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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 18.07.2011, 14:00   #1
Justin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Standard Im Wandel der Zeit

Die Zeit, als wir den "Laden" lasen,
und um uns her die Welt vergaßen
ist mittlerweile längst entschwunden,
doch unvergessen sind die Stunden,
die angefüllt mit Poesie,
wir einst verspürten wie noch nie.
Die Bücher setzten deutlich Zeichen
an Unterschieden und Vergleichen.
Dem Alltag konnten wir enteilen,
und lasen gerne zwischen Zeilen.

Dann gab es plötzlich diesen Wandel
im sogenannten Volksbuchhandel.
Was man heut in Regale stellt,
hat gut zu sein, wenn es sich "sellt".
In Reichweite von Hölderlin
steht Deutsch-Erneurer Sarrazin.
In Angeboten des Kommerz
befindet sich sehr viel fürs Herz.
Man möchte manchen Autor sieben,
und fragt, hat er es selbst geschrieben.

Ich freue mich für Ost und West,
wo man das Gute gelten läßt.
So nehm ich gerne das zur Hand,
was man in beiden Teilen fand.
Reclam und Insel sind zu nennen,
denn diese wird wohl jeder kennen.

Geändert von Justin (02.08.2011 um 13:45 Uhr)
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Alt 20.07.2011, 19:43   #2
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 1.836
Standard

Hallo, Justin,

in diesem Bereich kenne ich mich nicht aus, aber ich hoffe, ich liege mit dem Suchmaschinen-Ergebnis richtig: "Der Laden", von Erwin Strittmatter, der bis zur "Wende" außerhalb der damaligen DDR ziemlich unbekannt war.

Aber im Grunde genommen geht es doch um etwas anderes, nämlich um Bücher. Ja, ein Buch hatte und hat immer etwas ganz Besonderes, irgendwie "Greifbares". Wenn ich z. B. meinen Lieblingsdichter, Christian Morgenstern, lese, dann macht es einen Unterschied, ob ich seine Werke auf dem Bildschirm betrachte oder ein Buch mit seinen Gedichten in den Händen halte. Nun ja, ich bin auch nicht mehr 20.

Es gibt nichts Schöneres, als in ein Buch "abzutauchen" und die Welt um sich herum dabei völlig zu vergessen.Der "Wandel im Handel" hat sich allerdings überall gleichermaßen vollzogen - leider. Es stimmt. Massenware, lieblos geschrieben, möglichst einfach und "leicht verdaulich", damit man beim Lesen den Kopf beinahe nicht mehr braucht. Dazu noch Co-Autoren und Ghostwriter. Weiß man, ob "Vampir Beissmichfest", Teil 156(), wirklich aus der gleichen bzw. ursprünglichen "Feder" geflossen ist? Ich gebe zu, dass ich oft daran zweifle. Wenn Gemälde und Diplome gefälscht und Musik von früher künstlich "aufgedonnert" wird, dann ist es wohl nicht schwer, einen Kopisten zu finden, der den Stil des Autors perfekt nachzuahmen versteht. Manchmal zweifle ich sogar daran, ob denn "Vampirius" und "Vampir, beiss mich nicht zu fest" zusammen mit dem obigen Beispiel nicht alle drei, mit unterschiedlichen Autorennamen versehen, von ein und demselben professionellen "Ich-schreibe-08/15-Romane-in-4-Wochen-Preis-pro-Buch ..."-Verfasser stammen ...

Es ist ein Glück, dass es trotzdem noch Unverbesserliche gibt - wie beispielsweise wir Hobbydichter in den Lyrikforen. Denn wir schreiben und lesen zwar hier, aber ich möchte wetten, dass kaum jemand mehr echte Literatur zu Hause hat als gerade wir, die so oft vor dem Bildschirm sitzen. Sonderbare Welt ...

Es gibt noch ein paar Verlage, die tatsächliche Bücher, echte Literatur und wirkliche Lyrik heraus geben. Die beiden Verlage, die du in deinem Gedicht erwähnst, kenne ich natürlich. Es gäbe aber auch noch den Herdt-Verlag, der sich Bildungsmedien und somit der Bildung gewidmet hat. Es ist noch nicht alles verloren.

Ich möchte noch etwas anmerken. Eigentlich betont man "Poesie" Po-e-SIE, aber da bei drei aufeinander folgenden unbetonten Silben, die es im Deutschen nicht gibt, sich die mittige in der Betonung hebt (von Faldi gelernt), passt das schon. Ich sage es nur, falls es dich (oder jemand anders) interessiert.

Den Anglizismus in Strophe 2, Vers 4, würde ich in Anführungsstriche setzen, also "sellt", das ist aber nur mein persönlicher "Geschmack".

Nur in der 2. Strophe in Vers 6 und 7, komme ich ins "Stolpern". Zum "sieben" benötigt man mehrere Autoren, und im Folgevers hast du eine Silbe zu viel. Darf ich einen Vorschlag machen, um ein wenig zu "glätten"?

