07.12.2009, 09:13 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Schwarze Perlen
Wie schwarze Perlen hocken Raben
auf Bäumen, die nun Trauer tragen, entblößt in düstern Himmel ragen, von welchem dicht, aus Wolkenriesen die Flocken stöbern. Unbehagen befällt, durchwandernd kahle Fluren, mich leis, da noch auf ebendiesen die letzten Halme sanft sich beugten, verklungne Lebenslust bezeugten. Nun werden sie vom Schnee begraben. Ich geh voran und lasse Spuren. Wer kann mir sagen, was ich bin? In finstern Schatten fangen Träume das Licht des Tages in der Seele. Den Weg durchs Dunkel, den ich wähle, kann nur mein blindes Hoffen nähren. Oh, dass die Angst mich nicht so quäle, dass fernes Licht mein Herz erwärme, bis Freunde mir den Schutz gewähren vor Kräften, welche mich umschlingen und selten Schlaf und Frieden bringen! So wanke ich durch leere Räume - und klagend ziehn die Rabenschwärme wie Perlenschnüre endlos hin. |
07.12.2009, 12:13 | #2 |
Gast
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Hallo a.c.larin,
ein sehr eindrucksvolles Gedicht, das die Winterresignation widerspiegelt, die jeden von uns dann und wann befällt. Wegen des breiten Reimschemas hat es mich sogar ein Weilchen gebunden. Bis auf die erste Zeile der zweiten Strophe ist es nämlich -anders, als ich zuerst erwartete- sehr regelmäßig. Korrigier mich, falls ich falsch liege. Mein Liebling hier: Bäume, die Trauer tragen. Weil sie nichts tragen. Sie sind entblößt und doch bekleidet. Ihnen haften keine Blätter mehr, dafür aber Gefühle an. Dieses Gedankenspiel gefällt mir. LG, Abraxas |
07.12.2009, 12:49 | #3 |
TENEBRAE
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Hi, larin!
Höchst beeindruckend! Allein schon der Endreim der beiden letzten Strophenzeilen - so weit übergreifend, wie sonst nur ein Rilke sich traute! Wunderbare Wort- und Bildschöpfung: Die Raben als schwarze Perlen (obwohl Perlen etwas Begehrtes, sehr positiv Besetztes sind, während die Raben hier düster wirken sollen - das beißt sich ein wenig...), die Wolkenriesen, usw... Ein wenig Naturwissenschaft: Raben fliegen nicht in Formation, daher ist das Bild der Perlenschnüre eher auf Wildgänse zutreffend. Im Gedicht allerdings fällt es kaum auf, da das wiederholte, den Kreis schließende Bild der schwarzen Perlenraben so stark ist. Deine Wortmelodien erheben mich! Ausgesprochen gern gelesen und beklugscheißert! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
07.12.2009, 12:52 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hallo abraxas,
bäume, auf der eine schar schwarzer raben hockt, sehen für mich wirklich aus, als würden sie "trauer tragen", und wenn man dann noch ihre klagenden schreie hört...wie schön, dass du dieser düsteren winterstimmung etwas abgewinnen konntest! dieses gedicht hat seinen erzählfaden, bei der ersten zeile beginnend, fast wie von selbst immer weiter und weiter gesponnen, zuerst hatte ich eine zehnzeilige strophe, dann warens elf - und noch immer hatte ich das gefühlt: da fehlt etwas! die reime schaukeln hin und her - ich habe eine weile gebraucht, um herauszufinden, was das gedicht klanglich und vom schema her betrachtet von mir will. dann habe ich mich darum bemüht, teil zwei genauso weiter zu gestalten. ganz zuletzt kam zeile zwölf hinzu und brauchte dann natürlich eine entsprechung in strophe eins.... ein erstaunliches gerippe kommt nun zutage: es reimen sich jeweils die zeilen: 1-10 2-3-5 4-7 8-9 6-11 und dann noch jewils die beiden 12. zeilen. ich denke, es ist ganz regelmäßig. so etwas würd ich nicht schreiben wollen, wenns jemand anderer von mir verlangt! danke für den anerkennenden kommentar! larin |
07.12.2009, 13:40 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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lieber erich,
