich diese drei sauberen Distichen nämlich für relativ makellos und traumhaft erachten.
Danke!

Das sehe ich ein bisschen anders als du; das sind in meinen Augen keine "Schmuckwörter", sondern sie sollen diese Wende der Sonnenbarke unterstreichen. Die Barke kehrt um, Re braucht nicht mehr jede Nacht ums Überleben kämpfen; die Unschuld erreicht wieder ihren "Urzustand", Gegensätze lösen sich auf Gott/Pharao/Sonne, die Tiergötter werden zahm, das soll bewusst unschuldig und (kinder)märchenhaft klingen.

Zum Inhalt: Ja, du hast diese metaphorisch wilden Ritt gut dargestellt. Ich habe befürchtet, dass ich da ein bisschen zuviel hineinpackt habe (habe ich auch! ) in die wenigen Verse, na ja ... es sollte ambivalent sein und auch Freiraum lassen, für so jemandenn wie dich vielleicht, der das kryptisch verspielte mag (?)

Diese "Unschuld" verstehe ich als eine Art göttlichen Urzustand, in dem alles enthalten ist, bevor wir die Dualität erschufen, und ich habe sie eben an dieser Reise der Barke geknüpft - wohl ein wunderbare Darstellung des menschlichen Überlebenskampfes und der Dualität. Die Unschuld ist also Einheit und Vielheilt zugleich, die ist gut und böse und Tod und Leben. Es ist eigentlich entstanden inspiriert von Köhlmeiers "Joel Spazierer", der weder Gewissen noch Moral kennt - nämlich wirklich nicht kennt - er ist ein großer Lügnner, ein Verbrecher und Mörder - (wobei vor dem geschichtlichen Hintergrund, seine Sünden irgendwie relativiert werden) - auf seine Art ist er also unschuldig, so ähnlich wie ein Tier, das tötet.

Der Titel passt schon so - er darf ruhig völlig harmlos wirken - genau das wollte ich erreichen.

Ja, mit den fehlenden Hebungen beim Pro- und Epilog, habe ich lange gekämpft. Ursprünglich wollte ich:

Kannst du das Wesen der Unschuld begreifen! Sie reist mit der Barke.

"Wesen der Unschuld" war mir dann aber zu umständlich, ich wollte es knackiger. Und ich hatte dann die Idee schreibend hier den Sonnenaufgang bzw. -untergang zu symbolisieren.

Wobei man den letzten Vers vor dem Epilog mitberücksichtigen müsste:

selbst Apophis schläft tief, lauscht deinem Sonnengesang.

der den Höchststand der mit seinen Hebungsprallen die Sonne symbolisieren soll:
XxXxXXXXxXxX

Aber ja, das ist eine Zirkusnummer, für den Leser nicht nachvollziehbar, vielleicht schreibe ich das noch um.

Zitat:
und umarmt dich der Tod, siehst du ihr schönstes Gesicht.

ich lese "und" nicht als betont, ich lese das als gezielten Anapäst,
was ich als toll empfinde - womöglich wolltest du dein "und" betont haben,
ich als etwas gehobener Dichter würde aber ABSICHTLICH, einen Anapäst
schreiben, und somit hätte ich eigentlich zu wenig Silben für einen Pentameter.
Aber dafür ein perfektes, metrisches Finis, weil es gewagt und gut ist.
Gerade weil ein Anapäst an der Stelle, irritierend, aber dramaturgisch gelungen wirkt mE.
Ja, das ist ein schwacher Einstieg, bei Schiller's Nänie findest du das auch, sogar häufig, zb:

Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.
Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.


Also wenn Schiller das darf, dann darf ich das auch ; obwohl ich dir natürlich recht gebe, dass bei meinem Vers die Betonung auf "und" zu lesen, wohl etwas schwieriger ist, weil ein zusammengesetztes Wort folgt. Sei drum. Ich bin nicht Hölderlin oder Mörike - und es ist ja auch kein Distichon - also kann man es durchaus auch fünfhebig lesen. Vielleicht ändere ich den Prolog auch in diese Richtung.

Vielen Dank nochmals für dein Einlassen auf/ und große Mühe mit meinem Text und für das Lob, das allerdings nicht angemessen ist. Ich bin schon froh, wenn es ein "halbwegs gelungener Versuch" ist.

Lieben Gruß
charis

Liebe Syranie,

Freut mich, dass dir die Horus-Strophe gefällt - ich mag sie nämlich auch auch

Zitat:
Ich habe mir den Kopf zerbrochen und gestaunt.
Das ist gut so!

