20.03.2018, 19:42 | #1 |
TENEBRAE
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Klassentreffen
Ich weiß, ich bin ein alter Sack geworden
mit Brille, Glatze, Wampe, Plattfuß satt - ein träger Clown, der immer Hunger hat! Mein Möglichstes verdiente keine Orden, hat nur verpasste Chancen wahrgenommen, sah niemals andere an seiner statt, und immer stand auf einem andern Blatt, was es ersehnt sich hat und nie bekommen. Das Klassentreffen jüngst hat mich gerettet: Wie waren erst die andern abgestanden und hässlich, menschlich kaum vorhanden, verbittert, zynisch, fade und verfettet! Der Schönling, der mich einst verhöhnte: Nur depressiver Überdruss mit Falten! Und all die welken übrigen Gestalten: Verlorene, Versager und Verwöhnte - und ich, der mit dem Spiegelbild Versöhnte.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (21.03.2018 um 13:19 Uhr) |
20.03.2018, 21:06 | #2 |
Gast
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Hallo Erich,
da steuert man so mit seinen Gefühlen durch das Leben. Mit all den Zweifeln, stetig im Kampf des Vergleiches - der Schatten läuft erschöpft hinterher. Und all der Schmerz aus der Vergangenheit wandelt sich zu Ernüchterung und Frieden. Hart ist das Urteil dir selbst gegenüber. Sicher wirst du sagen: "Ist doch wahr". "Mein Möglichstes verdiente keine Orden," Na komm schon Erich - die Lyrik, die du geschaffen hast ist so viel. Und sicher bist du als Lehrer auch erste Sahne. Sei aber froh, dass du mich nicht in der Klasse hast Die Zeile: "was es ersehnt sich hat und nie bekommen." Ich verstehe das Problem, mir fällt im Moment auch keine andere Lösung ein. Sehr schönes Gedicht - irgendwie gehts doch jedem was an. vlg EV |
20.03.2018, 21:39 | #3 |
ADäquat
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Hi Erich,
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20.03.2018, 21:41 | #4 |
TENEBRAE
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Hi EV!
Danke für deine Worte des Trostes, aber ich bin gut in ironischer Selbstanalyse! Und für's Dichten gibt es keine Orden, auch nicht für's Zeichnen und Malen, Bildhauern, Klugscheißen, Granteln - oder was ich eben sonst noch so ganz gut kann ... Mich gut verkaufen kann ich eben leider nicht ... LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
21.03.2018, 09:37 | #5 |
ADäquat
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Hui Erich,
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21.03.2018, 13:34 | #6 |
TENEBRAE
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Hi Chavi!
Da haben wir uns wohl knapp überschnitten, als du schriebst, während ich mit der Antwort an EV zugange war. Entschuldige! Tja, das Gedicht ist wohl eher Wunschdenken! Mein erstes Klassentreffen 10 Jahre nach der Matura war angenehm: Fast so wie im Gedicht beschrieben - ich hatte Diät und viel Sport gemacht und war damals athletisch und auf Idealgewicht - ich sah echt gut aus! Dagegen war der Klassensportler, unter dessen Gemobbe ich als fetter kleiner "uncooler" Teenager am meisten zu leiden gehabt hatte, selbst rund geworden! Welch eine Befriedigung! Leider hat meine schlanke Phase nur 2 Jahre angehalten. Danach versuchte ich mit Rauchen aufzuhören (schaffte es ein halbes Jahr und nahm 12 Kilo zu) und hatte zudem eine Knie-OP und durfte keinen belastenden Sport mehr machen - zu Ende war's mit der Idealfigur, und ab da ging es wieder stetig aufwärts mit dem Gewicht. Hab's nie wieder geschafft, mich derart zusammenzureißen und so schmerzlich zu kasteien! Beim nächsten Treffen war ich wieder fett - und am schlimmsten: Der sportliche Typ war wieder schlank! Eine grausame Niederlage! Na, wenigstens bin ich jetzt aus dem Alter für solche Eitelkeiten langsam raus ... Aber immer noch nagt an mir das Bedürfnis, mich einigen damaligen Klassenkameraden zu beweisen - ihnen zu zeigen, dass ich immer mehr war als der verachtete Seltsame, das verwöhnte hilflose Pummelchen, an dem sich jeder austoben konnte ... - DAS werde ich wohl nie loswerden! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
21.03.2018, 13:40 | #7 |
Gast
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Hey eKy,
Beharrlichkeit zahlt sich aus. Und der Zahn der Zeit nagt an fast jedem. Guck mal beim nächsten Klassentreffen, was da so los ist! Das ist ein sehr schönes Gedicht, und hat Spaß gemacht. Liebe Grüße sy |
21.03.2018, 13:53 | #8 |
Gast
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Gefällt mir ganz ausgesprochen gut. Ich finde vor allem "abgestanden" und "menschlich kaum vorhanden" sind außergewöhnlich eindrückliche Metaphern und bilden ein überaus überzeugendes und eingängiges Reimpaar. Schick!!!
Interessant ist der gegenüber dem eher "rilkeanisch" dichtenden eKy veränderte Tonfall in denjenigen Gedichten von Dir, in denen sich geistreicher Spott und deutliches Augenbrauenhochziehen über Dich und den ganzen Rest der Welt manifestieren. Und ich mag gleichermaßen sowohl die höhertönenden, auf Klangschönheit und Musikalität zielenden Gedichte von Dir, als auch Deine etwas pointierteren und stärker alltagssprachlichen Verse, für die diese Zeilen ein schönes Beispiel sind. |
21.03.2018, 14:32 | #9 |
TENEBRAE
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Hi Sy!
Schaun wir mal ... Hi Sufnus! Danke für die Blumen! Ich schreibe eher selten Gedichte, bei denen Inhalt und Aussage vor Wortwahl und Klanggestalt stehen. Schön, dass auch diese geneigte Leser finden! LG, eKy
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21.03.2018, 19:56 | #10 |
Hofnarr
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Servus eKy,
wie doch der richtige Vergleich (oder der Vergleich mit den Richtigen?) die Stimmung aufhellen kann. Bei mir wäre es vermutlich umgekehrt. Da ich Waage und Spiegel so gut es geht meide, würde ich bei einem Klassentreffen erst so richtig daran erinnert werden, wie alt ich geworden bin. Wortgewaltig kommt es daher, Dein Gedicht. Besonders erfreut haben mich: "Nur depressiver Überdruss mit Falten!" und die drei V im vorletzten Vers. Einziger Wermutstropfen ist die Inversion "was es ersehnt sich hat". Die hat das Gedicht nicht verdient. Vielleicht ginge: was sich's ersehnt hat und doch nie bekommen. Liebe Grüße, Stefan |
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