Man möchte die Autoren sieben,
und fragen: "Hast du's selbst geschrieben?"

oder, falls die Elision stört:

Man möchte die Autoren sieben,
und fragen: "Ist das selbst geschrieben?"


Ansonsten liest es sich gut, durch die Abwechslung von männlichen und weiblichen Kadenzen wird es auch nicht eintönig.

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


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Alt 21.07.2011, 01:37   #3
Dana
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Lieber Justin,

im Grunde würde ich nur Stimmes Kommentar zitieren, bzw. plagiatieren - und das darf man nicht.

Ich verstehe deine Sicht zum Wandel der Zeit sehr gut. Dafür muss man schon ein wenig gelebt haben, stimmt's?

Selbst hier im Forum, wo man tagtäglich Neues und sicher viel Gutes lesen kann, hat es (für mich) wenig mit der "Tugend Lesen" zu tun.
Ohne über Geschmack und Interessen zu streiten - Bücher bleiben immer ein ganz eigener Schatz.
(Ganz im Vertrauen: ich mag Bücher gerne riechen, z.B. jene die sehr alt sind, weil ich das Gefühl habe, darin auch die Zeit zu erfassen.)

Ich liebe gefüllte Bücherregale und bewundere die jeweiligen und eigenen Ordnungen.

Ich träume von einem Bibliothekzimmer, in dem man ein gewünschtes Buch nur per Leiter erklimmen kann.

Dann weiß ich von Menschen, die ein gelesenes Buch einfach entsorgen - weil sie es schon kennen.

Ach, ich muss dir noch mehr erzählen:
Ich lese nie ohne Bleistift (Kugelschreiber ist tabu!), weil ich Passagen oder nur schöne Sätze unterstreiche. Diese übertrage ich in "Poesiealben", so dass daraus auch schon ein Buch entsteht.
Spannend finde ich auch, wenn ich ein "gebrauchtes" Buch erwerbe, in dem schon jemand unterstrichen oder Randnotizen gemacht hat. Der einstige Leser gibt sich darin zu erkennen und kommt mir nah, wenn er bereits unterstrichen hat, was ich auch unterstrichen hätte. Seelenverwandtschaft ohne Begegnung.
Lach nicht!

Trotz der Bücherfülle und des Überangebots, wo man einerseits froh ist, dass Bücher so zugänglich geworden sind und wo man nur kopfschüttelnd verzweifelt, was im Konsumrausch Buch genannt wird - man hat die Wahl.


Dein Gedicht führt dazu, dass man sich wieder auf die Freude an Büchern besinnt.

Auf einem Trödelmarkt kam ich an einen Stand, wo ein Händler "Bodenfunde" anbot. Darunter "Gedichte und Dramen" von Uhland (1863).
Ich fragte, was er dafür haben möchte: "Ach, das ist schon so alt, geben sie mir eine Mark." Er konnte einen Fünf-Mark-Schein nicht wechseln und ich bat ihn, das Geld zu behalten. (Wir waren jeder für sich verlegen.)

Ich grüße dich herzlich, ohne jeden Zeitwandel,
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 21.07.2011, 16:15   #4
Justin
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Hallo Stimme ,

Deinen Beitrag habe ich gestern noch gelesen, konnte mich aber nicht mehr aufs Schreiben konzentrieren und hole das heute nach. Beim Lesen kann es nichts Schöneres geben, als an ein Buch zu geraten, das einen ganz gefangen nimmt. Deshalb habe ich als Einstimmung auf Strittmatters "Laden" verwiesen. Deine Recherchen via Suchmaschine sind richtig gewesen. Strittmatters Romantrilogie erzielte damals in der DDR Rekordauflagen, und man könnte von einem Bestseller sprechen. Doch war dieser Begriff im Osten im Grunde genommen verpönt.

Du hast recht, daß sich der Wandel im Handel überall gleichermaßen vollzogen hat, als er erst einmal "systemkonform" geworden war. Ich wollte aber eher auf den Übergang aufmerksam machen, der nach der Wende eingetreten ist. Viele Dinge sahen wir damals im Osten als Mangel an. Die Taschenbuchausgaben von "Fischer", "Rowohlt" oder "dtv" z. B. waren heiß begehrt. Man brachte sie sich gern aus Ungarn mit oder später direkt aus dem Westen. Doch es gab auch viele Bücher als Lizenzausgaben westdeutscher Verlage. Das konnte schon als Fortschritt angesehen werden.