Vielen Dank für deinen Kommi, ich hoffe, mein Kommentar oben kann dir ein wenig die kryptischen Verse erhellen.

Lieben Gruß
charis

Geändert von Chavali (18.04.2016 um 14:12 Uhr) Grund: Doppelpost: 2 Beiträge zuammengeführt
charis ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.04.2016, 13:57   #6
anamolie
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Ähm... in Prolog und Epilog den Hexameter um einen Fuss zu verkürzen,
und in der finalen Zeile einen zu schwachen Auftakt quasi als Anapäst
zu verwenden, ist für mich als Dichter... hüstel... ein Orgasmuschen.

Da hat mein Gehirnchen ganz kurz mmmmmiaurrr gemacht!

~

Es ist gar nicht nötig, alle Massvorgaben wie eine Stechuhr einzuhalten,
wohingegen ersichtlich ist, dass der Urheber eloquent genug war,
das Distichon zu beherrschen. Deine Ausführungen sind natürlich ok.

Das metrische Konzept ist halt nicht ganz sooo einfach, und vor Allem
deine Erklärung zum Apophis, dass das sowas sein soll XXXX,
kann ich nachvollziehen.
Ich warf dem Kollegen Kykal auch schon vor, kein Fremd-Verständnis
für die Werke Anderer aufzubringen, und somit grammatikalische oder
formuliertechnische Dinge als Fehler anzukreiden, vorschnell, weil er zu
oberflächlich und schnell über ein Fremdwerk hastet, und dadurch ganz einfach
diese Dinge und Zusammenhänge nicht SIEHT, wenngleich sie tatsächlich da sind.

Ist schwierig, dein metrisches Konstrukt von aussen, so im Drüberrutschen,
angemessen zu erkennen/zu würdigen, aber ich sehe, du hast dir extrem
viel Mühe gemacht/gegeben. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass du
das französische Wort und die beiden 14jährige schreibt Liebes Verse Libre
Gedächtnis Worte nicht gebraucht hättest, aber mach nur!

~

Für deine Bescheidenheit allerdings rüge ich dich.

Ich empfinde falsche Bescheidenheit als Sünde vor dem, was man eigentlich
ehren sollte, und Bescheidenheit als Devotion. Wer etwas Gutes geschaffen,
der benenne, das Gute ehrend, im klaren Gesichte, es sei gut, und lobpreise
den herrlichen Geist, er sei gut. Aufrecht stehen wir vor den Toren des Himmels!
Und weder devot, noch dominant, sondern im Gewissen unserer schönen Lebendigkeit.

Du solltest bei einem Werk demnach nicht so tief stapeln, bei dem du dir
offensichtlichst sehr viel Mühe gegeben hast, und das an metrischem Konstrukt,
Thema, und Formulierkunst, weit, weit über des weiten Internets Gedichte-Foren,
herausragt... du besitzt ja schon die Dreistigkeit, bei der Nänie um Beistand
zu heischen, deine Konstrukte verteidigend! Das würde ich an deiner Stelle geniessen.



~

So fühlt sich also Erich Kykal, wenn man ALLE seine so sorgsam beim
Drüberrutschen errichteten Besserwisser-Kritikpunkte, abschmettert.

"Nö, nein, wieso eigentlich, du hast Unrecht, nein, nö, und, das auch nicht."

Ich fühle mich offiziell geerichkykalt.

Du und deine künstlerische Egomanie, und deine Eitelkeit! Macht doch was ihr wollt!

-schmoll-

Ich habe wirklich versucht, dich über meine subjektive Meinung zu belehren,
aber du hast dreist behauptet, du hättest sogar AUCH EINE!!! Mir völlig ein Rätsel,
und du seist der dreiste Urheber, der gerne selbst wissen will, was er schreiben will...

Rätsel über Rätsel!

Nein, nach wie vor, mag ich diese drei Worte nicht, zumindest die beiden
unteren, entheben einer dramaturgischen Düsternis und kriegerischen Szenerie,
zu rosarot mE a la 14jährige Liebes Verse Libre... nach meinem Geschmack,
aber ansonsten ist dir da was Grossartiges gelungen...

bei so einem Konstrukt muss der Verfasser wissen, was er schreiben will,

und sonst Niemand!

Gut gemacht! Auch das Selbstverständnis der eigenen Potenz des Dichters,
das begründend verteidigt, an rechtmässigem Schrieb. Eine zweite Zierde!

Mach so weiter, und ich fühle mich dumm, und zähle meine Daumen beim...

auf dem Klo.

Eins... äh... vier...

