18.11.2015, 01:19 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 07.06.2015
Ort: Niederrhein
Beiträge: 103
|
Die Hochzeit (Sonettenkranz)
Die Hochzeit (Sonettenkranz)
0. Der dunkle Vogel (Meistersonett) Er fliegt am Himmel hoch auf dunklen Schwingen auf seiner langen Reise durch das Land bis an der Welten Ende, an den Rand, den Abgrund, dessen Ende wir besingen. Die Sonne nur ist Zeuge seines Zuges und jene Hand, die seinen Knüppel führt, die eine, die ihn zärtlich fast berührt, von ferne lenkt die Richtung seines Fluges. Die schwere Last, der Grund für seine Reise, er lässt sie los, sie fällt, schlägt donnernd auf die Erde und ein kolossaler Berg aus Staub und Sand entsteht auf diese Weise. Gerechtigkeit nimmt heute ihren Lauf, gekrönt mit einem hübschen Feuerwerk. 1. Das Omen Er fliegt am Himmel hoch auf dunklen Schwingen. Die Ebenen und Täler im Visier, entgeht ihm nicht das allerkleinste Tier. Den Kindern wird er reiche Beute bringen. Zwei Junge hat der Adler zu versorgen mit seiner Gattin, die in ihrem Nest sie nicht aus ihren wachen Augen lässt, bis er zurückkehrt früh am nächsten Morgen. Der Horst ist hoch gelegen, kaum erreichen ihn Feinde, nur die Donnerfeuerhand des Menschen kann den trauten Frieden stören. Ein Treffer und ein Fall. Kurz drauf gehören die Federn ihm und schmücken diesen Reichen auf seiner langen Reise durch das Land. 2. Die Suche Auf seiner langen Reise durch das Land ergab es sich, dass viele gut betuchte und hoch gestellte Leute er besuchte, bis er die Auserwählte endlich fand. In seinen Träumen sah er sie genau. Er wusste, wie sie aussah, wer sie war. Allein ihr Wohnort war ihm noch nicht klar, doch wusste er, sie wird mal seine Frau. Sie war viel jünger, 15 Jahre eben, ein blühendes, ein starkes, frisches Leben. Zu seiner Zeit nähm sie ihn bei der Hand, würd treulich ihn begleiten, ihm gebührend Respekt erweisen, überleiten, führend bis an der Welten Ende, an den Rand. 3. Der Terrorist Bis an der Welten Ende, an den Rand zivilisierter Welt ist man gegangen, um jenen dort zu finden und zu fangen in jenem fernen, unbekannten Land. So grauenvoll hat seine Tat doch hart und tief ins Herz der freien Welt geschnitten, so hasserfüllt hat sie an ihm gelitten, verfluchte ihn und des Propheten Bart. Er soll in seiner Hölle dafür schmoren. Sein Urteil steht in Fels gemeißelt fest, doch werden wir ihn keinem Richter bringen. Sein Tod wird allen klingen in den Ohren. Wir zeigen euch Verschwörern und dem Rest den Abgrund, dessen Ende wir besingen. 4. Die Zeremonie „Den Abgrund, dessen Ende wir besingen, den großen Graben namens Einsamkeit, der euch entzweite, bis ihr wart bereit, ihn dürft ihr nun gemeinsam überspringen. Ein guter Gott, der Mann und Frau sich suchen und finden lässt, der Eheleute mag, hat heut, an diesem wundervollen Tag, ein Paar beschenkt mit jeder Menge Kuchen. Uns anderen schenkt Allah reiche Freude, die wir mit euch hier teilen, uns erquickt der Wein aus großer Fülle seines Kruges.“ Der Kadi tritt danach vor das Gebäude, und als er sorgenvoll gen Himmel blickt, die Sonne nur ist Zeuge seines Zuges. 5. Die Ankunft Die Sonne nur ist Zeuge seines Zuges, die Gegend ringsumher fast menschenleer und auf der Seele liegt die Last so schwer, das Wissen um das Wesen des Betruges. Von Weitem hört er wohlvertrautes Rufen und Lachen, bald trifft er bei ihnen ein, von seinem Herzen fällt ein schwerer Stein herab, die Stimmung hebt sich ein paar Stufen. Doch noch kann er das Dörflein nicht erreichen. Er sieht ein Rudel um die Häuser schleichen, das darauf aus ist, Beutetier zu reißen. Der Mann begegnet ihnen ungerührt. Ein Wolf versucht, in seinen Arm zu beißen und jene Hand, die seinen Knüppel führt. 