16.10.2009, 00:04 | #1 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
|
Wenn und Ach
.
. Zur Neujahrsstille, tags danach, gab ich mir eine eigne Feier. Hab eingeladen Wenn und Ach, wir trafen uns am alten Weiher, der eisbedeckt auf bracher Flur mich starren Auges schaute: „Was willst du mit den beiden nur!“, wobei der Uferrand schon taute. Bedrohlich, ächzend war der Krach, als schwarze Wasserwogen zuerst das Wenn und dann das Ach in eiseskalte Tiefe zogen. . . .
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
16.10.2009, 00:27 | #2 |
Lyrische Emotion
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
|
Liebe Dana,
ein schönes Gedicht und alles ist ohne wenn und aber kurz und knapp auf den Punkt gebracht. Was zuerst wie düstere Lyrik anmutet, sehe ich eigentlich im Fazit als recht positiv. Alles "Wenn" ist vergebliche Liebesmüh, denn es bleibt rein spekulativ, weil die Realität doch anders aussieht. Ein nicht lohnendes Wunschdenken also. Und auch das "Ach", das Klagen und Jammern bringt nicht wirklich weiter. Wenn man sich von beidem erst einmal befreit hat, dann kann es nur aufwärts gehen, weil der Blick nach vorne wieder klar wird. Das hat mir sehr gut gefallen. Gerne gelesen und kommentiert. .. . Liebe Grüße Bis bald Falderwald
__________________
Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
16.10.2009, 01:58 | #3 | ||
Gast
Beiträge: n/a
|
Liebe Dana,
für mich stellt sich hier die Frage - ist die ganze Unzufriedenheit, die ganze Belastung durch die Wenns und Achs auch in die Grammatik geflossen? Die Idee, das Wenn und das Ach im expressionistisch angehauchten Weiher zu ertränken, finde ich nicht nur positiv sondern auch recht humorvoll. Die Umsetzung dieser Idee gefällt mir teils sehr gut, teils weniger gut - hast Du das Werk vllt. aus einer Laune heraus geschrieben (wenn ich fragen darf )? Schreibt man Neujahrsstille seit der NR mit einem s? Das sieht für mich immer noch sehr gewöhnungsbedürftig aus. Zitat:
Die Elision bei (an)schaute behagt mir persönlich auch nicht; während der Weiher mMn prima in Szene gesetzt ist, sehr expressionistisch, gefällt mir! Zitat:
Trotz meiner ganzen Mäkelei hat mir das Werk doch recht gut gefallen - wäre es doch wirklich so leicht, sich das Wenn und das Ach einzuladen und sich ihrer dann zu entledigen; leider sieht die Realität meist anders aus. Liebe Grüße Feingeist |
||
16.10.2009, 14:43 | #4 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
|
Lieber Faldi,
herzlichen Dank. Das Einfrieren oder Ertränken aller Wenns und Abers und der Achs sehe ich in der Realität als sehr hilfreich an. Vielleicht grenzt es an "Eigentherapie", denn sie werden gedacht oder kommen im Selbstgespräch zum Vorschein. Sicher kennst du es auch. Man wacht nach einem quälenden Traum bedrückt auf. Beim Erzählen oder Aufschreiben kommen Erklärungen oder gar Deutungen von sebst an die Oberfläche. Zeigen sich die Quälgeister dann ausweglos und belastend, ist ein "Befreiungsschlag" durch Loslassen auch eine Methode. Deine Interpretation hat es für mich ebenfalls auf den Punkt gebracht. Ich fühle mich verstanden. Liebe Grüße Dana Lieber Feingeist, herzlichen Dank für die ausführliche und hilfreiche Auseinandersetzung mit meinem Gedicht. Aber nun der Reihe nach: Die Rubrikwahl ist sogar mit Nachdenken erfolgt. Spontan wollte ich ins Düstere posten, bis sich mir das Positive darin zeigte. Die Stimmung war damals doch eher düster. An der "Machart" sogar einen Humor zu sehen, gefällt mir schon - jedoch war es nicht so erdacht. Die "Neujahrstille" war nur ein flusiger Tippfehler. Die Entstehung ist ganz anders. Wir sind kürzlich umgezogen. Dabei kamen Dinge zum Vorschein, von denen wir gar nicht mehr wussten, dass wir sie hatten. Unter anderem Schulhefte meiner Kinder, unendlich viele von ihnen gemalte Bilder und noch mehr "Gedichtekladden". (Ich schreibe nämlich alles in Kladde vor.) Darunter fand ich eben dieses, mit 1,5 Strophen. Ich weiß nicht mehr, wie viele Jahre dazwischen liegen, aber