Geändert von anamolie (18.04.2016 um 14:25 Uhr)
  Mit Zitat antworten
Alt 19.04.2016, 21:10   #7
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
Standard

Hallo ana,

Nochmals vielen Dank!

Zitat:
Und weder devot, noch dominant, sondern im Gewissen unserer schönen Lebendigkeit.
Das hast du sehr schön gesagt, und ich werde es mir zu Herzen nehmen!!

Ich freue mich, dass ich dich gemeinsam mit meinem Kumpel Schiller von meinen Vers-Konstrukten überzeugen konnten. Und Kollegin Syranie ist mir beigestanden, meine 14jährige-Liebes- Vers-Libre-Wortfindungen zu verteidigen, das sollte dich genauso beeindrucken!

Ich habe mich im Prolog nun doch für ein richtiges Distichon entschieden - mit dieser unprätentiösen Ergänzung kann ich hier gut leben und ich denke, so ist es auch klarer, wohin die Barken-Reise gehen soll (?).

Den Epilog lass ich aber unbedingt so wie er ist - ich will dir ja das Minio... nicht auch noch nehmen. Ich finde diesen Zweizeiler ja ehrlich gesagt auch (sehr ) schön - und so bleibt meine fixe Idee des Symbolisierens der Sonnenbewegung dann doch erhalten.

Lieben Gruß
charis

Geändert von charis (19.04.2016 um 21:39 Uhr)
charis ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.04.2016, 15:50   #8
anamolie
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Ach, charis, ich darf dich beunruhigen!

Selbst 14 hoch 14 Kollegin Syranies könnten meine subjektive Meinung
über die beiden Rosa Blümchen Langworte nicht ändern... und,
ich darf dich beruhigen: Meine Agonie ist nicht auf Mini-Orgasmen angewiesen.

Aber es ist immer schön, wenn man welche hat...

Fixe... Idee der Sonnenbewegung, ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Hm, jetzt auch noch Ra... hast du jetzt Alle beisammen?
Aber eine Mumie kommt immer noch nicht vor!!! Schweres Versäumnis.

zB "Die Mumie kanns nicht gewesen sein, o Unschuld, denn sie ist ja noch bandagiert"...

Naja. Ist ein extrem schwer zu begreifendes... wie nennt man sowas???
Distichon-Dings das aus vielen Distichen besteht... Elegie?
Oder tatsächlich eher eine Nänie? Ich fänds toll, wenn richtige Totengesänge
in Distichen, ganz einfach "Nänie" genannt würden, und eher sehnsuchtsvolle
Trauergesänge "Elegie"... oder, nennen wir dein Gedicht einfach "Mumie"...

Elegie, Nänie, und Mumie.

Hahaha! Ach, man gewähre mir meinen Spass.

Es ist nach wie vor schwerst verständlich, und hoch komplex aufgebaut.

Aber, wie ärgerlich, reizt mich dieses überzeugende Konstrukt, womöglich
doch mal eine richtige Elegie zu verfassen... tja, ab jetzt, immer wenn charis
wer disst in einem Internet-Gedichte-Forum, Link hierher, und Schnauze.

Sowas will ich auch!!!
  Mit Zitat antworten
Alt 22.04.2016, 16:17   #9
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
Standard

Zitat:
tja, ab jetzt, immer wenn charis wer disst in einem Internet-Gedichte-Forum, Link hierher, und Schnauze.

Sowas will ich auch!!!
Das ist lieb von dir, aber mich disst doch keiner! Gedisst werden nur monstre sacré wie ana. Wenn charis so komisch und "höchst unverständlich" schreibt, verdreht man höchstens die Augen (was ich eh nicht sehe) und klickt gleich wieder weg. Also kurz: Bist du sicher, dass du das auch willst

Trotzdem, ich freue mich sehr, dass ich teilweise deinen Geschmack treffen konnte (Ich bin aber noch immer zutiefst enttäuscht, dass du die rosaroten Wortfindungen nicht würdigen magst, fühle mich aber von Syranie aufgefangen!) und mich mit dir fachlich austauschen. Ich finde, durch die Kommentare hat dieser Faden erst richtig Farbe gewonnen! Hat mir Spaß gemacht, danke!

Lieben Gruß
charis

Geändert von charis (22.04.2016 um 16:39 Uhr)
charis ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Zerstörte Unschuld wolo von thurland Diverse 4 29.11.2015 23:41
O holde Unschuld! - Eine Illusion Erich Kykal Denkerklause 4 17.11.2015 22:31
Verführte Unschuld Erich Kykal Finstere Nacht 4 21.09.2015 20:08


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 18:52 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg