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Alt 04.02.2017, 14:02   #1
Kokochanel
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Standard Sau-erei

Sau-erei

Die Menschen halten sich putzige Chihuahuas und kaufen ihnen strassbesetzte Halsbändchen.
Wer das machen will, warum nicht. Tierliebhaber eben. Bei der Nutztierhaltung jedoch hört Tierliebe plötzlich auf, schlagartig.
Naja, hört man dann, schön ist die Massentierhaltung nicht, aber was kann man da machen? Viel kann man da machen! Aber:
Preiswert soll das Fleisch sein, vor allem preiswert.
Diesen Samstag bietet ein Discounter wieder ein XXL-Paket Schweinehack an für 3,99.- E. Ich habe es bisher auch gekauft, weil der Hersteller sich Landgut Soundso nennt und irgendwas in mir sich einreden wollte, dass es „sooo schlimm ja vielleicht nicht ist mit der Tierhaltung dort- Landgut!“. Doch, es ist schlimm, es ist sogar schlimmer.

Gestern sah ich ein Bild von einem Schwein, dass in 6 Stahl qm eingepfercht war. Auf Beton .Das wäre so, als würde man einen Menschen lebenslang anketten. Das Schwein hatte ein Ferkelchen geboren, was verstorben war. Der Kommentar des Masthalters war: „Naja, die Sau sieht es ja nicht. Sie kann sich ja nicht umdrehen.“. Hahaha…
In dem Moment stellte sich die Knoblauchwurst in meinem Mund quer und ich habe sie ausgespuckt.
In dem Moment nahm ich mir vor, nichts mehr aus Massenhaltung zu essen. Nie wieder.

Bei Hühnern bin ich seit Jahrzehnten konsequent, kaufe nur Eier aus Freilandhaltung. Allerdings mag dieses bei der bestehenden Eiermaffia auch nur ein Beruhigungspillchen sein. Wer weiß, ob die Eier in den Kartons wirklich von freilaufenden Hühnern kommen. Aber immerhin, man tut was.

Alles vom Biohof-Laden direkt kann ich mir nicht leisten, muss aber auch nicht sein. Heute morgen habe ich mehrere Einkaufsstätten angerufen, auch eine, die natürlich teurer ist, aber nur aus der Region bezieht. In der Tat laufen die Schweine bei dem Lieferanten- Hof frei, liegen auf Stroh und führen ein glückliches Leben. Sie bekommen keine Antibiotika und Futterzusätze, wobei mir das nur in zweiter Linie wichtig ist. Wenn ich an der Sammel-Bushaltestelle zwanzig Minuten lang die Abgase einatme, dann bin ich auch vergiftet…
Mir geht es darum, dass die Tiere, wenn ich sie schon auffresse, aber ich mag nun mal gerne Bratwurst, wenigstens glücklich leben. Wussten Sie, dass den Ferkeln die Schwänze kupiert werden, damit sie auch in die winzige Box passen, dass die Viecher tagelang zu Schlachthöfen gekarrt werden, bloß weil die Schlachtung da billiger ist? Das ist eines zivilisierten Menschen unwürdig, das ist Barbarei.

Wen interessiert das? Minister Schmidt interessiert das, denn wir haben bald Wahlen. Eine Tierwohlplakette soll eingeführt werden, stufenweise, bald oder vielleicht bald. Auf freiwilliger Basis.
Augenwischerei, die nicht einem einzigen Tier hilft, ebenso wie die zahlreichen Plaketten auf den Discounter -Fleisch –Paketen, denn eines müssen wir uns klar machen:
Hackfleisch XXl für 3,99 E bedeutet Tiere, die unter unvorstellbaren Bedingungen leiden müssen. Immer, Label her, Label hin.

Keine Tierwohlplakette wird das verhindern oder abstellen. Nur der Verbraucher kann das abstellen, indem er diese Produkte nicht mehr kauft. Ich habe mich entschieden. Endgültig. Ich fresse das nicht mehr!
Wenn Millionen das ebenso entscheiden, dann werden die Mastbetriebe umstellen. Dann und nur nur dann!

Fleisch zu guten Haltungsbedingungen ist nicht unerschwinglich. Es kostet dann vielleicht doppelt so viel. Ok, dann isst man eben nur noch halb so viel Fleisch, ist auch gesünder. Niemand braucht ausschließlich zum Biobauern direkt gehen, man muss sich nur erkundigen und man muss es wollen!

Diese Woche hat der Laden mit regionalem Bio- Fleisch Bratwurst für 5,55 E pro Kilo im Angebot. Da kann mir niemand erzählen, dass er sich das nicht leisten kann. Die leckeren Nürnberger vom Mastbetrieb kosten 2,70 E die Packung im Discounter. Sind also sogar teurer, wenn man das Gewicht genau ausrechnet.

