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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 06.03.2011, 10:43   #1
Weiße Wölfin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Registriert seit: 25.12.2010
Beiträge: 134
Standard Kommunikation?

Kommunikation?

Ihr Zug kam angebraust
exakt um 8.59.
Ein Güterzug;
einer von hunderten
die sie befehligt Tag für Tag.

Ich stand am Bahngleis
und wartete,
als eine Lautsprecherdurchsage an mich kam:

"Wie geht es Dir?"

Im durchbrausenden Zug
gab es genau noch einen leeren Güterwaggon,
auf dem ich
meine Antwort plazieren durfte.

Ich hielt den Atem an
spannte meine Muskeln
und ließ meine Antwort aufspringen
im Rhythmus der vorbeistampenden Räder.

Ein verwischter Farbfleck
war nun dort,
wo vorher freier Raum war ;
dann hatte der Zug schon
den Moment verlassen.

Mehr war nicht sichtbar
bei der hohen Geschwindigkeit.

Ich erinnere mich selber kaum
an die Farbe
die ich dort plaziert habe.

Geändert von Weiße Wölfin (06.03.2011 um 18:48 Uhr)
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Alt 10.03.2011, 22:10   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.908
Standard

Hallo volleer,

es ist immer schwer, einen Text im Vers Libre in der Lyrik unterzubringen, denn an der gebunden Form kann man nicht anknüpfen, so daß diese Kriterien schon einmal wegfallen.
Woran kann man also dann erkennen, ob es sich um ein Gedicht, also ein lyrisches Kunstwerk im eigentlichen Sinne handelt?
Irgendein gemeinsames Merkmal sollte es doch geben, was die gebundene und die freie Lyrik gemeinsam aufweisen muss, um als solche im Auge des Betrachters bestehen zu können.

Tatsächlich gilt es zunächst die hinter einem Text stehende Idee zu beleuchten. Ist sie gefunden, sollte die Stringenz (hier: die Logik und sprachliche, also abstrakte Umsetzung der Idee) analysiert und die Vorstellung, die jene hervorruft, überprüft werden.

Denn letztlich bleibt ein Text nur die Vorstellung eines Betrachters, der als Subjekt ein Objekt (die Idee) betrachtet und dies nun mit Worten als Dichter in einem Kunstwerk darstellen will.
Dies gelingt umso besser, als der Dichter sich von seiner Subjektivität lösen kann, um ganz allgemein in das Objekt einzudringen.
Er muss sich also von allen Vorurteilen befreien, die seine eigenen, ganz speziellen Vorstellungen mit sich bringen, um ein ästhetisches Kunstwerk zu erschaffen.

Und dies ist im vorliegenden Text erstaunlich gut gelungen, denn er transportiert auf faszinierende Weise durch die Metapher des vorbeirasenden Zuges den Moment einer Kommunikation mit einer flüchtigen Alltagsbegegnung, an die man sich einen Moment später kaum noch erinnern kann, weil sie eigentlich nichtssagend und unbedeutend war.
So findet auch das Fragezeichen im Titel seine absolute Berechtigung.

Ein guter Text dieser Art, einer der besten überhaupt, die ich in einem Lyrikforum gelesen habe und dem ich ohne Abstriche bescheinige, ein gelungenes Gedicht zu sein.


Wirklich gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2011, 19:43   #3
Weiße Wölfin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Weiße Wölfin
 
Registriert seit: 25.12.2010
Beiträge: 134
Lächeln

Oh - das ist ja ein freundlicher Kommentar
herzlichen Dank, Herr Falderwald

Dabei war das Gedicht von selber da,
nachdem ich den Telefonhörer aufgelegt hatte
und mich gefragt hatte,
was das denn nun für ein merkwürdiges Gespräch gewesen sei.

Die höflichen Anfragen der Mitmenschen nach der Befindlichkeit
gehen mir ziemlich auf den Senkel,
wenn sie einfach nur einem Ritual Genüge tun.

Da ist es dann gut,
Beutel in allen Farben dabei zu haben
um sie in die vorbeifahrenden Züge
einsteigen zu lassen.

Vielleicht gelingt es mir mit Hilfe dieses Bildes
die Kommunikationslosigkeit etwas leichter zu nehmen;
manchmal bin ich nach solchen Szenen wie oben geschildert,
nämlich nur sprachlos und auch .... traurig.

Liebe Grüße

volleer
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