6. Der Kampf Und jene Hand, die seinen Knüppel führt, verteilt gekonnt vier wuchtig schwere Streiche. Dann schaut er fragend, ob es ihnen reiche. Er weiß, dass ihre Ehrfurcht ihm gebührt. Die Wölfe ziehen winselnd sich zurück und überlassen ihm, der sie geschlagen, die Straße. Seine müden Füße tragen ihn daraufhin das letzte kleine Stück. Trotz allem, wieder mal hat er gespürt, wie ehrenvoll der Kampf im Angesicht des Feindes ist. Wie jung er sich nun fühlt! Als er dann seine trockne Kehle spült, erscheint, betörend schön im Fackellicht, die eine, die ihn zärtlich fast berührt. 7. Die Söhne Die eine, die ihn zärtlich fast berührt und die er schon so lange musste missen, geleitet ihn zu einem großen Kissen, das er zu seinem Reiseziele kürt. Sie reicht ihm einen großen Teller dar, belegt mit ausgewählten Köstlichkeiten. Sie weiß genau, ihm Freude zu bereiten, sie, die ihm einen strammen Sohn gebar. Ein Sohn von einem weit entfernten Vater und einer Mutter aus der fremden Welt, der in der Hand den Steuerknüppel hält, macht Witze, hält das, was er sagt, für kluges Gespräch. Den Vogel steuert moderat er von ferne, lenkt die Richtung seines Fluges. 8. Berechnung Von ferne lenkt die Richtung seines Fluges ein Spezialist für diese Art von Krieg. Und endlich ist zum Greifen nah ein Sieg mit keinerlei Verlusten, sonst betrug es, das Minimum an eignen weichen Zielen ... Egal, die Zahl war jedenfalls zu groß. Ein jeder Sprecher hatte einen Kloß im Halse, wenn er täglich von den vielen Verwundeten dem Volk berichten musste. Und auch, wenn man es bislang recht gut wusste, die Massen mit gekonnten Zahlenspielen zu narren, besser war's auf diese Weise. Die Sparsamkeit war Taktik dieses Zuges, die schwere Last, der Grund für seine Reise. 9. Die Offenbarung Die schwere Last, der Grund für seine Reise, die Bürde, die seitdem sein Dasein quält, sie warten alle, dass er sie erzählt. Musik verstummt, selbst Kinder werden leise. Sein Auszug sollte ihren Feind erspähen und dessen Ziele offen zeigen, nur, bei seinem Aufbruch unter treuem Schwur konnt niemand wissen, was er würde säen. In Feind und Gründen hatten sie geirrt. Verbittert von Geschichte bösem Lauf, kehrt heim er mit der hoffnungslosen Kunde. So hebt er an zu sprechen, schaut verwirrt, hält ihnen seine Wahrheit in die Runde. Er lässt sie los, sie fällt, schlägt donnernd auf. 10. Die Bombe Er lässt sie los, sie fällt, schlägt donnernd auf, ergießt aus sich des Bombenteppichs Rest. So wird aus einem fulminanten Fest Inferno. Das jedoch, nimmt man in Kauf. Das Dorf, grad noch in Fackelschein getaucht, ist angefüllt mit Menschen ohne Namen, die allesamt zur Hochzeitsfeier kamen. Was brennen kann, ist kurz darauf verraucht. Auf seinem Monitor sieht er die Frucht gelungener Mission in Grün erstrahlen. Dann steuert er den unbemannten Zwerg zurück zu seines Trägers stiller Bucht. Vor ihm erstreckt sich, schön, als sollt man's malen, die Erde und ein kolossaler Berg. 11. Verbrannte Erde Die Erde und ein kolossaler Berg aus Schutt und Asche liegt in Rot getränkt. Ein großer Umkreis Felder ist versengt, verseucht und wird für lange, laut Vermerk der Friedenskommission, die hier ein Stück Humanität und Recht soll simulieren, nicht Früchte, noch Getreide produzieren. Die Fruchtbarkeit des Landes kehrt zurück, wenn überhaupt, nach zwei Generationen. Erst dann wird sich hier Leben wieder lohnen und Bauern bringt der Boden ihrer Welt Ertrag genug für ihre arme Speise. Ein Knopf am Joystick: BUMM! Ein Trümmerfeld aus Staub und Sand entsteht auf diese Weise. 