Verantwortunsgvoller Fleischkauf ist mühsamer, erfordert Nachdenken und Engagement. Nicht aber unbedingt so viel teurer, dass man verhungern müsste.
Mal abgesehen von Nitratbelastungen im Grundwasser, Güllegestank und gesundheitliche Schäden durch Antibiotika und andere chemische Futterbeimischungen.

Letztlich muss jeder selbst wissen, was er isst , aber eines ist auch klar:

Nur gemeinsam und in der großen Masse als Verbraucher können wir das wieder geradebiegen, was unsere Wohlstandsgesellschaft und ihre Gier angerichtet hat. Dazu muss man weder Grüner sein, noch Veganer. Dazu muss man niemanden als durchgeknallt belächeln. Es wird Zeit, dass wir Verantwortung übernehmen, jeder Einzelne.
Ich jedenfalls habe mich entschieden. Ich bekomme das Bild von der Sau in dem Käfig mit dem toten Ferkel nicht mehr aus dem Kopf und ich kann es nicht ertragen.
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Alt 05.02.2017, 09:11   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hi Koko,

jetzt erst?

Nein, im Ernst, alles was du hier schreibst ist richtig, doch leider noch lange nicht heftig und schockierend genug.

Ich weiß nicht, ob du den Film "Earthlings" von Shaun Monson aus dem Jahre 2005 gesehen hast. Ich schicke dir (und jedem, der mir eine diesbezügliche Nachricht schreibt) im Anschluss an diesen Beitrag einen Link per PN, aber ich warne vor, das ist nichts für schwache Nerven und ob du danach deine Bratwurst noch genießen kannst, ist eine andere Frage.

Festzuhalten ist, der Mensch bleibt die schlimmste Bestie, die dieser Planet jemals hervorgebracht hat. Seine Perversität, Grausamkeit und Gewissenlosigkeit ist unübertroffen, nicht mal ein T-Rex oder ein anderes "Urzeitmonster" können da mithalten.

Ein Problem ist natürlich die wachsende Weltbevölkerung und der daraus resultierende Nahrungsbedarf. Natürlich gibt es viele Gebiete, wo die Menschen nichts zum Essen haben und ich solche Mastbetriebe noch einigermaßen verstehen könnte, aber in anderen Gegenden (wie bei uns) wird im Übermaß "produziert".

Beispiel (stellvertretend):

Allein in Deutschland werden jährlich 20 Millionen Schweine auf den Müll geworfen. 20 Millionen (!!!) Tiere müssen erbärmlich leiden und sterben anschließend noch einen sinnlosen Tod.
Diese Schweinehalter (oder Schweinepriester) gehören zu den größten Verbrechern wider die menschliche Ethik.
Mitschuldig macht sich die Politik, denn 1,8 Milliarden Euro an Fördergeldern für Ackerflächen für Tierfutter, Stallneubauten oder als Zollerleichterungen bei Importen fließen pro Jahr als direkte oder indirekte Subvention an die industrielle Schweinemastbranche.

Hauptsache, die Leute werden billig satt, sind zufrieden und halten die Fresse.
Und andere, die sich daran bereichern.

Wir werden kaum etwas an diesen Praktiken ändern. Doch jeder hat es selbst in der Hand, wie dein Aufsatz es ja beschreibt. So muss das also jeder mit seinem eigenen Gewissen ausmachen.

Aber wie sagte schon Berthold Brecht? "Erst kommt das Fressen und dann die Moral."

Und die Moral von der Geschicht?
Ich suchte sie, doch fand sie nicht.

Auch ich habe mich mitschuldig gemacht.


In diesem Sinne gern gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald




Kleiner Nachtrag:

Ich habe dazu noch einen Text gefunden, den ich vor ca. sechs Jahren hier eingestellt habe. Kannst ja mal rein schauen --> klick mich


__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)




Geändert von Falderwald (05.02.2017 um 10:26 Uhr) Grund: Nachtrag
Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.02.2017, 18:02   #3
Kokochanel
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ich stimme dir völlig zu, Falder, aber den Link kann ich mir nicht ansehen. Kann ich nicht mehr schlafen.
Jetzt erst, fragst du- nein, jetzt wieder oder noch bewusster.
Ich war 15 Jahre lang Vegetarierin. In der Schwangerschaft riet mir der Arzt dringend, Fleisch zu essen, da ich sehr dünn war. Danach bin ich bei Bratwurst und Schnitzel geblieben, habe aber immer in einem Metzgerladen gekauft, der seine Tiere selbst schlachtete und sie von einem nahegelegen, kleinenWeiler bezog. Wir wohnen ja dörflich.
Vor ca 10 Jahren schloss die Metzgerei und ein bekannter Discounter mit L eröffnete im Ort. Da wir sehr wenig Fleisch und Wurst kauften, kaufte ich dann da. Es war eben mühsam einen anderen Metzger in einem anderen Dorf zu suchen, der ähnliche Bedingungen bot.
Nun kehre ich- ja, auch ich habe mich mitschuldig gemacht - zurück zum
"selbstbestimmten" Bürger...
Danke für deine ausführlichen Einlassungen und lG von Koko
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