07.04.2012, 14:51 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hymnus (An die Wolken)
Wolke, du, im Himmelsblauen-
wie dein stetiges Verwandeln formenreicher dich beschreibt, mich verführt, dich anzuschauen! Spüre keinen Drang zu handeln, doch im Stillen wächst Vertrauen in die Kraft, die alles treibt. Bin ich denn ein Wolkenwesen, das sich wandelt, so wie du? Und wer würde mich dann lesen, schaute meinem Werden zu? Wolke, du, in Himmelsweiten zeigst du auf, was fasziniert: Wird der Wind dich auch verwehn, stirbst du nicht am Formbefreiten, bist nicht einmal irritiert: Denn im Grenzen-Überschreiten wirst du neuer auferstehn! Wäre ich, wie du, ein Wesen- wandelbar, im Wandel treu - könnt ich an mir selbst genesen, schüfe täglich mich aufs Neu. Nichts verlöre sich, mitnichten! Blieb ich wie das Wolkenbild, eingeengt in tausend Pflichten, stiege doch aus tiefsten Schichten in den Himmel, in die Leere Leichtigkeit – und ohne Schwere wüchse Sinn, der sich erfüllt.
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! |
07.04.2012, 15:25 | #2 |
asphaltwaldwesen
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eine ganz feine hymne und tief philosophische naturbetrachtung, liebe larin!
gern leg ich mich da rücklings ins grüne gras (wenn auch wetterbedingt nur imaginär momentan) und sehe den wolken zu und nach. dieses werden und vergehen als bestimmung - du hast es ganz wundervoll im auf- und ab des zeilenwogens besungen. ein echter genuss! danke. lieber gruß und frohe ostern!!!! herzlichst, deine fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan |
08.04.2012, 10:47 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hallo fee,
das hast du trefflich nachgespürt: auf dem rücken liegen und mit der seele baumeln! die betrachtung der wolken und ihres stetigen wandels ist unglaublich entstressend! so in etwa ist das gedicht auch entstanden: den kopf ausschalten, in den himmel gucken und mal leer werden von all dem gedenke.... geht aber nicht lange. (kaum ist das denkhirn bei mir abgedreht, schaltet sich das dichthirn wieder ein! ) da schwierigste dran war, mein rasch auf ein papierfutzelchen hingekritzeltes daheim wieder zu entziffern und ihm dann eine regelmäßigere form zu geben! danke für dein lob! ich wünsche dir auch ein frohes osterfest! lg, larin
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13.04.2012, 20:25 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hymnus (an die Wolken)
Hallo larin,
ja, mit den Wolken zieh'n, der schnöden Welt entflieh'n - wer möchte das nicht gerne! Faszinierend, wie sich eine Wolke in Minutenschnelle verwandelt - da wünsche ich mir als Mensch doch etwas mehr Beständigkeit, aber niemals Unwandelbarkeit. Ein wolkenleichtes, schönes Gedicht zum Mitschweben! Himmlische Grüße vom wüstenvogel, der sich schon manchmal zwischen den Wolken verflogen hat. |
14.04.2012, 09:01 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Liebe Larin,
Über die Form deines schönen Gedichts könnte man viel sagen, der geschickte Wechsel der siebenzeiligen und vierzeiligen Strophen, die Verwandlung, bzw. Verdichtung der letzten Strophe durch Paarreime, die gegensätzliche Phrasierung zu den beiden vorangegangen, dann der feierlich-ruhende 'Bin'-Beginn, der nach Erreichen der Kernaussage zum hoffnungsvoll-erhebenden 'Wäre'-Schluss führt, etc. Alles sehr gut! Das wesentliche scheint mir aber, dass du hier ein profanes Ostergesicht schreibst, wie ich es mir natürlicher nicht vorstellen kann. Du ver-ent-hüllst das Geheimnis der Auferstehung, auf eine so schöne und tiefe Weise, dass es selbst der eingefleischte Atheist verstehen kann. Nicht an 'Formbefreiung sterben' als Kern des 'im Grenzen-Überschreitenden Auferstehens'. Das ist Ostern! Wenn die Pfarrer das nur alle wüssten! (Diese ketzerische Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen.) Liebe Grüße Thomas |
14.04.2012, 09:59 | #6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hallo thomas,
ich bin immer wieder erstaunt, wenn mir jemand etwas sagt über von mir verwendete formen, phrasierungen usw. an so etwas denke ich beim schreiben kaum, weil ich ein eingefleischter "aus-dem -bauch - raus - schreiber" bin. dichten ist bei mir ( meist) eine sache des gefühls. am meisten überrascht hat mich dein statement, dass man es auch als "österliches gedicht" lesen könnte - und dann auch noch so, dass es sowohl atheisten als auch pfarrer verstehen könnten! na so was! das mag wohl an dem bild der wolke liegen, die in ihrer wandelbarkeit jede menge raum für projektionen des eigenen geistes gewährt. ich denke, dass die universelle kraft des lebens uns genau diesen raum auch lässt! von dem standpunkt aus betrachtet relativiert sich für mich jede art von religionsstreit! ich bin in einem teil meiner selbst wie die wolke und in einem anderen teil vielleicht atheist und ich einem weiteren teil möglicherweise auch priester! weil wir (nach)denkende menschen sind, haben wir zutiefst angst vor dem verlieren einer bestimmten form, angst davor, in dem unhaltbar-auf-uns-zukommenden keinen halt mehr zu finden. vielleicht ist diese angst aber auch völlig unnötig! wozu diesen halt suchen, wenn doch ohnehin nichts, was da ist, aus dem da - seienden herausfallen kann? fürchtet euch nicht! - das ist eine botschaft, die in ihren tragweite kaum verstanden wird. wenn sie nämlich verstanden wird, verstanden im grunde der seele, dann hört das umklammern auf und der raum der freiheit beginnt. ich kann zu bestimmten zeiten an diese botschaft glauben und empfinde das als großes glück. es führt zur ruhe, und in der ruhe liegt die kraft. lieber wüstenvogel, ich bin kein weltflüchter - aber manchmal ist es gut, abstand von ihr zu gewinnen, um aus dieser inneren distanz heraus mehr klarheit zu entwickeln. was uns letztlich bleibt, ist die veränderung. pantha rei! mit wolkigem gruß, larin
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