12. Lehren über Gott Aus Staub und Sand entsteht auf diese Weise, mit Förmchen, Schüppchen, eine stolze Burg. Präzis und stetig, fast wie ein Chirurg, baut er die Wälle auf, exakte Kreise. Sein Vater hat sich heute frei genommen. Das durfte er, denn nun ist er ein Held, Verteidiger gerechter, freier Welt. Zur Feier hat der Sohn ein Eis bekommen. Das Kind ist noch sehr klein, erst vier, fünf Jahre, versteht nicht, dennoch klärt der Vater auf, wie Gott, und zwar der Einzige und Wahre, die gute Welt beschützt, die Feinde auf der andern Seite lohnt mit einer Bahre. Gerechtigkeit nimmt heute ihren Lauf. 13. Die Nachlese Gerechtigkeit nimmt heute ihren Lauf. Ein toter Terrorist kann nicht mehr morden. Ein General erhält den nächsten Orden und nichts hält die Gewaltspirale auf. So ist es halt, das Angesicht des Krieges, dass Menschen dabei sterben, ist banal. Die Schäden, ohnehin kollateral, sind hinzunehmen, deren Preis des Sieges. Und unser Preis? Verschafft es uns den Frieden, den wir so sehnlich wünschen, wenn er stirbt, der böse Mann, dem unser Augenmerk und unser Hass gilt, der auch ihn verdirbt? Derweil ist unser Geltungsdrang hienieden gekrönt mit einem hübschen Feuerwerk. 14. Utopie Gekrönt mit einem hübschen Feuerwerk gehört ein Tag gemeinschaftlicher Feier. Ein Tag jedoch, erfüllt mit Bombenfeuer, ist sicher keines großen Gottes Werk. Wie wäre es, den Teufelskreis zu brechen und nicht mehr laut in ohnmächtiger Wut auf alle „Feinde“ sinnlos einzustechen? Es fehlt dafür an Wissen und an Mut. Ich hebe an, um meinen Wunsch zu singen. Er soll als weiße Taube sich erheben und, allen Stürmen trotzend, sicher schweben. Dort oben, noch allein, bereits viel länger, schwebt hasserfüllt der Wunsch der andren Sänger. Er fliegt am Himmel hoch auf dunklen Schwingen. |
18.11.2015, 09:14 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
|
Lieber Stachel,
das muss man mehrmals lesen, vorerst nur so viel: Möge deine weiße Taube obsiegen! Liebe Grüße Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
20.11.2015, 21:15 | #3 | |
Erfahrener Eiland-Dichter
|
Hey Stachel,
ich hab ne Weile gebraucht für deinen Text. Das war eine Herkules Aufgabe, wenngleich die geschönte Sprache eine "drohnendere" Wucht verdient hätte. ABER ... es war eine eindeutige Anklageschrift gegen das anonyme Töten in Fort Bliss via Gray Eagle, inklusive der War Gamer - kurz PSO (Predator Sensor Operator), die abends auf Familie machen. All das hast du wohl verpackt ... Respekt! Zitat:
Link entfernt Chavali/Mod
__________________
chorch chorch |
|
22.11.2015, 23:05 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 07.06.2015
Ort: Niederrhein
Beiträge: 103
|
Hallo Thomas, hallo Hans,
danke für eure lobenden Worte und dafür, dass ihr dieser Vision Zuspruch gönnt. Beides tut gut. Danke auch für den interessanten Link, lieber Hans. Freundliche Grüße vom Stachel |
Lesezeichen |
Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1) | |
|
|
Ähnliche Themen | ||||
Thema | Autor | Forum | Antworten | Letzter Beitrag |
An die Nacht - Kranz-Fragment nach einem Sonettenkranz von Josef Weinheber | Friedhelm Götz | Finstere Nacht | 6 | 17.05.2015 21:26 |