21.12.2011, 20:09 | #1 |
der mit dem Reim tanzt
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Das Gewitter
Hörst du nicht die Bäume rauschen?
Ächzend stöhnt schon das Geäst. Sieh, die Tiere ängstlich lauschen, weil’s der Himmel donnern lässt. Fliehend hasten schon die Wolken, rasend durch das Firmament, sprühen Regen, wie gemolken, weinen, wie es keiner kennt. Es windet und wütet und dröhnt und gellt, es blendet und blinzelt und blitzt und hellt, es hämmert und klappert und kracht und bellt, es splittert und schreddert und bricht und fällt. Mensch vernimmt es, flieht dem Ganzen, bergend sich im tiefsten Loch, um sich zitternd zu verschanzen. Vor der Furcht er sich verkroch, da er um sein kleines Leben bangen muss als armer Wicht. Vieles würde er jetzt geben. Doch ein Gott erhört ihn nicht. Zischend fährt der Blitz hernieder, schmelzt den Stein, verkohlt den Baum, gellend blendend immer wieder. Doch ein Ende gibt es kaum. Es rumpelt und dengelt und tobt und knallt, es knistert und knechtet und heult und hallt, es wirbelt und zwirbelt und zerrt und prallt, es scheppert und wettert und pfeift und schallt. - Dunkelheit sich langsam lichtet im verheerten Tannenwald; Bäume kreuz und quer geschichtet, fernes Donnern rüber schallt. Nebel dampft. Und sich, nichts rührend, Grabesstille breitet aus. Nicht ein Weg mehr, heimwärts führend, leitet uns aus diesem Graus.
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gestörte Kreise Geändert von Archimedes (28.12.2011 um 01:32 Uhr) |
23.12.2011, 12:57 | #2 | |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo, Archimedes,
dein Gedicht erinnerte mich an eine Ballade von Gustav Schwab, die ebenfalls "Das Gewitter" als Titel besitzt. Natürlich ist die "Geschichte" hier etwas anderes, dort geht es um eine "Großfamilie", um den "schönen Schein". (Allerdings, "Übereinstimmungen" gibt es ebenfalls, vor allem, was das "Ende" betrifft.) Es fiel mir spontan ein, als ich dein Gedicht las. Ich lese hier auch eine zweite Ebene "heraus". Auf der einen Seite ist es die gelungene Beschreibung eines Naturereignisses. Hier wird aufgezeigt, wie "mächtig" die Kräfte der Natur sein können, und wie klein und auch hilflos "der Mensch" diesen gegenübersteht. Auf der anderen Seite lese ich etwas über den "Zorn" der Natur, die hier dem Menschen aufzeigt, wo seine "Grenzen" sind. Besonders die letzte Strophe stimmt mich sehr nachdenklich. "Der Mensch" hat das "Unwetter" (den Zorn) wohl nicht überlebt, obwohl er sich "verkroch". Ich interpretiere den Inhalt dahingehend, dass ein "Verstecken" gar nicht möglich ist, denn - wir sind ein Teil der Natur, mögen wir das leugnen oder nicht, daher können wir ihr überhaupt nicht "entkommen". Wir verstoßen bedenkenlos gegen deren Gesetze, bis es zu spät ist und das "große Unwetter" kommt. Dann erst werden wir erkennen, dass wir es selbst verursacht haben - und uns fürchten und verkriechen. Was nichts nützen wird. Verursacht der Mensch ein solches "Gewitter", dann wird es wahrhaftig keinen "Weg aus dem Graus, der heimwärts führt" mehr geben - unter anderem auch deshalb, weil wir unser "Heim" bereits zerstört haben, ebenso den "Weg" dorthin. Das Gewitter wird vorübergehen, so furchtbar es auch wütet. Die "herrschende Grabesstille" allerdings betrifft dann sicher nur uns - die Menschheit. Ein sehr intensives und berührendes Gedicht, Archimedes. Deprimierend und (leider auch) sehr wahr. "Vieles würde er jetzt geben ..." - ja. So war es, so ist es, und so wird es auch künftig sein. Denn der Mensch begreift immer zu spät. Der Inhalt ist gut aufgebaut, mir gefällt auch der "Refrain", dessen Inhalt du variierst, die "Struktur" aber beibehältst. Einige Stellen sind etwas inversiv, aber sie umzuschreiben würde das Gedicht zu sehr verändern. (Wobei ich sagen muss, dass auch das Gedicht von Gustav Schwab ähnlich geschrieben ist - folgst du in diesem Fall vielleicht auch einem "früheren Schreibstil"?) Da du, relativ gesehen, seltener postest, bin ich auch noch nicht mit deinem "persönlichen Stil" vertraut und weiß nicht, inwieweit es Absicht ist; daher kritisiere ich nicht, sondern merke es lediglich an. Zitat:
Gerne gelesen und kommentiert. Liebe Grüße Stimme
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28.12.2011, 01:31 | #3 | |
der mit dem Reim tanzt
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Liebe Stimme der Zeit, ein schönes Weihnachtsgeschenk hast du mir mit dieser prächtigen Kritik gemacht. Da ist ja fast nur Lob. Ich habe mich allerdings auch mehr ins Zeug gelegt, als sonst. Nachdem mir die Themen gründlich ausgegangen waren, und ich deshalb so selten hier zu lesen bin, habe ich nun eins gefunden: Ich werde eine Biographie eines bedeutenden Mannes in Gedichtform verfassen. Dazu bin ich noch am Quellensuchen und -lesen. Das Gedicht hier gehört als erstes dazu und war ohne Studium über den genauen Lebensweg schon zu machen.