verspätet auch dir vielen dank für deine anerkennenden worte (wir haben uns überschnitten) - nun, mit "trauen" hatte dieses reimschema gar nichts zu tun: das gedicht selbst hat einfach danach verlangt. (ach, diese eigensinnigen kinder!) natürlich fliegen raben nicht wie die enten nacheinander, (fliegen die enten nicht in einem V?) aber wenn so ein schwarm loszieht, kann das schon ein längeres, nachhaltiges geflatter sein! es gibt ja auch mehrreihige perlenketten.... manchmal sitzen die raben auf den bäumen so dicht an dicht, dass es aussieht wie mit trauben behangen oder aber wie ein kleid, auf das perlen appliziert wurden ( von daher die "kostbare" assoziation). ich bin auch ganz froh über dieses gedicht, vor allem, weil es mir gelungen ist, durchgängig weiblich kadenzen zu reimen, nur die jeweils letzte zeile jeder strophe macht die ausnahme, die soll aber auch abrunden. raffinerterweise erhebt sich am ende der ersten strophe noch einmal eine frage, während die letzte strophe in die weite blickt... keine ahnung, wie mir sowas gelingen konnte. es war schon alles irgendwie in der ersten zeile drin.... höchst rätselhaft, meint larin Geändert von a.c.larin (07.12.2009 um 14:43 Uhr) |
07.12.2009, 13:59 | #6 |
TENEBRAE
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Hi, larin!
Ja, die Enten fliegen im V. Wissen alle seit "Nils Holgerson", die Zeichentrickserie... Danke für deine lebhafte Beschreibung deiner Sicht der Perlenraben. Besonders das Bild der Vögel, auf Ästen sitzend, hat mich mit deiner Version versöhnt. Wenn sie abfliegen, mag es durchaus zu "Schnüren" solcher Art kommen. Wie dir solches gelingen konnte, weiß ich: Genauso wie mir - es blutet nachgerade aus der Feder, als WOLLTE etwas bewußt ins Sein treten. Das Geschaffene entringt sich uns in Momenten der Vision und des Einsseins mit dem auslösenden Gefühl wie von selbst, fast unbewußt, uns im Fühlen Besinnungslose betretend und wieder verlassend, als wären wir nur Mittler eines Weges, den eine hohe Kunst aus uns heraus beschreiten muss! Wir, die bewußten Schöpfer, feilen bestenfalls an Kleinigkeiten hintennach daran herum, aber das Gedicht an sich - die große Tat - war wie ein Teil von uns, der uns verließ, um allen zu gehören! Ach, Dichtkunst! Wir dir Verfallenen, wie sehnen wir uns nach deinen Augenblicken solcher Gnade! LG, eKy
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07.12.2009, 14:53 | #7 |
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hallo erich,
ich habs auch schon andeswo erwähnt: die "gnade" besteht für mich schon darin, dass schreiben meinen kopf so schön beschäftigt. da kann ich abtauchen - und alltagsgeschäfte erledigen sich dann wie nebenher. irgendwie kann einen das schöne in eine herrliche energiewolke einpacken, sodass störendes, schädigendes nicht mehr so heran kann. (das liegt daran, dass unser gehirn, sobald es mit aufmerksamkeit eine sache verfolgt, alle "nebensachen" wegfiltert. dadurch einsteht der so beschriebene "flow" -effekt) Lasst schönes unsre Welt erbauen, bevor das Triste uns durchdringt und auf die Kraft im Sein vertrauen, die wirkt und waltet, kreist uns schwingt! besser ein lyriker als ein allüriker! meint larin |
07.12.2009, 18:07 | #8 |
ADäquat
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Liebe larin,
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08.12.2009, 10:01 | #9 |
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liebe chavali,
vielen dank für dein anerkennenden worte . raben gelten zwar als symbol des todes und der trauer, doch trauer, die eine form, einen kristallisationspunkt gefunden hat, ist schon so etwas wie eine perle: sie ist konkret und nicht mehr diffus und daher ansprechbar. je länger ich darüber nachsinne, desto mehr fällt mir noch dazu ein. schon eigenartig - manche worte schreibt man nieder wie von fern her gesteuert. kennst du das auch? so war es auch hier: das schema hat sich einfach aus sich heraus entwickelt -so wie das unbewusste, das stets seinem eigenen gesetz folgt... liebe grüße, larin |
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