an die "Momentinspiration" kann ich mich sehr genau erinnern. Es war also ein "Vollenden" - so wie man Stickereien ablegt und nach Jahren wieder in die Hand nimmt. Ja, ich traf mich mit Wenn und Aber am Weiher. Aus der Inversion komme ich nicht so leicht heraus. Vielleicht: "Dann standen wir zu dritt am Weiher." Auf das Hinabziehen in eiseskalte Tiefen bin ich überzeugt eingegangen. Dass man in der Realität mit Wenns und Achs () nicht so leicht umgehen kann, ist mir schon bewusst. Das Schreiben dient oft als kleines, dünnes Ventil. Die Besprechung mit dir hat mir sehr gefallen. Liebe Grüße Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
16.10.2009, 14:54 | #5 |
Gast
Beiträge: n/a
|
Liebe Dana,
es ist doch immer wieder interessant zu merken, auf was für Schätze man im Leben wieder und wieder stößt! Ein Gedicht aus alten Jahren, das jetzt noch eine Ausarbeitung erhalten hat - diese Luxusbehandlung bekommen meine Texte nicht (na, ja die Neueren vllt. schon )! Ein Vorschlag zur Einbettung. Hab eingeladen Wenn und Ach. Wir trafen uns am alten Weiher (Oder: Bald standen wir zu dritt am Weiher) ... Ja, auch ich betrachte das Schreiben als Ventil und auch ich habe dieses Kleinod sehr gerne mit Dir besprochen. Liebe Grüße Feingeist |
17.10.2009, 01:16 | #6 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
|
Lieber Feingeist,
"wir trafen uns am alten Weiher" gefällt mir und ist schon eingestellt. Danke nochmals, liebe Grüße Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
21.10.2009, 02:26 | #7 |
Eiland-Dichter
Registriert seit: 15.10.2009
Ort: Stuttgart
Beiträge: 37
|
Hi Dana,
was für ein schöner Vergleich am Neujahrstag alte Lasten über Bord zu werfen. Ich finds toll! Richtig toll! Hätte nur nen Vorschlag Bedrohlich, ächzend war der Krach, als schwarze Wasserwogen zuerst das Wenn und dann das Ach ins Eiseskalte zogen. Gute Nacht Dir Stefan |
21.10.2009, 09:28 | #8 |
asphaltwaldwesen
Registriert seit: 31.03.2009
Ort: österreich
Beiträge: 961
|
liebe dana,
das WENN und ACH erfolgreich zu verabschieden, bedarf tatsächlich einer besonderen feier (und auch besonderen herangehensweise) wie der hier von dir geschildert- und bebilderten! sehr gelungen finde ich dein feines, leise-schmunzelndes und doch so ernstes, tiefgründiges gedicht. Wenns und Achs machen so manchen weiher reichlich bodenlos, wenn man da mit ihnen gemeinsam hineingerät. wenn große dinge von starker aussagekraft nicht von übergroßen worten erschlagen werden, dann erst kann sich ihre bedeutung voll entfalten im gelesenen. hier ist das ganz wunderbar zu spüren. sehr sehr gern gelesen! lieber gruß, fee
__________________
"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan |
27.10.2009, 21:32 | #9 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
|
Lieber Wortespieler,
dein "toll, richtig toll" verursachte einen wohltuenden Herzhüpfer bei mir. Auf "in eiseskalte Tiefe zogen" will ich aber "trotzig" bestehen, denn diese Wenns und Achs sitzen oft ganz schön tief. Sie sollten aus der Tiefe des lyr. Ich in der modrigen Tiefe des Weihers ertränkt werden. Liebe fee, danke, ganz meine Gedanken. Das lyr. Ich macht es sich nur scheinbar leicht, und wirkt dabei fast ironisch/witzig. Nach dem Motto: "Kommt mal her und dann plumps." Doch Wenns und Achs sind ernst zu nehmende Genossen. Sie wirken und bewirken und ziehen weite Kreise. Danke für dein schönes Lob. Euch beiden liebe Grüße Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
01.11.2009, 16:24 | #10 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 14.03.2009
Ort: wien
Beiträge: 4.893
|
liebe dana,
wunderbar! und wenn man dann auch noch gleich "naja", "weiß nicht so recht" und "ich trau mich nicht" hinterherschmeißenn könnte, wärs überhaupt super! wie man solchen emotionalen ballast richtig entsorgt, hast da ganz entzückend vedichtet! gerne gelesen, larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! |
Lesezeichen |
Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1) | |
|
|