Zu deiner Anmerkung über die Inversionen möchte ich anführen, dass ich sie als ein wichtiges Stilmittel für die Gewichtung von Aussagen ansehe und nicht als eine der Metrik geschuldeten Notlösung. Darüber habe ich mich schon mehrmals mit Medusa auseinandergesetzt. Zitat:
Der Blitz fährt immer wieder zischend-gellend-blendend hernieder (in den Stein und den Baum). Deshalb habe ich nur nach Baum ein Komma ergänzt. Ich stelle nun fest, dass mir nicht nur das Gedicht, sondern auch das dozieren darüber Spaß gemacht hat. Danke für deinen Kommentar und einen frohen Durchgang ins neue Jahr ( rutschen ist zu gefährlich). Gruß Archimedes ...der mit Blitzkreisen
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gestörte Kreise |
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30.12.2011, 11:31 | #4 |
TENEBRAE
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Hi, Archimedes!
Die ersten beiden Strophen haben mir gut gefallen, dann wird es leider zu pathetisch, und deine Sprache wird zum Ende hin zusehens verdrehter und geschraubter, mit einigen Seltsamkeiten und Fehlern. Ich bin so frei: Hörst du nicht die Bäume rauschen? Ächzend stöhnt schon das Geäst. Sieh, die Tiere ängstlich lauschen, "Sieh die Tiere bang erlauschen, weil’s der Himmel donnern lässt.was der Himmel ahnen lässt." So bekommst du schöneres Deutsch und eine flüssige Verbindung der Satzteile. Fliehend hasten schon die Wolken, rasend durch das Firmament, sprühen Regen, wie gemolken, weinen, wie es keiner kennt. Es windet und wütet und dröhnt und gellt, es blendet und blinzelt und blitzt und hellt, es hämmert und klappert und kracht und bellt, es splittert und schreddert und bricht und fällt. Dieses Wort erinnert eher an die sogenannten Maschinen, Müllzerkleinerer usw. Alternative: "es orgelt und splittert und...". Mensch vernimmt es, flieht dem Ganzen, Mensch vernimmt es, flieht das Toben, bergend sich im tiefsten Loch, um sich zitternd zu verschanzen. vor dem Zorn der Götter droben, Vor der Furcht er sich verkroch,Man verkriecht sich aus Furcht, nicht davor! Alternative: "wie ein Tier, das sich verkroch," da er um sein kleines Leben bangen muss als armer Wicht. bangen muss, der arme Wicht. Vieles würde er jetzt geben. Doch ein Gott erhört ihn nicht. Zischend fährt der Blitz hernieder, schmelzt den Stein, verkohlt den Baum, Muss heißen: "schmilzt". gellend, blendend, immer wieder. 2 Kommata hier. Doch ein Ende gibt es kaum. Schlecht formuliert, unsinnige Aussage. Alternative: "immer wieder, // beinah wie ein böser Traum.". Es rumpelt und dengelt und tobt und knallt, "dengeln" bedeutet: Aushämmern von Metall - das passt in eine Schmiede, nicht in den Wald. es knistert und knechtet und heult und hallt, "knechten" tun Menschen andere Menschen, in Bezug auf Sturm und Bäume schlecht gewählt. es wirbelt und zwirbelt und zerrt und prallt, "zwirbeln" im Sinne von Verdrehen, aber im Kleinen, Fäden und so. Im Sturmgebraus zu niedlich. es scheppert und wettert und pfeift und schallt. - Dunkelheit sich langsam lichtet im verheerten Tannenwald; Bäume kreuz und quer geschichtet, fernes Donnern rüber schallt. Erst so geschraubt und mitten drin allgemeinsprachlich, fast flapsig formuliert? Das passt nicht! Alternative: "Ferne noch ein Donner hallt." Nebel dampft. Und sich, nichts rührend, Grabesstille breitet aus. DAS ist ein Graus! So ein verdrehtes Deutsch! Nicht ein Weg mehr, heimwärts führend, leitet uns aus diesem Graus. Diese ganze Strophe würde ich neu schreiben: "Stille - alles überbreitend, deht sie sich wie Nebel aus. Von den Wegen, heimwärts leitend, führt nun keiner mehr nach Haus." Gern gelesen. LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (30.12.2011 um 11:38 Uhr) |
01.01.2012, 19:16 | #5 |
der mit dem Reim tanzt
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Hallo Eky, danke für deinen ausführlichen Kommentar. Ich werde sehen, was ich verwenden kann. Bei der letzten Stophe habe ich versucht, der Situation auch sprachlich zu entsprechen. Schließlich hat der Sturm alles durcheinander gebracht, alles "verdreht".
Außerdem meinte ich mehr als nur ein sturmbedingtes Durcheinander, sondern, wie Stimme der Zeit angemerkt hat, auch etwas moralisches. Da ist mir das Wort "Graus" wichtig. Ich danke für den Kommentar und wünsche ein dichterisch ertragreiches, neues Jahr. Gruß Archimedes ...der mit den verdrehten Kreisen
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