In der Sendereihe "Kennzeichen D" wurde ein Besucher aus dem Westen befragt, was ihm bei uns am besten gefallen hatte und die Antwort lautete: Die Buchläden, in denen man viele gute Bücher findet. Heute können wir das besser nachvollziehen. Wenn das Buch als Ware bezeichnet wurde, ist das so falsch nicht. In der DDR konnte man nicht einfach mal so ein Buch bestellen und mußte oft Wartezeiten in Kauf nehmen. Aber wenn man dieses Buch dann besaß. war die Wertschätzung dafür oft größer. Die Auslagen hatten keine reißerische Aufmachung, sondern regten in ihrer Offerte stärker zu eigenen Urteilen an. Aus heutiger Sicht möchte ich unser Verhältnis zum Buchmarkt als ambivalent bezeichnen. Man freut sich einerseits über die Angebote, die es früher nicht gab, würde aber andererseits auch gern die Schraube zurückdrehen, die den Kommerz hemmungslos in Fahrt gebracht hat.

Du äußerst dich selbst treffend dazu. Es wird so viel auf den Markt geworfen. daß man an der Echtheit zweifeln muß. Wenn plötzlich Personen, die ins öffentliche Leben getreten sind oder durch den Boulevard bekannt wurden, alle ein Buch schreiben, so ist das verdächtig und läßt Zweifel aufkommen. Da haben dann wohl doch Ghostwriter eifrig mit dran gestrickt. Einige "Verfasser" sind so ehrlich, das zuzugeben; andere hingegen verschweigen es viel lieber. An diesen Mauscheleien sind auch Lobbyisten beteiligt, die damit verstärkt auf ihre Interessen hinarbeiten. Manchmal verraten sich Menschen selbst, ohne es vielleicht zu merken. So sagte mal eine junge Tänzerin in einem Interview: "Ich habe zuerst kaum 2 Sätze zustande gebracht, doch dann kamen die Medien auf mich zu, die mich ja aus meinem Tanzfilm her kannten". Und wie es weitergegangen ist, kann ich mir recht gut vorstellen .

Im Gegensatz dazu sind wir hier in diesem Gedichteforum bestimmt sehr viel ehrlicher. Mit dieser Einschätzung hast Du recht. Und ich möchte wetten, daß viele Autoren, deren Werke in Hochglanz erschienen sind, Mühe haben, einen Vierzeiler zustande zu bringen. Wir sitzen zwar oft vorm Bildschirm, blenden aber gute Literatur nicht aus. Wir können es auch gar nicht, weil wir ja davon erst angeregt werden. Literatur ist für uns also immer auch Mittel zum Zweck.

Zu den Änderungen möchte ich sagen: Das "sellt" in Anführungszeichen übernehme ich wahrscheinlich, da so noch schneller auf die anglizistische Herkunft aufmerksam gemacht wird. Beim anderen Vorschlag, der das Autorensieben betrifft, möchte ich es lieber so belassen, wie es ist. Denn mit "manchen Autor" ist ja im übertragenen Sinne nicht nur einer gemeint, sondern eine Reihe davon - also die Mehrzahl, wo das "sieben" dann nicht falsch wäre.

Ich danke Dir, Stimme, für Deinen netten Kommentar, der mir gut gefallen hat und den ich gern gelesen habe.

Liebe Grüße

Justin


Liebe Dana,

lach nicht, hast Du mich in einem Abschnitt aufgefordert. Ich tue es aber doch ein wenig, nicht weil ich mich darüber lustig mache, sondern weil ich Deine Zeilen so liebenswert fand . Über die Angewohnheit, Sätze in Büchern mit Bleistift zu unterstreichen oder solche gefundenen Sätze in Schönschrift in Poesiealben zu übertragen, habe ich an anderer Stelle schon erfahren. Ich kann mich total in Deinen Seelenzustand reinversetzen und weiß, was Dir Bücher bedeuten. Daß Du gern ein Bilbiothekzimmer hättest, glaube ich Dir auf Anhieb, und auf jeden Fall auch die Liebe zu alten Büchern. Aus denen kann man sich dann, wenn sie vor einem liegen, so viel zurechtdenken. Dazu gehört wohl sogar der Geruch, von dem Du sprichst. Auf Trödelmärkte mit Büchern bin ich seltener gekommen, habe mich aber gern dort aufgehalten, wenn es sich wirklich mal ergeben hat. Und vielleicht würde ich im Fall, den Du beschreibst, auch nicht lange um ein Buch feilschen, wenn ich daran Gefallen fände.

Andere Menschen können sich häufig leichter von Büchern trennen. Mir fällt das, genau wie Dir, sehr schwer, weil so viele Erinnerungen daran hängen. Noch habe ich Platz und kann sie unterbringen. Sollte es zum Problem werden, würde ich zuerst nach Ausweichmöglichkeiten suchen.

Ich muß an den alten Tatort-Kommissar "Ehrlicher" - Peter Sodann, denken, der Bücher aus der ehemaligen DDR nicht dem Vergessen preisgeben möchte. Eine Immobilie soll zum Museum werden, in dem sich später alte Bestände wiederfinden. Eine Idee, die bestimmt auch Du für gut hältst.

In diesem Sinne liebe Grüße

Justin
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